Gründliche Suche lohnt sich: Vom Borkenkäfer befallene Bäume, die im Frühjahr gefunden und beseitigt werden, verringern nach Angaben des Enzkreis-Forstamts den Befallsdruck im Sommer. Im Bild gut zu sehen ist ein Rindenstück, das das typische, vom Borkenkäfer verursachte Fraßmuster aufweist. Bild unten: Der Borkenkäfer. Foto: Schwarzwälder-Bote

Plagegeister richten große Schäden an / Kleine Tiere eine Gefahr für Wald, Streuobstwiesen und Weinberge

Enzkreis. Die Mitteilung aus der Obstbaumberatungsstelle des Ludwigsburger Landratsamts gibt den entscheidenden Hinweis: "Die ersten drei Monate dieses Jahres fielen jeweils drei bis vier Grad wärmer aus als im langjährigen Durchschnitt." Der Vegetationsvorsprung im April betrage mehr als zwei Wochen. Und so mancher Gartenschädling habe von diesen milden Vorfrühlingstemperaturen profitiert, etwa der berüchtigte Buchsbaumzünsler oder der nicht minder gefräßige Frostspanner.

Doch damit nicht genug: Auch im Wald, in den Weinbergen und auf den Feldern der Region sind Schädlinge auf dem Vormarsch. Das Forstamt des Enzkreises warnte nun die privaten Waldbesitzer, dass das trocken-warme Wetter im März die Entwicklung des Borkenkäfers erheblich beschleunigt habe. Besonders anfällig seien Waldbereiche, die bereits im Vorjahr von Käfern befallen worden seien, sowie nicht aufgearbeitete Schneebrüche und Windwürfe.

In den Weinbergen der Region, insbesondere im östlichen Enzkreis, tummelt sich gerade vorzugsweise der Rhombenspanner auf der Suche nach frischen Knospen. Und aus der Landwirtschaft hört man, dass die hungrigen Rapsglanzkäfer und Rapsstängelrüssler nerven. Doch auch, wer keine Felder oder Weinberge zu betreuen hat und nicht einmal einen Garten umtreibt, wird derzeit irgendwie das Gefühl nicht los, dass die Insektenwelt mit Macht zum Leben erwacht. Schlagzeilen wie "Der Zeckenwinter nimmt Fahrt auf", "Mückenplage: Experten warnen schon jetzt vor den stechenden Plagegeistern" oder "Nach mildem Winter droht Schnakenplage" kursieren. Tatsächlich sind schon jede Menge Mücken und Schnaken unterwegs. Und was die Zecken anbelangt, gilt der deutsche Südwesten ohnehin als besonders betroffene Region. Doch hatten manche Experten vor ein bis zwei Monaten nicht ganz anders geurteilt? Der milde Winter werde voraussichtlich keinen entscheidenden Einfluss auf Raupen und Falter, Käfer sowie Mücken und Schnaken haben.

Bernhard Staer vom Landwirtschaftsamt des Enzkreises mahnt zu einer differenzierten Sichtweise. Man dürfe keinesfalls alle Populationen über einen Leisten ziehen. Tatsächlich gebe es Insekten, die vom milden Winter profitiert hätten. Umgekehrt gebe es aber auch Völker, die zwar recht gut mit kalten Temperaturen umgehen und dabei am Existenzlimit leben könnten. Für diese Populationen würden dann aber insbesondere wechselhafte Temperaturen zum Problem. Die Völker würden bei wärmeren Temperaturen aktiv, verbrauchten dann viel Energie und machten sich auf die Nahrungssuche, um dann von kalten Temperaturen wieder eingeholt und dezimiert zu werden. So gesehen gebe es aufgrund des zurückliegenden milden Winters sogar einige Völker, die unter der vorherrschenden Wetterlage stark gelitten hätten. Mücken und Schnaken ist der milde Winter dagegen wohl ziemlich gut bekommen. In den Rheinauen etwa gab es dieses Jahr bereits großangelegte Spritzaktionen, um der sich anbahnenden Schnakenplage Herr zu werden.

Staer erläuterte auch, warum sich mit den Jahren manche Bedrohungslage grundsätzlich geändert habe. In früheren Jahrzehnten habe es bestimmte Lebewesen in den heimischen Breitengraden schlicht und ergreifend gar nicht gegeben. Das globale Zusammenwachsen der Wirtschaftsräume habe beispielsweise dafür gesorgt, dass der in Ostasien beheimatete Buchsbaumzünsler in Mitteleuropa eingeschleppt worden sei und hier nun stellenweise innerhalb weniger Jahre die Buchsbaumbestände in erheblichem Ausmaß reduziert habe. Auch der Baumwollkapselwurm sei ein solch gefährlicher Exot, der seinen Weg aus dem südlichen Mittelmeerraum inzwischen über das Rhonetal bis ins Herz von Europa gefunden habe. Letztere Entwicklung mache auch klar, dass sich der Klimawandel auswirke. Mit höheren Temperaturen in Mitteleuropa werde die Region auch für vormals nicht einheimische Insekten attraktiv. Tatsächlich muss man heutzutage in Deutschland im Extremfall sogar mit der asiatischen Tigermücke und der Übertragung des gefährlichen Dengue-Fiebers rechnen.

Weitere Informationen: www.wald-wissen.net