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Beschluss am Arbeitsgericht: Stellvertretender Vorsitzender muss Betriebsratsgremium von "Heckler & Koch" verlassen.

Oberndorf/Villingen - Ein Verfahren, in dem es letztlich nur Verlierer gibt, fand am Dienstag seinen Abschluss. Der Antrag der "Heckler  &  Koch"-Geschäftsführung, den stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden Martin Stussak aus dem Betriebsrat auszuschließen, war erfolgreich.

Verhärtete Fronten und jede Menge böses Blut – im Prozess Geschäftsführung gegen Stussak bestand am Dienstag die letzte Chance, das Villinger Arbeitsgericht mit einer Einigung und ohne Beschluss durch das Gericht zu verlassen.

Nachdem die fristlose Kündigung des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden seitens der Geschäftsführung zurückgenommen worden war, ging es nun um dessen Ausschluss aus dem Betriebsrat. Stussak ist dort seit 2010 Mitglied, seit 2018 stellvertretender Vorsitzender.

Es waren einige Vorfälle der "groben Pflichtverletzung", die die Geschäftsführung Stussak vor Gericht vorwarf, darunter etwa eine "aggressive Verhaltens- und Verfahrensweise" gegenüber der Leitung.

Dreh- und Angelpunkt der Debatte war jedoch ein Vorfall, bei dem der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende zwei Mitarbeiter "bedroht" haben soll. Dabei soll es um eine Kamera gegangen sein, die laut Stussak auf die Räume des Betriebsrats gerichtet war.

Auf diese umstrittene Bedrohung hin sollte der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende eine Abmahnung erhalten, auf die jedoch verzichtet wurde. Stussak hatte sich bei den Mitarbeitern entschuldigt, aber beteuert, niemanden bedroht, sondern sich "lautstark eingesetzt" zu haben.

Friede, Freude, Eierkuchen also? Nicht für Stussak, denn der Vorwurf der Bedrohung stand immer noch im Raum, und er fürchtete, durch das mutmaßliche Gerücht das Vertrauen der Belegschaft zu verlieren. Nachdem seine Forderung, die Anschuldigung zurückzunehmen und den Sachverhalt aufzuklären, im Sande verlief, stellte er im Februar Strafanzeige gegen den Personalleiter wegen Verleumdung und übler Nachrede. Ein offenes Schreiben der Geschäftsleitung hätte schon genügt, um die Anzeige zurückzuziehen, so der 59-Jährige vor Gericht.

"Bei uns fehlt die Unternehmenskultur"

Arbeitsgerichts-Direktorin Sabine Adam stellte die Frage in den Raum, ob eine Strafanzeige angesichts der Tatsache, dass es zu keiner Abmahnung gekommen sei, angemessen war. "Alle betrieblichen Möglichkeiten waren ausgeschöpft", meinte Stussaks Anwalt Albert Hirt dazu.

Das Vertrauensverhältnis zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat sei aktuell gestört, die Gräben sehr tief, meinte der neue Betriebsratsvorsitzende Manfred Haag. Dass es auch innerhalb des Betriebsrats ordentlich im Getriebe knirscht, wurde nicht nur durch den Wechsel an der Spitze, der quasi durch ein "Misstrauensvotum" herbeigeführt worden war, deutlich, sondern auch durch Haags Äußerungen, die von den "Heckler & Koch"-Mitarbeitern, die als Zuhörer zum öffentlichen Verfahren erschienen waren, mit wütendem Murren quittiert wurden.

Sein Vorgänger Rudi Ragamentu soll offenbar nicht die Meinung des Betriebsrats vertreten haben. "Bei uns fehlt die Unternehmenskultur. Jeder tut dem anderen etwas zuleid", fasste Haag zusammen.

Richterin Adam regte an, das Verfahren ohne Beschluss durch das Gericht zu regeln. So oder so werde das Thema eine ganze Weile weiterköcheln, gab sie zu bedenken. Werde dem Antrag auf Ausschluss stattgegeben, so befinde man sich mindestens ein halbes Jahr lang – bis der Beschluss rechtskräftig werde – weiter in der aktuellen Schwebesituation. Und das mitunter aus Gründen verletzter Eitelkeit.

Das "ominöse B-Wort", wie Richterin Adam den Bedrohungs-Vorfall nannte, stellt offenbar nur die Spitze des Eisbergs aus Streitigkeiten dar. Mit Blick auf die anderen betrieblichen Probleme und Schwebezustände, meinte Adam, fahre man wohl am besten damit, den Betriebsrat aufzulösen und neu zu wählen. Damit werde der Geschichte, auf der das Verfahren beruhe, der Boden entzogen.

Neuwahlen seien in jeglicher Hinsicht zu begrüßen, meinte Stussak dazu. Er habe von einigen anderen Mitarbeitern gehört, dass sie sich in so einem Fall gern bewerben und im Betriebsrat mitmischen würden. Er selbst wolle sich künftig auch in seiner Rolle als stellvertretender Betriebsratsvorsitzender zurücknehmen.

"Wenn er sich opfert, wird nichts besser"

Ohne einen kompletten Ausschluss Stussaks aus dem Betriebsrat gehe es nicht, stellte Sabine Schröter, Anwältin der Geschäftsführung, klar. Und die Vorstellungen zu seinem Ausscheiden aus dem Betrieb gingen zu weit auseinander. Das Angebot, zwei Jahresgehälter als Abfindung zu bekommen, hatte Stussak im Vorfeld abgelehnt. Er wolle sich nicht "rauskaufen" lassen.

"Die Arbeitgeberseite verbeißt sich in die Personalie Stussak", meinte Verteidiger Hirt dazu. "Wenn er sich opfert, wird im Betrieb trotzdem nichts besser", sagte er auf den Vorschlag des Gerichts, das Amt des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden freiwillig niederzulegen und sich bei Neuwahlen – die Wahlperiode sei zur Hälfte abgelaufen – gegebenenfalls neu aufstellen zu lassen.

Adam ließ durchblicken, dass das Gericht bei einem Beschluss unter anderem über die Frage der Verhältnismäßigkeit von Stussaks Strafanzeige befinden müsse. Der 59-Jährige habe das Streitthema, das eigentlich gegessen war, auf ein Tableau gehoben, das über den Betrieb hinausging, argumentierte die Richterin.

"Wenn ich zurücktrete, bin ich vogelfrei. Dann wird man ganz schnell Gründe für eine Kündigung finden", warf Stussak ein. Auch auf die Anregung der Richterin hin, dass eine richterliche Entscheidung für niemanden das Goldklümpchen bedeute, blieb der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende bei seiner Meinung. Dem Betriebsfrieden zuliebe wäre man zu einem Vergleich bei der Niederlegung des Amtes durch Stussak bereit gewesen, meinte die HK-Anwältin daraufhin.

Die Kammer entschied letztlich, dass Stussak aus dem Betriebsratsgremium ausscheiden muss. Entscheidend sei dabei die Strafanzeige gegen den Mitarbeiter als "exzessiver" Akt gewesen. Der Konflikt ist nun geregelt. Dass es aber noch lange nicht das Ende der innerbetrieblichen Unruhe sein wird, ist kein Geheimnis.