Gerade in Tal-Lagen sind die Rebentriebe durch den teilweise acht bis zehn Stunden lang anhaltenden Nachtfrost besonders stark geschädigt worden. Foto: Werner

Experten stellen vorläufige Schadensbilanz vor. Existenzbedrohenden Ausfälle erwartet.

Ortenau - Über die Auswirkungen des Nachtfrosts der vergangenen Woche haben Experten des Landratsamts informiert. Obstbauern, Winzer und Landwirte müssten mit teilweise existenzbedrohenden Ertragsausfällen rechnen.

Fachleute des Landwirtschaftsamts stellten am Montag ihre vorläufige Bilanz zu den Frostschäden im Ortenaukreis vor. "Das war eine mittlere Katastrophe", so Rainer Moritz, Leiter des Amts für Landwirtschaft. Man habe großräumig mit gravierenden Schäden unterschiedlichen Ausmaßes zu rechnen. Sie lägen je nach Kulturpflanze zwischen fünf und 100 Prozent der angebauten Pflanzen.

"In den vergangenen 25 bis 30 Jahren habe ich kein vergleichbares Frostereignis erlebt", sagte Moritz. Zuletzt habe es 1991 einen ähnlich schweren Frost gegeben. Das Problem seien nicht die Minusgrade, sondern die lang anhaltenden Kälteperioden während der Nacht gewesen: Aufgrund einer extremen Wetterkonstellation habe der Frost in mehreren Nächten zum Teil acht bis zehn Stunden angehalten. Manche Betriebe seien durchaus in ihrer Existenz betroffen, jedoch könne man erst in drei bis vier Wochen die Schäden abschließend bewerten. Betriebe, die Schutzmaßnahmen ergriffen hätten, seien in jedem Fall auf der besseren Seite.

Hoffen bei den Winzern

Weinbauberater Johannes Werner sagte, dass die Weinpflanzen in diesem Jahr der durchschnittlichen Entwicklung 14 Tage voraus gewesen seien. Der Frost habe so einen besonders großen Schaden anrichten können. Zum Teil hätten sich die Pflanzen schon im Vier- oder Fünf-Blatt-Stadium befunden. Dadurch sei es großflächig zu Schäden gekommen. Der warme März habe außerdem dazu geführt, dass die Pflanzen ihren natürlichen Frostschutz schon reduziert hätten. Nach seinen vorläufigen Erhebungen sind durchschnittlich etwa 70 Prozent der Reben betroffen, insbesondere in den Tal-Lagen: "Die unteren Lagen sind total kaputt", bilanzierte er.

Dennoch müsse dies nicht zwangsläufig hohe Ernteverluste bedeuten, die Weinreben verfügten über ein sogenanntes Bei-Auge: Dies könne – wenn es jetzt warm bleibe – noch austreiben. Erfahrungsgemäß brächten solche Triebe aber weniger Trauben hervor: "100 Prozent erreichen wir mit Sicherheit nicht", so Werner. Erst wenn dieser zweite Austrieb erfolgt sei, könne man auch den Schaden ermessen. In jedem Fall kompliziere das die Pflanzenschutzmaßnahmen über den Sommer und auch die spätere Lese. "Die Gefahr ist noch nicht gebannt. Es können weitere Froste kommen, und die Eisheiligen am 15. Mai stehen auch noch bevor", warnte Werner.

Bangen im Obstbau

Im Obstbau seien die Schäden sehr unterschiedlich, sagte Pflanzenschutzberater Hans-Dieter Beuschlein. Es komme auf den Reife- oder Entwicklungsgrad der einzelnen Arten und Sorten an, aber auch die Lage spiele eine Rolle. Walnüsse werde es vermutlich in diesem Jahr kaum geben. Dort sei fast alles erfroren. Auch beim Steinobst (Pfirsich, Nektarine, Aprikose) werde es wohl einen Totalschaden geben. Bei Zwetschgen und Kirschen könne man den Schaden noch nicht genau beziffern. Die Birne sei stärker betroffen als der Apfel, weil die Entwicklung beider Pflanzen unterschiedlich weit sei.

Bei den Erd- und Johannisbeeren seien die wenigsten Schäden aufgetreten – vor allem dort, wo die Pflanzen abgedeckt oder beregnet worden seien. Die Stachelbeeren hätten bereits Früchte getragen, die alle erfroren seien, und man müsse nun abwarten, ob dort noch etwas nachkomme.

Ackerbau kaum betroffen

Die Schäden im Ackerbau hielten sich im Rahmen, so Reinhard Schulze, Sachgebietsleiter Landwirtschaftliche Produktion, und Pflanzenbauberater Volker Heitz. Die meisten Pflanzen befänden sich noch im Boden. Betroffen seien vor allem Bauern, die ihren Mais besonders früh ausgebracht hätten. Bei einzelnen Betrieben führe dies zu schmerzhaften Verlusten.

Info: Gibt es Hilfe?

Das Landratsamt bietet laut Moritz in den nächsten Wochen Beratung an und begeht Felder. Im Moment sei man damit beschäftigt, Daten zu erheben und dem Ministerium vorzulegen. Dort werde dann eine finanzielle Unterstützung geprüft. Von den landesweit 7000 Hektar Weinbauflächen und den noch mal so großen Obstbauflächen liege ein sehr großer Teil in der Ortenau. Es komme auch darauf an, die Landwirte durch den Kauf regionaler Produkte zu unterstützen.