Haben allesamt Grund zur Freude (von links): Manuel Seidt und Annette Hahn vom Seniorenstift am Kurgarten, Rafael Oganyan mit seiner Frau Izabela Papikian und Tochter Lilith Oganyan sowie Sabine Groß und Ulrich Kern vom Freundeskreis Asyl Pfalzgrafenweiler. Foto: Anthony

Integration: Rafael Oganyan bereitet Ausbildung viel Freude. Bei Männern besonders beliebt.

Pfalzgrafenweiler - Rafael Oganyan strahlt. Das erste Lehrjahr in der Ausbildung zum Altenpfleger sei bestanden, erzählt der 32-Jährige. Vertreter seiner Ausbildungsstätte und des Freundeskreises Asyl freuen sich mit ihm. Denn Oganyan ist Flüchtling – und seine Zukunft in Deutschland ungewiss.

Momentan überwiegt die Freude. Ulrich Kern und Sabine Groß vom Freundeskreis Asyl danken den Verantwortlichen des Seniorenstifts am Kurgarten in Pfalzgrafenweiler für deren Bereitschaft, Rafael Oganyan auszubilden und für die kontinuierliche Unterstützung.

Oganyans guter Notendurchschnitt sei erfreulich, stellt Einrichtungsleiterin Annette Hahn fest. Wichtiger sei ihr jedoch, dass der in Georgien geborene Armenier Rafael Oganyan bei den Senioren "äußerst beliebt" sei. Besonders die Herren seien froh um den momentan im Seniorenstift einzigen Mann in der Pflege, fügt Manuel Seidt schmunzelnd hinzu. Überhaupt wünsche er sich mehr Männer in diesem Berufsfeld, so der Pflegedienstleiter.

Vor dem Hintergrund kräftezehrender Ungewissheit – Rafael Oganyan, seine Frau Izabela Papikian und Töchterchen Lilith sind Asylbewerber mit Aufenthaltsgestattung, die jeweils nach sechs Monaten beim Landratsamt Freudenstadt verlängert werden muss – sei das Erlernen eines Berufs in fremder Sprache eine enorme Leistung, betont Sabine Groß. Und das Zeugnis sei "ziemlich gut", ergänzt Ulrich Kern nicht ohne Stolz.

Bei ihrer Arbeit für den Freundeskreis Asyl Pfalzgrafenweiler begleiten Groß und Kern auch Rafael Oganyan und seine Familie. Die Bereitschaft, Flüchtlingen vor Ort einen Arbeitsplatz oder einen Ausbildungsplatz anzubieten, sei gewachsen, stellt Kern fest. Sprachliche Defizite seien nach wie vor das große Hindernis auf dem Weg in eine erfolgreiche Integration. Es sei wichtig, die Menschen, die teilweise schon Jahre in Pfalzgrafenweiler leben, mit Arbeit und Wohnraum auszustatten, damit sie am Ort bleiben und sich weiter integrieren könnten. So könnten sie zum Gemeinwohl beitragen, anstatt in die sozialen Auffangsysteme zu rutschen, meint Kern.

Auf seine guten Sprachkenntnisse angesprochen, berichtet Rafael Oganyan, dass er 2005 erstmals nach Deutschland gekommen sei. Als Au-pair in Berlin sei er für die Betreuung der Kinder seiner Gastfamilie zuständig gewesen. So habe er schon etwas Deutsch lernen können. In der Familie sei er sehr gut aufgenommen worden.

Zurück in seiner Heimat Georgien arbeitete Rafael Oganyan in der Hauptstadt Tiflis als Bäcker und Konditor. Dort lernte er seine Frau Izabela kennen. Seit 2010 sind sie verheiratet. Die Wirtschaftsinformatikerin mit Bachelor-Abschluss hat an diversen Deutschkursen teilgenommen. Ebenso wie ihr Mann hat sie die Sprachprüfung B1 nach dem allgemeinen europäischen Referenzrahmen bestanden. Nun strebt sie die B2-Prüfung an. Das sei für die weitere berufliche Karriere ein wichtiger Baustein, bestätigt Sabine Groß.

Für die kleine Lilith ist Deutsch Muttersprache

Izabela Papikians größter Wunsch ist es, in Deutschland bleiben und eine Ausbildung zur Industriekauffrau machen zu können. Das zehn Monate alte Töchterchen Lilith besucht bereits die Krabbelgruppe des evangelischen Kindergartens – Deutsch werde für die kleine Lilith bereits zur Muttersprache, sagt Izabela Papikian und lacht.

Auf die Frage, warum sie 2013 aus ihrer Heimat geflohen seien, fällt beiden das Reden sichtlich schwer. Wie soll man unaussprechliches Leid, Kummer, Ängste in Worte fassen? Rafael Oganyan atmet tief durch. Es seien private politische Gründe gewesen.

Viel lieber erzählt er davon, dass er sich in Deutschland gut integriert fühlt. Überhaupt seien die Deutschen viel offener und direkter als seine Landsleute, fasst er seine Erfahrungen zusammen. Hier könne man sagen, was einem gefällt und was nicht.

In seiner Freizeit spielt er gerne Gitarre und Klavier. Beides hat er sich selbst beigebracht. Das Tischtennis-Spielen musste er aus Zeitgründen aufgeben. Es gebe in seinem Ausbildungsberuf sehr viel zu lernen, und dann sei da ja auch seine Tochter, erklärt er und lächelt.

Der Freundeskreis Asyl – mit 60 aktiven und ebenso vielen passiven Unterstützern – sei wegen bürokratischer Hürden oft der Verzweiflung nah, berichtet Ulrich Kern. Familie Oganyan etwa warte bereits seit zweieinhalb Jahren auf eine Einladung zum Interview nach Karlsruhe. Auch lange Wartezeiten, um an Sprachkursen teilnehmen zu können, seien wenig konstruktiv und für manche Flüchtlinge auch demotivierend.

Ehrenamtliche betreuen 100 Personen

Die Ehrenamtlichen betreuen mittlerweile 100 Flüchtlinge in Pfalzgrafenweiler. Mit zwei Lehrerinnen, die ehrenamtlich zweimal die Woche Deutsch unterrichten, habe man einen Glücksgriff getan, merkt Sabine Groß an. Unterschiede im Bildungsniveau seien zu überbrücken, was nicht immer leicht sei, weiß Groß, die ebenfalls Sprachkurse bei öffentlichen Bildungsträgern leitet. Ein weiteres Hindernis sei der verwaltungstechnische Übergang von den Landratsämtern hin zu den Job-Centern. An dieser Stelle gelte es, so Groß und Kern unisono, bürokratische Hürden abzubauen, um möglichst schnelle Integration zu ermöglichen.