Breite Ausbaustrecke statt Nadelöhr: So stellen die Autobahnplaner die neue Strecke durchs Enztal zwischen Niefern-Vorort (rechts), Kieselbronn (ganz hinten) und Eutingen (links) dar. Mit sechs Spuren, deutlich weniger Gefälle und neuem Lärmschutz im Bereich der Talsenke. Foto: Schwarzwälder Bote

Straßenbau: Noch eine Woche – dann fällt Startschuss für Erneuerung / Charakter der Strecke seit 1938 unverändert

Enzkreis/Pforzheim. Jetzt geht’s der alten A8 im Enztal an den Kragen. Nach 80 Jahren. So alt ist die Autobahntrasse, die bei Pforzheim, Kieselbronn und Niefern-Öschelbronn noch immer so verläuft, wie sie vor acht Jahrzehnten gebaut worden ist. Nun wird dieses Nadelöhr, der letzte vierspurige Abschnitt zwischen Karlsruhe und Stuttgart, auf sechs Streifen ausgebaut. Erster Schritt ist die Erneuerung der Bahnbrücke. Dafür wird Ende April die A8 bei Pforzheim-Ost übers Wochenende gesperrt, um zunächst neben der Bahnlinie die Gemeindebrücke bei Niefern abzubrechen.

Mitte November bis Mitte Dezember wird die neue Bahnüberführung, die im kommenden halben Jahr auf freiem Feld neben der A8 erstellt wird, eingesetzt. Anfang oder Mitte 2019 wird dann die Großbaustelle für den rund fünf Jahre dauernden Umbau der A 8 eingerichtet. Das Verkehrsministerium des Landes eröffnet die heiße Phase des Ausbaus mit einem symbolischen Spatenstich am Samstag, 28. April, um 15 Uhr auf den gerodeten Feldern neben der A 8 bei Niefern, wie eine Sprecherin auf Anfrage bestätigte. Rund 150 Millionen Euro kostet das Ganze. Am Ende soll die heutige Staufalle Geschichte sein. Der festliche Startschuss kündigt den Autofahrern freilich zunächst eine nervenaufreibende Zeit über mehrere Jahre an – mit den üblichen Staus auf Autobahn-Baustellenspuren und der Sorge vor Ausweichverkehr in Niefern, Eutingen oder Pforzheim.

1938 gab es kaum private Fahrzeuge

Wo heute täglich rund 80 000 bis 90 000 Fahrer das Enztal passieren, herrschten vor 80 Jahren in der Geburtsstunde der A 8 noch idyllische Verhältnisse. Damals hatte in Deutschland nur einer von hundert Bürgern ein privates Auto, schrieb die Zeitschrift "Die Autobahn" 1934. Die meisten Wagen waren im Besitz von Firmen und Verwaltungen.

In Niefern begann am Samstag, 5. November 1938, das Autobahnzeitalter. Ein großer Tag für die wenigen Autobesitzer: Sie konnten probieren, ob die neue Schnellstraße hält, was man sich von ihr versprochen hatte. In nur vier Jahren erbaut, wurde die A 8 von der Auffahrt Pforzheim-Ost bis Stuttgart eingeweiht. Einen Monat später, am 10. Dezember 1938, wurde auch die Autobahnstrecke von Pforzheim-West bis Karlsruhe eröffnet. Eine durchgängige Verbindung von Karlsruhe bis Stuttgart gab es noch nicht: Das Viadukt bei Ispringen wurde erst 1941 fertig. Auf den A 8-Fahrbahnen bei Pforzheim-Nord gingen die Leute derweil spazieren.

Die Autobahn im Enztal hat sich seitdem kaum verändert: Das anfängliche Kopfsteinpflaster ist seit 1960 weg. Neue Beläge ersetzten mehrmals alten Asphalt. Aber die Trasse mit ihrem starken Gefälle ist immer noch so wie 1938. Im Jahr der Einweihung warf übrigens der Zweite Weltkrieg schon seine Schatten voraus.

Die Bauwirtschaft habe die Autobahnen geschafft, obwohl sie durch die Arbeiten am Westwall, einem 600 Kilometer langen Verteidigungssystem, "ungeheuer stark in Anspruch genommen wurde", sagte bei der Einweihung der Generalinspektor für das Straßenwesen, Fritz Todt aus Pforzheim – ein Bauingenieur an führender Stelle, aber auch ein glühender Nationalsozialist.

7000 Kilometer kreuzungsfreie Fernstraßen wollte die Naziregierung ab 1934 in sieben Jahren bauen. Ende 1938 waren 3000 Kilometer fertig. 1939 wurde das Programm zurückgefahren, bei Kriegsbeginn im September wurde es eingestellt. Zum Vergleich: Heute umfasst das Autobahnnetz knapp 13 000 Kilometer.

Das NS-Regime hat den Autobahnbau nicht erfunden. Geplant hatte das Netz seit 1926 eine private Organisation, nachdem Italien 1924 mit der ersten Autostrada bei Mailand die Blaupause für solche schnellen Verkehrswege geliefert hatte. Von 1935 an war der Autobahnbau aber ein riesiges Arbeitsbeschaffungsprogramm. Rund 300 000 Arbeiter waren auf dem Höhepunkt auf den Baustellen beschäftigt.

Nazis wollten keine Autobahnbrücken

Im Gegensatz zu Zuglinien durften die Autobahnen die Natur nicht durchschneiden. Nach den Vorgaben der NS-Architektur konnten Brücken nur gebaut werden, wenn sie – wie beim Kämpfelbach-Viadukt – unumgänglich waren. Die Fernstraßen sollten sich der Landschaft anpassen. Wozu das führt, ist heute im Enztal zu sehen, wo die Trasse in 80 Jahren dieselbe geblieben ist: Dort wurde auf eine Brücke verzichtet, so entstanden die unfallträchtigen Strecken mit über sieben Prozent Gefälle.

Die A 8 im Enztal sei 1938 wie ein Bügelbrett ins Land gelegt worden, spotteten Straßenbaufachleute später. Der Übergang im Enztal sei "das hässlichste Beispiel für eine Trassierung", schrieb Oberbaudirektor und Autor Klaus Schefold 1996 in seinem Buch über Baden-Württembergs Autobahnen.

Wie schwierig die Steigungen zu bewältigen sind, zeigte von 2004 an der zehn Jahre lange Streit zwischen Anwohnern und Landesplanern über mehr Lärmschutz beim sechsspurigen Ausbau der A 8. Kernstück der neuen Autobahn sei die 380 Meter lange Einhausung des Bereichs am Nieferner Enzberg, sagten die Straßenplaner nach Ende des heftigen Konflikts.

Die Kommunen an der A 8 und die ganze Region hatten sich für einen 800 Meter langen Tunnel im Enztal stark gemacht. Das Bundesverkehrsministerium lehnte diese Lösung ab. Manche Bürger setzten sich für eine Talbrücke ein. Doch auch dafür gab es kein grünes Licht des Bundes als Geldgeber des Ausbaus. So einigten sich Anwohner und Kommunalpolitiker 2014 mit dem Land auf einen Kompromiss. Niefern-Öschelbronn will den Lärmschutz mit Wällen aus überschüssigem Erdaushub des Umbaus verbessern.