Darauf fliegen die Chinesen: Der Regionalflughafen in Lahr mit seiner langen Landebahn könnte für mehr Fracht- und Passagiermaschinen neu aufgestellt werden. Foto: Braun

Drehkreuz in der Ortenau soll Teil der "Neuen Seidenstraße" werden. Mehr Flugzeuge gefallen längst nicht allen.

Lahr - Die "Neue Seidenstraße" der Chinesen könnte bald schon bis ins badische Lahr (Ortenaukreis) führen. Nach Informationen unserer Zeitung gibt es ernsthaftes Interesse chinesischer Investoren, sich auf dem früheren Militärflughafen vor den Toren der 47 000-Einwohner-Stadt einzunisten und Lahr zum Logistik-Drehkreuz auszubauen. Das brächte der Stadt Millioneneinnahmen und plötzlich wieder viel mehr Flugverkehr. Entsprechend umstritten ist das Vorhaben.

Der Airport hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Vor mehr als 100 Jahren begann sie mit einem Zeppelin-Fluggelände, später dann wurde ein Militärflugplatz daraus. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahmen die Franzosen als Besatzungsmacht das Areal, die Nato stationierte dort Düsenjäger und vermutlich auch Atomwaffen. Dann kamen die Kanadier, und Lahr wurde deren Hauptquartier in Deutschland. 1994 zogen die Kanadier schließlich ab. Für Lahr brach eine Welt zusammen. Die vielen Tausend kanadischen Soldaten hatten jahrzehntelang kräftig Geld in die Stadt gebracht.

Die Stadt machte aus der Not eine Tugend. Das Flugplatz-Areal wurde entwickelt, eine Firma mit Umlandgemeinden gegründet. Viele Firmen siedelten sich neben der Start- und Landebahn an. Bis heute entstanden dort 5000 Arbeitsplätze.

Autobahn, Zuglinie und viele Logistikfirmen: ein perfektes Drehkreuz

Der jüngste Coup war die Ansiedlung des riesigen Logistiklagers des Modeversenders Zalando. Dessen Megahallen sind von der Autobahn zu sehen, die A5 führt direkt am Flugplatz vorbei. Auch andere Logistiker kauften sich Bauland. Lahr wuchs zum Drehkreuz für Fracht vieler Art.

Die Startbahn ist wieder in Betrieb, gerettet vom Schwanauer Tunnelbau-Riesen Martin Herrenknecht, der mit einer eigenen Firma den Flugbetrieb finanziert. Rund 12 000 Starts und Landungen werden pro Jahr abgewickelt. Die Kicker des SC Freiburg fliegen von dort zu ihren Auswärtsspielen, andere Fußball-Bundesligisten landen, wenn sie in Freiburg spielen, Geschäftsleute aus der ganzen Ortenau nutzen den Regionalflughafen. Selbst Papst Benedikt XVI. flog schon nach Lahr. Und der Europa-Park im nahen Rust hat eine gültige Passagierfluglizenz für den Airport. Touristenflüge gibt es derzeit allerdings nicht.

Der Standort Lahr wird immer interessanter. Die Autobahn soll sechsspurig werden, die Rheintalbahn daneben vier Gleise bekommen. Alles fast in Steinwurfnähe zum Flugplatz. Geplant ist dort auch ein Güterverkehrszentrum, das Laster und Schiene miteinander verknüpfen soll. Lahr liegt an der Bahn-Trasse Rotterdam-Genua.

Reichlich logistische Vorteile. Und die haben offenkundig auch schon chinesische Investoren erspäht. China schiebt mit Macht sein Projekt der "Neuen Seidenstraße" voran, das neue Handelswege vom Reich der Mitte in mehr als 60 Länder erschließt. Häfen werden gekauft, Eisenbahnlinien und Straßen gebaut. Nun könnte auch das Drehkreuz Lahr im Dreiländereck zu Frankreich und der Schweiz hinzukommen.

Das schwebt zumindest dem bald scheidenden Lahrer Oberbürgermeister Wolfgang G. Müller (SPD) vor. Er geht im Herbst dieses Jahres in Ruhestand. Schon seit Jahren liebäugelt er mit den Chinesen, war schon mehrfach mit Delegationen dort und freut sich über ein Start-up-Center für China, das ein Lahrer Büro eröffnet hat. Jüngster Erfolg: Teile des Parks der Lahrer Landesgartenschau von 2018 will China für sich kopieren, in einer Millionenstadt.

Mit einer netten Gartenschau-Kopie im fernen Asien haben die Lahrer kein Problem. Doch für Pläne, das Flughafen-Areal den Chinesen zu überlassen, erntet der OB in diesen Tagen Kopfschütteln. Kein Wunder: Nicht mal der Gemeinderat war über aktuelle Pläne für einen Deal mit China informiert. Die Stadträte erfuhren aus der Lahrer Zeitung vom nebulösen Vorhaben, bei dem Investitionen in Höhe von 200 Millionen Euro im Raum schweben.

Die größten Flugzeuge der Welt können in Lahr starten und landen

Hauptkritikpunkt: Lahr und das Umland würden im Fluglärm versinken, wenn Fracht- und Passagier-Jumbos dort abheben. Die Startbahn gehört zu den längsten im Land, selbst die größten Flugzeuge der Welt können dort abgefertigt werden. Und: Den chinesischen Versprechungen sei nicht rundweg zu trauen, das Riesenreich verfolge vor allem seine eigenen Ziele.

Bekanntester Kritiker ist Herrenknecht. Er protegiert den Flugbetrieb, doch für einen Einstieg der Chinesen sei er "partout nicht zu haben. Die Stadt Lahr und ihre Vertreter sollten sich sehr gut überlegen und ohne Zeitdruck anschauen, was genau passiert, wenn chinesische Investoren attraktive Infrastrukturen in Europa übernehmen. Das sieht man in Griechenland oder Osteuropa heute schon bei der ›Neuen Seidenstraße‹. Erst kommt die Finanzierung der Chinesen, dann kommt ›Made in China‹ mit der vollen Wucht."

OB Müller relativiert: Ein Verkauf sei kein Thema, höchstens das Betreiben des Flughafens. Es bestehe "kein Interesse, die Flugbetriebsflächen und die Lizenzen zu veräußern". Vorbereitende Gespräche seien geführt worden, im Hinblick auf den Pachtvertrag, der 2021 ausläuft. Gemeinderat und andere Gremien würden entscheiden.

Zunächst stimmen die Lahrer Bürger ab: Am 22. September ist OB-Wahl, fünf Kandidaten stehen bereit, und deren Haltung zum China-Einstieg in der Stadt dürfte für Zündstoff im beginnenden Wahlkampf sorgen.