Eine Beschäftigte des Klinikums Kassel hält bei einer Demo ein Plakat mit der Aufschrift „Pflegekräfte gesucht“ in der Hand (Archivbild). Foto: dpa/Uwe Zucchi

Ständige Überlastung, mangelhafte Versorgung der Patienten: Darüber klagen viele Beschäftigte in deutschen Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Viele hadern mit ihrem Beruf und überlegen aufzuhören.

Viele junge Pflegekräfte haben innerlich gekündigt und erwägen eine Berufsaufgabe. Fast ein Drittel beziehungsweise 28 Prozent der Fachkräfte im Alter von bis zu 29 Jahren dachten im vergangenen Jahr aufgrund von Stress und Druck darüber nach, den Beruf aufzugeben, wie aus einer aktuellen Barmer-Umfrage hervorgeht. Das war der höchste Wert unter allen Altersgruppen.

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Ausgebrannt: Arbeiten an der Belastungsgrenze

Bei den 40- bis 49-Jährigen dachten demnach gut 18 Prozent zuletzt häufiger über eine Berufsaufgabe nach. Das war der niedrigste Wert unter allen Befragten. Die Barmer und das Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung analysierten im Juni vergangenen Jahres Ressourcen und Belastungen von rund tausend Pflegekräften in der ambulanten und stationären Versorgung.

„Pflegekräfte arbeiten häufig an der Belastungsgrenze und auch darüber hinaus“, erklärt Barmer-Vorstandschef Christoph Straub. Nötig seien deshalb wirksame Strategien zur Bewältigung des Alltagsdrucks, wozu neben besseren Arbeitsbedingungen Selbstfürsorge und eine verantwortungsvolle Führung gehörten.

Die sogenannte innere Kündigung beschreibt eine Arbeitshaltung, bei der Betroffene sich innerlich von ihren Tätigkeiten, der Kollegenschaft und von der gesamten Organisation distanzieren. Die Leistungsfähigkeit sinkt dadurch stark.

Hoher Bedarf an Pflegekräften

Der Bedarf an zusätzlichen Pflegekräften könnte nach neuen Berechnungen allein durch die zunehmende Alterung bis zum Jahr 2049 auf bis zu 690 000 steigen. Das wäre ein Plus von rund einem Drittel im Vergleich zum Jahr 2019, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) in Wiesbaden mitteilt. Zur Jahrhundertmitte würden dann rund 2,15 Millionen Menschen in der Pflege benötigt.

Für das Vor-Corona-Jahr 2019 gab das Bundesamt einen Bedarf von 1,62 Millionen Pflegekräften an.Vier Berufsgruppen sind den Statistikern zufolge maßgeblich für die Pflegetätigkeit: Gesundheits- und Krankenpflege, Gesundheits- und Krankenpflegehilfe, Altenpflege sowie Altenpflegehilfe. Die Vorausberechnung erfasste die Beschäftigten, die in diesen Berufen tätig sind.

Personalmangel in den meisten Kliniken

Die allermeisten Krankenhäuser in Deutschland gehen laut einer Studie von einer Verschärfung des Personalmangels bei Pflegekräften aus. 86 Prozent der befragten Kliniken meinen, dass die Stellensituation auf den Allgemeinstationen sich in den nächsten drei Jahren verschlechtern werde, zeigt eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO und des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI). „Für die nahe Zukunft sehen die Kliniken schwarz“, heißt es.

Den befragten Kliniken fehlen den Studienergebnissen zufolge vor allem geeignete Bewerberinnen und Bewerber. Außerdem seien bevorstehende Renteneintritte von Pflegenden ein häufiger Grund für die schlechten Zukunftsaussichten. Auch die allgemeine Erschöpfung der Beschäftigten spiele eine wichtige Rolle.

Derzeit fehlen der Untersuchung zufolge in fast jedem Krankenhaus (94 Prozent) Pflegerinnen und Pfleger auf Allgemeinstationen. In den betroffenen Kliniken seien durchschnittlich acht Prozent der Vollkraftstellen unbesetzt. Auf Intensivstationen haben demnach fast drei Viertel der Kliniken Probleme, offene Pflegestellen zu besetzen. Zwölf Prozent der vollen Stellen blieben dort frei.