Winfried Kretschmann auf dem Grünen-Parteitag in Reutlingen. Foto: dpa

Im Zwist um den Sinn und Unsinn des Gymnasiums in Baden-Württemberg haben sich die Grünen auf ihrem Parteitag in Reutlingen auf einen Erhalt der Schulform geeinigt.

Reutlingen - Mit großer Mehrheit haben sich die Südwest-Grünen für den Erhalt des Gymnasiums ausgesprochen. Ein Antrag der Grünen Jugend, langfristig nur noch auf die Gemeinschaftsschule zu setzen, lehnten 174 Delegierte am Samstag beim Parteitag in Reutlingen ab. 28 Stimmen entfielen bei schriftlicher Abstimmung auf den Vorschlag der Jugendorganisation. Zuvor hatte sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) für das Gymnasium als sehr beliebte und leistungsfähige Schule stark gemacht. Er gab zu bedenken, dass die gesellschaftlichen Eliten in anderen Ländern Privatschulen besuchten, während alle Menschen in Deutschland auf öffentliche oder Schulen in freier Trägerschaft gingen. „Das ist für den Zusammenhalt dieser Gesellschaft ein unermesslicher Wert.“

Dagegen betonte die Sprecherin der Grünen Jugend, Lena Schwelling, Grün-Rot habe den Auftrag, ein ungerechtes gegliedertes Schulsystem abzuschaffen. Dieses sei aber noch nicht vollständig überwunden. Die Einrichtung gymnasialer Oberstufen laufe bei den Gemeinschaftsschulen schleppend an, weil auf Druck des Koalitionspartners SPD an 44 Modellschulen der neunjährige Weg zum Abitur angeboten werde. Sie wolle das Gymnasium nicht am 14. März 2016 dichtmachen, sondern langfristig die Gemeinschaftsschule wirklich zu einer Schule für alle machen und damit ihre Zukunft sichern: „Lasst bitte nicht zu, dass die heilige Kuh Gymnasium unser zartes Pflänzchen Gemeinschaftsschule schluckt.“

Der Delegierte Till Seiler aus Konstanz pflichtete ihr bei und betonte, das von Kretschmann „per ordre de Mufti“ verordnete Zwei-Säulen-Modell sei nicht zukunftsträchtig. „Die Gemeinschaftsschule soll eine Schule für alle sein, nicht für die Hälfte der Schülerschaft“, sagte der Gymnasiallehrer. Es sei eine Legende, wenn behauptet werde, dass die Gemeinschaftsschulen keine fachwissenschaftlich ausgebildeten Lehrer benötigten. Die 271 Gemeinschaftsschulen bräuchten Multiprofessionalität.

Der Landtagsabgeordnete Siegfried Lehmann konterte, dass die Gemeinschaftsschulen Bestand haben könnten neben dem Gymnasium. Es sei wichtig, dass sich die Schullandschaft von unten entwickele und nicht von Parteitagen oder Regierung bestimmt werde. Lehrer, Schulen und kommunale Schulträger müssten mitgenommen werden.