Monika Stempfle (links) ist die letzte Gastmutter von Sofia Romero Merino. Florian Künstle hat mit Rotary das Abenteuer möglich gemacht. Foto: Lübke Foto: Schwarzwälder Bote

Austauschprogramm: Sofia Romero Merino ist Dank Rotary in Oberwolfach / Kein Kulturschock

Mehr als 12 000 Kilometer ist Sofia Romero Merino gereist, um im Kinzigtal die Ruhe zu genießen, neue Freunde zu finden und eine "coole" Sprache zu lernen. Der Schwabo hat sie besucht.

Oberwolfach. Es habe alles "verrückt" angefangen. Zu Rotary in Chile hatte Sofia schon vor dem Beginn ihres Austausch-Abenteuers über ein paar Ecken hinweg Kontakt. Der Vater einer Freundin war in der weltweiten Vereinigung – allerdings, wie sich herausstellte, nicht in der richtigen Abteilung. Sofia bekam seine Nummer und wurde mehrfach zu neuen Kontaktpersonen weitergeleitet. Schließlich besprach sie mit dem Präsidenten ihres Klubs vor Ort ihren Wunsch: "Ich möchte einen Austausch machen".

Ein Wunsch, der gar nicht ganz so leicht in die Tat umzusetzen ist. Es brauche in Chile viele Nachweise, bevor so eine Reise angetreten werden kann. Sofia benötigte unter anderem ein psychologisches Gutachten. Außerdem war sie bei weitem nicht die Einzige, die gerne am Jugendaustauschprogramm für ein Jahr bei Rotary International teilnehmen wollte. Sie gehörte zu den sechs Kindern aus mehr als 100 Bewerbern in ihrem Klub, die sich am Ende über ihr Flugticket freuen konnten.

Doch warum wollte Sofia gerade nach Deutschland? Über diese Frage muss die junge Frau keine Sekunde nachdenken. "Deutschland war für mich immer die erste Wahl", sagt Merino. Der Grund dafür ist in ihrem südamerikanischen Bekanntenkreis zu finden. Sie war in Chile auf einer deutschen Schule gewesen, wo sie viele Klassenkameraden hatte, die bereits einen mit Rotary nach Deutschland gekommen waren. Die Oma einer Freundin war sogar Deutsche. "Sie hat mir immer gesagt, wie schön Deutschland ist und dass ich da einen Austausch machen muss", erinnert sich Sofia. Da für das einjährige Programm von Rotary auch ein Zweit- und Drittwunsch angegeben werden muss, entschied sich Merino für Finnland und Australien als mögliche Alternativen.

Im Kinzigtal angekommen, war der Start in der neuen Welt nicht einfach. Gerade die Sprachbarrieren seien sehr groß gewesen. "Ich konnte gar kein Deutsch. Es war ein Fehler von mir, vorher die Sprache nicht etwas zu lernen. Jetzt rate ich jedem, der einen Austausch machen möchte, vorher schon Deutsch zu üben", sagt die junge Chilenin.

Sicherheit und Ruhe gefallen Sofia

In den ersten zwei Monaten hatte sie in ihrer Klasse, wo die Mitschüler auch ungefähr drei Jahre jünger waren, nicht viel gesprochen und das Sprachtraining sei "sehr schwer" gewesen. Doch die Arbeit trug Früchte und machte aus Sofia gar einen Fan der Landessprache. "Deutsch ist cool", stellt die Schülerin klar. Dass Deutsch nicht gleich Deutsch ist, erfuhr Sofia auf ihrer Reise durch das Land, die von Rotary organisiert wurde. Sie sah beispielsweise Hamburg, Dresden und München – und hörte die Menschen dort. "Die Sprache im Norden ist für mich immer noch schwierig. Ich verstehe Badisch besser", erklärt Sofia, die heute nur noch selten Wörter hört, die sie nicht kennt. Was allerdings ihre Freundin aus Bayern mit einem "Semmel" meinte, als sie Sofia ein Brötchen anbieten wollte, erschloss sich der jungen Frau nicht.

In Chile wuchs Sofia in einer skibegeisterten Familie auf und ist auch selbst ein Fan davon, auf den zwei Brettern zu stehen. Der Skikurs in Deutschland stand daher wie selbstverständlich auf ihrer Liste und zusätzlich ging sie mit ihrer zweiten von drei Gastfamilien auch Snowboard fahren. Außerdem spielt die Sportlerin Volleyball in der Schul-AG und macht mit Monika Stempfle, ihrer dritten Gastmutter, Pilates.

Bei einem Vergleich zwischen Chile und Deutschland fallen Sofia klare Unterschiede auf. "In Chile redet immer jeder sofort mit jedem. Es heißt sofort ‘Hallo, du bist meine neue Freundin‘. In Deutschland muss ich mehr auf die Leute zugehen“. Zu schätzen weiß sie die Sicherheit in der Bundesrepublik. "In Chile kannst du nicht jedes Kleid tragen. Gerade, wenn es besonders kurz ist, bekommst du immer Sprüche oder wirst bedrängt. Hier ist das zum Glück anders", freut sich Merino, die auch noch auf der Suche nach einem passenden Outfit für die Abschlussfeier in der Schule ist. Konkret in Oberwolfach gefalle ihr die Ruhe, die sie in ihrer Heimatstadt Talca nicht gewohnt ist.

Im August geht es für Sofia zurück in die Heimat, wo neue Ziele warten. "Ich möchte dort Medizin studieren. Außerdem kann ich mir vorstellen, mich für ein bis zwei Monate in einem Freiwilligendienst für Tiere und Umwelt einzusetzen", sagt die engagierte Frau. Sie wird an der Universität in Santiago de Chile weit weg von ihren Eltern im Süden sein. Doch was sind für Sofia Romero Merino jetzt schon noch diese 250 Kilometer Entfernung?

Die beiden wohl berühmtesten Auswanderer, die es von Deutschland nach Chile verschlug, sind Erich und Margot Honecker. Beide flohen nach der Wiedervereinigung nach Santiago de Chile, wo Erich 1994 und Margot erst 2016 starb. Margot Honeckers Tochter heiratete sogar einen Chilenen und hieß fortan Sonja Yáñez Betancourt.