Herbert Joos ist nicht nur ein begnadeter Musiker, sondern auch als Zeichner und Maler erfolgreich – im Bild zeichnet er gerade Theaterhaus-Chef Werner Schretzmeier Foto: Thomas Staiber

Herbert Joos ist ein ausgezeichneter Improvisator mit rundem, weichem und substanziellem Flügelhornton. Nun wird er 75, und bei den 28. Osterjazztagen im Theaterhaus bringt ihm der Kärtner Saxofonist Wolfgang Puschnig mit Band und den Amstettner Musikanten ein besonderes Geburtstagsständchen.

- Herr Joos, am 3. April feiern Sie bei den Osterjazztagen im Theaterhaus Ihren 75. Geburtstag mit einem großen Aufgebot. Was darf das Publikum erwarten?
Die ganze Band freut sich auf den Auftritt im Theaterhaus. „Blaskapelle“ und „ Jazz“ hört sich nach Klamauk an. Aber Humor mit musikalischer Substanz trifft’s besser. Wir sollten bitte nie in Schubladen denken, sondern Ohren, Geist und Herzen öffnen!
Mit 75 Jahren sind viele Körner durch die Sanduhr des Lebens geflossen, und man neigt dazu zurückzuschauen. Verraten Sie uns, wie alles begann! Wie wurde Ihre Künstlernatur entdeckt?
Ich habe meine Fans, wunderbare treue Musikliebhaber. Aber entdeckt? Ich sag’ mal arrogant: Mich hat niemand entdeckt, Einzelpersonen aber sehr wohl.
Wie manche Künstler haben Sie das große Glück einer Doppelbegabung: Sie sind Musiker, Sie zeichnen und malen, und Sie bringen beide Kunstformen zum Einklang.
Wenn ich morgens aufstehe, frage ich mich, was heute ansteht. Und: Wie komme ich an Geld? Das Lesen Ihrer Zeitung gehört auch dazu. Zum Begriff „Kunst“ habe ich ein gestörtes Verhältnis – mit dem, was heute alles zur Kunst „kuratiert“ wird. Wenn etwa das ungemachte Bett von Tracy Emin für drei Millionen Euro verkauft wird. Ist denn alles Kunst? Ich selbst würde mich eher dem „perfekten Kunsthandwerk“ zuordnen.
Als Trompeter und Flügelhornist haben Sie verschiedene Jazzstile aktiv erlebt. Was haben Sie auf Ihrer musikalischen Zeitreise mitgenommen, was hinter sich gelassen?
Auf meiner musikalischen Zeitreise ist vielleicht das übrig geblieben: Immer, immer musst du an dir arbeiten. Üben, üben und an dem forschen, was deine Persönlichkeit ausmacht. Denn beeindruckt haben mich stets die Musiker, die das spielen, was sie selbst erlebt haben, was sie geworden sind. Körperlich, geistig, seelisch. Jazzmusiker sollten keine Schauspieler sein. Wenn ich höre, was manche Sängerinnen da auf der Bühne so an „Jazzverruchtheit“ anbieten, schalte ich – sorry – gleich auf Off.
Wenn Sie den Blick nach vorne richten: Fragen Sie sich, wie der Jazz sich entwickeln könnte?
Ojeee! Es gibt keine musikalische Revolution mehr. Es geht nur noch um Perfektionierung, weil eh schon alles gespielt wurde. Ich höre atemberaubende Techniker, selten herzergreifende Individualisten und oft kalte Kopfkünstler. Die Zukunft des Jazz ist keine musiktheoretische Frage, sondern eine ökonomische. Jeder Musikstudent sieht sich auf der künstlerischen Seite. Aber für mich ist Studium und Kunst schon immer ein Paradoxon. Technik kann man studieren, Kunst nicht. Zur Zukunft des deutschen Jazz kann ich sagen: Auf den großen Festivals findet der nicht statt. Wenn ich dort aufgetreten bin, dann nur mit internationalen Gruppen. Aber ausdrücklich betone ich, dass das Theaterhaus eine löbliche Ausnahme ist. In Deutschland werden wir immer mehr Jazzmusiker haben, weil so viele Jazz studieren. Aber die haben immer weniger Auftrittsmöglichkeiten zu annehmbaren Bedingungen. Das ist die Zukunft des Jazz hierzulande!
Das Musikbusiness hat sich im digitalen Zeitalter rasch und gründlich verändert. Wie geht es Ihnen damit?
Das Musikbusiness repräsentiert heute alles. Im Mainstream, dem großen Eintopf, finden sich auch Geschmacklosigkeiten und Nicht-Können. Hauptsache, der ganze Brei verkauft sich.
Der Philosoph Kierkegaard hat gesagt, man könne das Leben nur rückwärts verstehen, müsse es aber vorwärts leben. Mit welchem Jazzprojekt beschäftigen Sie sich gegenwärtig? Was für Pläne schmieden Sie? Welche Wünsche hegen Sie?
Viele. Wünsche und Ideen sind genügend da. Ich warte auf gute Angebote, um sie realisieren zu können.
Noch eine Frage nach Superlativen: bestes Jazzalbum, schönste eigene Platte, bester Kollege?
Miles Davis’ „Fahrstuhl zum Schafott“ und Billie Holidays „Lady In Satin“. Meine schönste Platte ist „Day Break“, erschienen bei ECM. Und der beste Kollege ist immer der, der auch Trompete spielt, aber schlechter als man selber (lacht).