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Donnerstag Morgen sah es noch düster für die Opelaner aus. Stundenlang schien es, als werde GM den Verkauf an Magna blockieren. Doch dann plötzlich wendete sich das Blatt doch noch.

Berlin - Donnerstag Morgen sah es noch ganz düster für die Opelaner aus. Die Entscheidung sei gefallen, hieß es. Stundenlang schien es, als werde GM den Verkauf an Magna blockieren. Doch dann plötzlich wendete sich das Blatt doch noch.

Manchmal steckt gar keine große Strategie dahinter. Manchmal ist es ganz banal. Über Wochen schien es, als würde das GM-Topmanagement eine neue Runde im Poker eröffnen. Die Opelaner und die Wahlkampfstrategen bei Union und SPD wurden mächtig nervös. Man befürchtete, dass die US-Manager gnadenlos den deutschen Wahlkampf ausnutzen wollten. Es gab nur eine Lesart: Alles Hinhaltetaktik, die Amerikaner wollen der deutschen Politik noch mehr Geld herausziehen.

Doch dieser Eindruck war falsch. Seit gestern ist klar, dass mit den Deutschen kein übles Spiel getrieben wurde. Ganz offensichtlich dauerte es nur deswegen so lange, weil GM vorher noch nicht entscheidungsfähig war.

Und das kam so: In einem rekordverdächtigen Tempo hatte der GM-Mutterkonzern in den USA das Insolvenzverfahren durchlaufen. Da der US-Staat nach Milliardenhilfen für das Traditionsunternehmen zum Mehrheitsaktionär geworden war, beanspruchte er auch Mitsprache. Das operative Geschäft lenkte zwar GM-Chef Fritz Henderson. Und der, das ist bekannt, war stets ein Anhänger des Opel-Verkaufs an Magna. Aber die US-Regierung installierte mit Edward Whitacre Jr., dem ehemaligen Chef des Telekommunikationsriesen AT&T, einen branchenfremden Verwaltungsratschef. Whitacre rühmt sich "von Autos habe ich keine Ahnung". Das wäre so lange in Ordnung, wie er sich nicht in das operative Geschäft einmischt. Doch genau das tat er. Offenbar auch bei Opel. Er sorgte dafür, dass Henderson wiederholt auf den Beifahrersitz rutschen musste. Für GM war das eine Revolution: Bisher nickte der Verwaltungsrat Entscheidungen stets ab. Im Fall Opel aber gab es aus seinen Reihen, wie diese Zeitung aus Verhandlungskreisen erfuhr, Widerstände gegen den Verkauf. Ein Insider: "Die Verzögerung kam zustande, weil im Verwaltungsrat zwei tektonische Platten aufeinander stießen, neue unwissende Verwaltungsräte und Verwaltungsräte mit einer starken anderen Meinung."

GM soll im kommenden Jahr wieder an die Börse

In den USA gilt noch längst nicht als ausgemacht, dass Fritz Henderson sich dauerhaft an der Konzernspitze halten kann. Schließlich soll der radikal verschlankte Konzern schon im nächsten Jahr wieder an die Börse. Umso bemerkenswerter ist, dass Henderson sich letztlich doch mit dem Opel-Verkauf an Magna durchsetzen konnte.

Es gab aber ein Indiz dafür, dass es letztlich doch auf Magna zulaufen würde. Da ist die Friedhofsruhe, die herrschte, seitdem der Verwaltungsrat am nach hiesiger Zeit Mittwochabend zusammen gekommen war. Wenn Magna außen vor gewesen wäre, hätte Magna-Chef Siegfried Wolf, der über den Verhandlungsstand stets informiert war, wohl die Bombe viel früher platzen lassen.

Gegen Mittag, um genau zu sein per SMS um 11:56 Uhr deutscher Zeit, geht dann im Umfeld von SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier die alle erlösende Nachricht ein, dass Magna doch zum Zuge kommen würde. Ob Steinmeier, der den österreichisch-kanadischen Investor Magna aufgetan und ins Rennen geschickt hatte, darüber mehr erleichtert ist als die Kanzlerin, ist nicht überliefert. Fest steht nur, dass auch die Regierungschefin eine überaus entspannte Miene aufsetzt, als sie gegen 15 Uhr vor die Kameras tritt. Selbstverständlich wäre ein Scheitern der Opel-Pläne, womöglich die Pleite der deutschen GM-Tochter vor allem für sie in der Schlussphase des Wahlkampfes eine schwere Schlappe. Schließlich trägt sie am Ende die Gesamtverantwortung. Das heißt aber auch: Sie kann den Durchbruch vor den Kameras als ihren Erfolg verkaufen. Etwas unbescheidener man es sonst von ihr in Nicht-Wahlkampfzeiten kennt, sagt sie: Es habe sich gezeigt, dass sich die "Geduld und Zielstrebigkeit der Regierung und auch von mir persönlich ausgezahlt haben."

Ob die Magna-Lösung auf Dauer tragfähig ist, das bleibt abzuwarten. Aus Sicht der Wahlkämpfer zählt gerade vor allem, dass ihnen die Opel-Rettung nicht vor dem 27. September wieder auf die Füße fällt. Da können sie sich gerade recht sicher sein.

GM soll im kommenden Jahr wieder an die Börse

Formal fällt die fünfköpfige Opel-Treuhand-Gesellschaft die Entscheidung über den Zuschlag an Magna. Es ist Fred Irwin, der Chef der US-Außenhandelskammer in Berlin und Vorsitzender der Opel-Treuhand, der am Abend in der Hauptstadt grünes Licht gibt. In knorrigem Deutsch mit breitem amerikanischen Akzent sagt er die entscheidenden Worte: "Der Beirat billigt die Investmententscheidung von GM zugunsten von Magna." Im Übrigen könne er die Ungeduld der Opelaner und der deutschen Steuerzahler sehr gut verstehen. Klar sei aber auch, dass der Verkaufsprozess letztlich überaus schnell und reibungslos gelaufen sei. "Wir haben nur vier Monate gebraucht, es wurde sehr schnell und professionell gearbeitet."

Und was waren am Ende die harten Nüsse, die noch geknackt werden müssen? Nebulös hatte es im Laufe des Tages immer wieder geheißen, dass noch Schlüsselfragen zu klären seien. Merkel sagt am Nachmittag nur, dass der Verkauf nicht mehr scheitern werde. Es gehe um "beherrschbare, verhandelbare Bedingungen". Im Klartext heißt das: GM hat keine Nachforderungen gestellt.

Aus Verhandlungskreisen verlautete später, dass in der Schlussphase nicht mehr um Geld gepokert wurde. Die früher einmal wirklich kritischen Fragen der Transaktion rund um die Markenrechte und Technologietransfers seien längst ausdiskutiert gewesen. Ein enger Beobachter der Verhandlungen sagt es so: "Nach dem langen Gezappel ging es am Ende wohl für einige darum, nach außen hin das Gesicht zu wahren."