Gillian Keegan, Bildungsministerin von Großbritannien, spricht bei einem Interview in Westminster. Eine peinliche Panne ist der britischen Bildungsministerin Gillian Keegan bei einem Fernsehinterview passiert. Sie fluchte wie ein Kesselflicker. Foto: Zuma Press Wire/dpa/Thomas Krych

Im deutschen Politikbetrieb gibt es schon lang keine großen Choleriker mehr wie Herbert Wehner oder Franz-Josef Strauß. Doch auf der britischen Insel hat jetzt die konservative Bildungsministerin Gillian Keegan in der Rolle des Wutredners brilliert – wider Willen. Protokoll einer peinlichen Panne.

Eine peinliche Panne ist der britischen Bildungsministerin Gillian Keegan bei einem Fernsehinterview passiert. Die konservative Politikerin hatte am Montag (4. September) Fragen zu gefährlichen Baumängeln an Schulen des Senders ITV beantwortet . Das Thema beschäftigt britische Medien zum Start des neuen Schuljahres schon seit Tagen.

Bildungsministerin flucht wie ein Rohrspatz

Kaum war das Interview beendet – die Kamera lief noch – begann Gillian Keagan sich zu beschweren:

„Sagt eigentlich irgendjemand irgendwann mal ‚Du hast einen verdammt guten Job gemacht, weil alle anderen auf ihrem Arsch gesessen und nichts gemacht haben‘?“

Womit Keegan wohl nicht gerechnet hatte: Der Sender veröffentlichte die Äußerung.

Keegans Entschuldigung kommt prompt

Kurze Zeit später entschuldigte sich Gillian Keegan in einem weiteren Interview für ihre Ausdrucksweise. Es habe sich um spontane Äußerungen gehandelt.

Wem sie Untätigkeit vorgeworfen hatte, wollte sie nicht näher ausführen. Eigentlich sei es aber die Schuld des Reporters gewesen, der ihr das Gefühl gegeben habe, allein an der Misere schuld zu sein, sagte Keegan.

Mehr als 100 Schulgebäude in England mussten kurz vor Beginn des Schuljahres ganz oder teilweise geschlossen werden, weil darin vor Jahrzehnten Porenbeton verbaut wurde, der nun nachgibt.

Politiker und die Kunst der Beleidigung

Das Schauspiel, das Gilian Keegan geliefert hat, nennt sich die Kunst der Malediktion. Malediktologie (von lateinisch „maledicere“: lästern, schmähen, beleidigen) ist die Wissenschaft vom Fluchen und Schimpfen, ein Zweig der Sprachwissenschaft, speziell der Psycholinguistik und Soziallinguistik.

Wenn man sich über jemanden oder etwas ärgert, unterstreicht man dies ausgiebig und inbrünstig mit Hilfe der Sprache. Die Lust am „Male dictus“ – an der beleidigenden, gemeinen und vulgären Rede – ist ein globales Phänomen. Fünf Prozent der Gespräche am Arbeitsplatz und mehr als zehn Prozent der Unterhaltungen in der Freizeit sollen aus Schimpfwörtern bestehen, hat der US-Psychologe Timothy Jay herausgefunden. Wie oft Malediktionen in der internationalen Politik Usus sind, hat er nicht untersucht.

Die Kunst des Fluchens und Schimpfens

Im Vergleich zu anderen Politikern ist Gilian Keegan eine kleine Nummer, was das Fluchen und Schimpfen angeht. Der frühere amerikanische Präsident Donald Trump war und ist so etwas wie der ungekrönte König der politischen Malediktion.

Trump reitet bis heute mit seinen Verbalentgleisungen ganz oben mit auf der Welle der Beleidigungen. Der erzkonservative Politiker ist zwar nicht als Linguist bekannt, aber dennoch ist er rhetorisch auf originäre Weise begabt.

„Fluchen und Schimpfen gehören zur ‚Conditio humana‘ – zum Menschsein“, erklärt der Schweizer Sprachwissenschaftler und Malediktologe Roland Ries. Schimpfwörter unterliegen genauso wie Kleidung oder Musik wechselnden Moden.