Christian Bröhl aus Oberwolfach (ganz rechts) mit Kollegen in Jerusalem Foto: Bröhl

Christian Bröhl aus Oberwolfach beendet sein freiwilliges Jahr in israel und kehrt zurück

Über ein Jahr habe ich jetzt in Tabgha, im Norden Israels verbracht und stehe nun vor meinem Abflug. Noch ist es für mich sehr schwierig zu realisieren, dass es nun nur noch wenige Tage und wenige Stunden bis zum Abschied sind. Das bedeutet, Abschied nehmen von einem Land und einem Ort, wo ich mich während des Jahres heimisch gefühlt, unterschiedlichste Erfahrungen und Eindrücke gesammelt und vor allem Menschen kennengelernt und liebgewonnen habe.

Vor allem in meiner Einsatzstelle, der Behindertenbegegnungsstätte Beit Noah am Kloster Tabgha, durfte ich für ein ganzes Jahr miterleben, was es zum einen heißt, als Jude, Moslem oder Christ in Israel oder Palästina zu leben, aber andererseits vor allem auch, wie schwierig die Situation für Behinderte in der hiesigen Gesellschaft und Kultur sein kann. Es kommt nicht selten vor, dass behinderte Menschen von der Familie und vom sozialen Umfeld ausgeschlossen werden, da die Behinderung als Schande Gottes angesehen wird. Dies kann dazu führen, dass die behinderten Menschen in Einrichtungen abgegeben oder im schlimmsten Fall von der Familie ausgesetzt werden. Hinzu kommt, dass den Nahost- Konflikt ganz besonders die arabischen Gruppen sehr oft zu spüren bekommen, da die Gruppen aus Palästina immer eine israelische Genehmigung zur Ausreise benötigen.

Leider kommt es stellenweise immer wieder vor, dass diese den Behinderten aus unerklärlichen Gründen nicht ausgestellt wird und somit die Gruppe nicht zu uns nach Tabgha kommen kann. Umso schöner ist es dann zu sehen, wie die Gruppen hier ihre Freizeittage genießen, den Barbecueplatz nutzen, zusammen musizieren und vor allem ausgiebig im Pool planschen.

Neben meinem Einsatz auf der Begegnungsstätte habe ich auch den Ort Tabgha in seiner biblischen Bedeutung erleben dürfen. Tabgha ist der Ort, an dem Jesus die fünf Brote und zwei Fische vermehrt und somit tausende Menschen gespeist hat. Heute strömen tausende Touristen und Pilger während der Hochsaison in die Brotvermehrungskirche, um das berühmte Mosaik von den fünf Broten und zwei Fischen zu betrachten und sich an das Handeln Jesu zu erinnern.

In dem an die Kirche anliegenden deutschen Benediktinerkloster Tabgha, das zur Abtei Dormitio auf dem Berg Zion in Jerusalem gehört, waren wir sechs Volontäre dazu eingeladen, am monastischen Leben teilzunehmen und Einblick in das Leben eines Benediktinermönches im Heiligen Land zu bekommen. Nicht zu unterschätzen ist der Stellenwert der Mönchsgemeinschaft im Heiligen Land. Zum einen da sie die biblische Stätte der Brotvermehrungskirche hüten, und zum anderen als Christ in der absoluten Minderheit im Heiligen Land zu leben und die deutsche Kirche im Heiligen Land zu repräsentieren. Vor allem nach dem Brandanschlag von radikalen jüdischen Siedlern 2015 auf das Kloster Tabgha war eine große Welle an Solidarität ausgelöst worden, und hochrangige Politiker, wie der israelische Präsident Reuven Rivlin kamen nach Tabgha.

Vielfalt in Jerusalem

Die komplette Vielfalt an Religionen, Kulturen und verschiedenen Menschen erlebte ich allerdings am besten in Jerusalem. Eine Stadt, in der alle Kulturen und Religionen aufeinander treffen. Vom westlich geprägten Teil der Stadt bis hin zur Altstadt, in der die Juden an der Klagemauer an den alten Tempel und Muslime auf dem Tempelberg an die Himmelfahrt Mohammeds gedenken. Eine Stadt, in der man immer eine gewisse Grundspannung spüren kann, die verzweigten Straßen in der Altstadt, die immer voller Gewusel sind. Eine Stadt,die einen ganz besonderen Charakter versprüht, den man nicht in Worte fassen kann und den jeder für sich selbst erleben muss.

Abschied von vielen Dingen

So geht nun ein Jahr für mich zu Ende, das ich in jeder Hinsicht sofort noch einmal antreten würde. Doch trotzdem heißt es jetzt eben vorerst Abschied nehmen. Abschied nehmen von einem Ort und meiner Einsatzstelle, die mir nach einem Jahr sehr stark ans Herz gewachsen sind, mit all den Menschen, die über das Jahr zu Besuch kamen und von unserer Volontärsgemeinschaft, in der wir für ein Jahr zusammengelebt haben.

Und das Abschiednehmen von einem Land, das ich durch die absolute Vielfältigkeit nie als langweilig oder eintönig erlebt habe. So darf ich nun mit vielen starken Erfahrungen und Prägungen nach Deutschland zurückkehren, um dort meine Erlebnisse in meinen weiteren Alltag mitzunehmen.

INFO

Beit Noah                                          

Der Oberwolfacher Christian Bröhl hat nach seinem Abitur ein Jahr als Freiwilliger in der Jugend- und Behindertenbegegnungsstätte Beit Noah am Kloster Tabgha gearbeitet. .Die Freiwilligen unterstützen die Benediktiner und die lokalen Mitarbeiter.