Die Nachrichtenseite "Tagesschau.de" hat gemeldet, der Flugplatz Lahr sei nach der Insolvenz des Betreibers im Jahr 2013 von einer Briefkastenfirma mit Sitz auf den britischen Jungferninseln übernommen worden. Foto: dpa

Enthüllungen über Briefkastenfirmen in Steueroasen beherrschen Schlagzeilen - auch Flughafen Lahr betroffen?

Berlin/Lahr - Die Enthüllungen über Briefkastenfirmen in Steueroasen beherrschen die Schlagzeilen. Weltweit – und auch im Südwesten.

Im badischen Lahr (Ortenaukreis) ist die Stimmung gestern angespannt. Am Morgen hat die Nachrichtenseite "Tagesschau.de" gemeldet, der Flugplatz Lahr sei nach der Insolvenz des Betreibers im Jahr 2013 von einer Briefkastenfirma mit Sitz auf den britischen Jungferninseln übernommen worden. Quelle sind offenbar die "Panama-Papiere", die am Sonntagabend von dem Rechercheteam um die "Süddeutsche Zeitung" veröffentlicht wurden.

Gab es Hinweise auf zwielichtige Geschäfte? Recherchen unserer Zeitung haben ergeben, dass die Flugbetriebsflächen bereits 2012 von der Stadt Lahr gekauft wurden. Die Luftverkehrslizenzen übernahm sie im August 2013 bei einer Gläubigerversammlung. Bis zur Insolvenz im Februar 2013 gehörten die Lizenzen der Investmentfirma Integeral. Deren Vertreter Tony Freudmann gab 2012 in einem Medienbericht zu, die Gesellschaft sei auf den Jungferninseln gemeldet – einer Steueroase vor Panama.

Das ist per se nicht illegal, doch der Geschäftsmann Freudmann wirft einige Fragen auf. Die Investorengruppe Integeral übernahm Mitte 2012 den Flugplatz, Freudmann wurde Geschäftsführer der Beteiligungsgesellschaft.

Jahre zuvor hatte er in Lahr schon einmal eine Bruchlandung hingelegt – als er in der Geschäftsführung des damaligen Flughafenbetreibers Wiggins Group war, die 2005 Insolvenz anmeldete. Im Februar 2013 ging dann die Integeral-Tochterfirma Black Forest Airport Lahr pleite. Sucht man Freudmann im Internet, taucht sein Name in Zusammenhang mit der "Annax Aviation Group" auf, die auf Gibraltar gemeldet ist, einem britischem Überseegebiet mit niedrigen Steuersätzen. Sämtliche Internetseiten des Unternehmens sind passwortgeschützt. Auch bei der Firma Riveroak Investment mit Sitz im US-amerikanischen Stamford taucht Freudmann als Direktor auf.

Die heute in Lahr Verantwortlichen jedenfalls bemühen sich gestern um Klarstellung. So teilt die Firma Herrenknecht, deren Gründer Martin Herrenknecht seit Oktober 2013 als Geschäftsführer den Flugbetrieb verantwortet, auf Nachfrage unserer Zeitung mit: "Weder das Unternehmen Herrenknecht noch der Unternehmer Martin Herrenknecht sind mit den Panama-Papieren in Verbindung gebracht". Auch die Stadt Lahr widerspricht in einer Pressemitteilung den Medienberichten, betont aber auch: "Falls vor der Übernahme durch die Stadt Lahr Verbindungen zu den Britischen Jungferninseln bestanden haben sollten, wie es nun berichtet wird, so wäre dies jedenfalls ohne Zutun der Stadt Lahr erfolgt." Die Botschaft der Kommune: Seit die öffentliche Hand am Flughafen das Sagen hat, geht alles seinen geregelten Gang.

Landesweit stehen im Visier der Ermittler aber vor allem die Banken, die eine Schlüsselrolle beim Vertrieb von Briefkastenfirmen gespielt haben. Laut Süddeutscher Zeitung haben mindestens 28 deutsche Geldinstitute in den vergangenen Jahren die Dienste der panamaischen Wirtschaftskanzlei Mossack Fonseca genutzt. Auf einem Datenleck dieser Kanzlei basieren die Recherchen. Insgesamt hätten allein die deutschen Banken bei dem Offshore-Dienstleister mehr als 1200 Briefkastenfirmen gegründet oder diese für ihre Kunden verwaltet.

Während die Bankenaufsicht Bafin es gestern bei der Ankündigung beließ, sie wolle die Geschäfte von Banken mit solchen Offshore-Gesellschaften unter die Lupe nehmen, fand Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) deutliche Worte: "Niemand wird sich der Verantwortung entziehen können. Wer sich hat etwas zuschulden kommen lassen, wird zur Rechenschaft gezogen." Er plane ein "Transparenzregister", in dem Briefkastenfirmen ihre wahren Eigentümer offenlegen müssen.

Viele Geldinstitute sind nach den Enthüllungen selbst aktiv geworden: Die BayernLB lässt prüfen, ob ihre frühere Luxemburgtochter in sogenannte Offshore-Geschäfte verwickelt war.

Bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) sieht man keine Anhaltspunkte dafür vor, dass "die Bank in derartige Geschäfte verstrickt ist", wie ein Sprecher der Bank erklärte. Die LBBW habe frühere Presseberichte zum Anlass genommen, selbst Recherchen anzustellen.

Bei der Deutschen Bank hat man derweil bestätigt, dass man Kunden bei der Eröffnung von Briefkastenfirmen im Ausland geholfen habe. Dabei hatte die Spitze der größten deutschen Bank 2013 das Unternehmen auf einen Kulturwandel eingeschworen. Bis dato hatte die Bank offen für Steueroasen geworben, es gab eine eigene Internetseite. Sie wurde vor drei Jahren vom Netz genommen, das Geschäft mit Briefkastenfirmen lief aber weiter.

Gestern haben die Enthüllungen ihr erstes politisches Opfer gefunden: Nach Medienberichten trat Islands Regierungschef Sigmundur David Gunnlaugsson in Absprache mit seiner Partei von seinem Amt zurück. Zuvor war sein Name im Zusammenhang mit den Panama-Enthüllungen aufgetaucht.

Um die 12 000 Menschen hatten sich am Abend zuvor vor dem Parlament in Reykjavik versammelt, schmissen mit Bananen und Eiern. Die Menschen in dem kleinen Inselstaat mit nur 330 000 Einwohnern kochten vor Wut. Als gestern auch der Rückhalt in den eigenen Reihen schwand, zog Gunnlaugsson die Konsequenzen.