Friedensaktivisten demonstrieren vor der Aktionärsversammlung von Heckler & Koch in Rottweil. Foto: Danner

Rund 40 Friedensaktivisten bei Aktionärsversammlung des Waffenherstellers. Feuertaufe für neuen Chef.

Oberndorf/Rottweil - Das Neckartal in Rottweil ist in diesen spätsommerlichen Tagen ein idyllisches Plätzchen. Am gestrigen Freitag aber säumten Transparente mit Aufschriften wie "Tod und Vertreibung durch deutsche Waffen" den Weg durch den Gewerbepark, der einst Heimat der Rottweiler Pulverfabrik war. Aufgehängt hatten sie Rüstungsgegner. Sie wiesen den Pfad zum Restaurant Badhaus, wo die nichtöffentliche Aktionärsversammlung der Heckler & Koch AG stattfand.

Die "Kritischen Aktionäre", wie sich die Friedenaktivisten selber nennen, halten zwar nur einen winzigen Bruchteil der Stimmen. Sie hatten aber einen dicken Fragenkatalog im Gepäck. Die Versammlung dauerte mit Unterbrechungen acht Stunden. Das wird wohl im kommenden Jahr anders sein. Denn Vorstand und Aufsichtsrat der H&K AG beantragten am Freitag, die Satzung neu fassen. So wird der Vorsitzende künftig unter anderem das Recht haben, das Frage- und Rederecht der Aktionäre zeitlich zu beschränken, wenn bestimmte Maßgaben erfüllt seien, so dass die Hauptversammlung insgesamt nicht länger als sechs Stunden dauert.

Seit Mai läuft vor dem Stuttgarter Landgericht ein Strafprozess gegen Ex-Mitarbeiter von H&K, die Firma ist mitangeklagt. Zum laufenden Verfahren will sich die Waffenschmiede nicht äußern.

Eine juristische Baustelle immerhin konnte H&K schließen: Der US-Rüstungskonzern Orbital ATK hatte H&K auf 27 Millionen Dollar (23 Mio Euro) Schadenersatz wegen Nichtlieferung von Bauteilen für ein Granatgewehr verklagt. Der Streit wurde mit einem Vergleich beigelegt, H&K muss nun 7,5 Millionen Dollar zahlen.

Erste Versammlung für neuen Chef

Für den neuen Geschäftsführer des Rüstungsunternehmens aus Oberndorf und Vorstandsvorsitzenden der AG, Bodo Koch, war es die erste Aktionärsversammlung von H&K. Die "Kritischen Aktionäre" sprachen von einem fairen Umgang miteinander, wie er auch schon unter der Ägide von Kochs Vorgänger Norbert Scheuch im vergangenen Jahr stattgefunden habe.

"Nach vorne gerichtet werden wir das Gute konsequent fortführen, wie insbesondere unsere Grüne-Länder-Strategie, und den hohen Anspruch an die Qualität und die technologische Perfektion unserer Produkte aufrechterhalten", sagte Koch laut Pressemitteilung des Unternehmens in seinem Eingangsstatement. Ziel sei es, wieder einen stabilen, nachhaltigen Kurs herzustellen und darauf aufbauend die Wachstumschancen zu nutzen, wird Koch in dem Statement zitiert.

"Der in 2017 begonnene umfangreiche, ganzheitliche Veränderungsprozess hat sich zeitlich als zu ambitioniert erwiesen und wird nun zielorientiert und mit Augenmaß für die Komplexität des Gesamtprozesses schrittweise umgesetzt," räumte der Vorsitzende der Aufsichtsrats der H&K AG, Dieter John, ein.

Mehr als 150 Fragen hatten die "Kritischen Aktionäre" formuliert, wie Friedensaktivist Jürgen Grässlin im Gespräch mit unserer Zeitung berichtete. Alle 13 Fragesteller waren Rüstungsgegner. Von Seiten jener, die den großen Brocken der Aktienanteile halten, sei keine einzige Frage gekommen. Der Löwenanteil liege mit knapp 16 Millionen Aktien immer noch bei Andreas Heeschen.

Heeschen, dessen Wohnsitz mit Kent (England) angegeben ist, war nicht selbst in Rottweil. Er habe sich durch einen Rechtsbeistand vertreten lassen.

Friedensaktivisten hatten bereits im Mai vor Heckler & Koch demonstriert:

Das Bekenntnis zur Grüne-Länder-Strategie – also Waffen nur an Nato-, Nato-assoziiert und EU-Staaten zu liefern – wurde von den Rüstungsgegner begrüßt. Jedoch hatten sie ein aktuelles Schriftstück aus dem Wirtschaftsausschuss des Bundestags vorliegen, worin Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) mitteilt, dass der Bundessicherheitsrat gerade Lieferungen an Indien und Hongkong genehmigt habe. Das passe nicht zum Bekenntnis von H&K.

Bereits im vergangenen Jahr hatten die Rüstungsgegner die Einrichtung eines Opferfonds gefordert. Der damalige Geschäftsführer Scheuch hatte sich diesem Ansinnen gegenüber sehr offen gezeigt. Im Dezember sei aber Grässlin von John schriftlich mitgeteilt worden, sowohl Aufsichtsrat als auch Vorstand hätten den Opferfonds nach einer ernsthaften Prüfung abschlägig beschieden.

Am Freitag war nun die Rede davon, dass der Waffenhersteller mit einer nicht genannten Universität an einem sozial-verantwortlichen Projekt zusammenarbeite. Eine positive Nachricht für die Rüstungsgegner.

Verschuldung hält man immer noch für deutlich zu hoch

Natürlich kommen in einer Aktionärsversammlung auch Zahlen auf den Tisch. "Der Auftragseingang der H&K AG lag im Geschäftsjahr 2017 mit 215 Millionen Euro um rund zwei Prozent über dem mit 212 Millionen Euro guten Wert für 2016. Während der Umsatz in der ersten Jahreshälfte 2017 noch dem Niveau des Jahres 2016 folgte, hatten wir in der zweiten Jahreshälfte 2017 einen herben Umsatzrückgang und in Folge einen Einbruch des Ergebnisses vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen sowie auch des operativen Cash Flows zu verzeichnen", erläuterte Koch. Angesichts des nach wie vor schwankenden Umsatzvolumens halte man die bestehende Verschuldung immer noch für deutlich zu hoch, ergänzte John. Das Unternehmen dürfe daher in seinen Anstrengungen zur Verringerung seiner Verschuldung und Erhöhung der Ertragslage nicht nachlassen.

Zum Reorganisations- und Stabilisierungsprozess führt Koch aus, "dass die gewachsenen Strukturen für den Auftragsbestand nicht optimal waren". Dieser Erkenntnis folgend habe man die Materialflüsse und Fertigungsabläufe gekürzt. Die erste Phase I dieser Reorganisation sei erfolgreich abgeschlossen. Ein Großteil dieses Verbesserungspotenzials werde schon 2018 spürbar sein.

Laut einer Satzungsänderungsänderung kann die Aktionärsversammlung im kommenden Jahr auch in Berlin stattfinden.