Albert Jauch (links) und Reinhold Bantle erinnern sich noch genau an den 20. April 1945. Fotos: Cools Foto: Schwarzwälder-Bote

Heimatgeschichte: Zwei Hochmössinger erinnern sich an den 20. April 1945

Zwischen harter Landarbeit, französischen Panzern und den Überbleibseln der Kriegseuphorie – Albert Jauch und Reinhold Bantle, zwei Ur-Hochmössinger, erinnern sich noch genau an Hitlers Untergang und wie sich dieser in Hochmössingen zeigte.

Oberndorf-Hochmössingen. Als Freudenstadt in Flammen stand, wusste er, welche Stunde geschlagen hatte. Es war der 19. April 1945, und Reinhold Bantles Vater, ein Landwirt, der im Krieg ein Bein verloren hatte und nichts mehr fürchtete, saß in Ruhe vor dem Schuppen und wartete darauf, dass die französischen Panzer kamen.

Als sie am Tag darauf, am 20. April, einrollten, war Reinhold Bantle gerade einmal 15 Jahre alt – ein neugieriger Junge, der trotz der Gefahr durch das Loch des Schuppens spinkste, um einen Blick auf die Soldaten zu erhaschen.

Auch Albert Jauch, dessen Vater zu dieser Zeit Hochmössingens Bürgermeister war, erinnert sich genau daran, was im April 1945 geschah, an Hitlers letztem Geburtstag, an dem Hochmössingen von den Franzosen gestürmt wurde. Dornhan und Weiden seien schon am Abend des 19. Aprils besetzt worden.

Verteidigung wird verwehrt

Am selben Abend kam ein Offizier nach Hochmössingen zu Jauchs Vater und sagte: "Wir werden Hochmössingen verteidigen", doch der Bürgermeister verwehrte die Verteidigung mit den Worten "Was soll das noch?". "Am liebsten hätten sie ihn deshalb wohl beseitigt", erzählt Albert Jauch. Stattdessen positionierte sich das Militär mit Maschinengewehren und wartete.

Um 7 Uhr morgens, am 20. April rückten die Panzer gegen das Dorf und seine Verteidiger an, erinnert sich Jauch. Die Salven der Maschinengewehre und der Krach der Panzergeschütze tönen ihm heute noch in den Ohren. "Da wurde uns der Krieg richtig vor Augen geführt", meint er. "Diese Kriegseuphorie war für uns junge Burschen wie ein Spiel", ergänzt Bantle.

Das reguläre Militär zog sich zurück, bei Schießereien gerieten Gebäude an der Hauptstraße in Brand. Einige ältere Männer hatten versucht, den Brand zu löschen, seien aber mit Fußtritten und vorgehalten Pistolen dazu gedrängt worden, zurück in ihre Häuser zu gehen. Albert Jauch selbst, damals ein Jugendlicher, habe mit mulmigem Gefühl einen Blindgänger vom Dachboden geholt und im Garten vergraben.

Fürsprache der Gefangenen

Während der Kampfhandlungen sei sein Vater in den Keller des Rathauses gegangen und habe die 14 französischen Gefangenen freigelassen, berichtet Jauch. Diese waren tagsüber in den landwirtschaftlichen Betrieben in Hochmössingen als Helfer im Einsatz, die Nacht verbrachten sie im Rathauskeller. Trotz ihrer Gefangenschaft seien sie gern in Hochmössingen gewesen, meint Jauch.

Einmal hatte man sie durch russische Gefangene ausgetauscht, die auf Schloss Lichtenegg bei Trichtingen untergebracht waren. Des Nachts seien zwei ausgerissen und zu Jauch gekommen, weil sie nach Hochmössingen zurück wollten, weiß Albert Jauch. Sein Vater habe dann dafür gesorgt, dass sie wieder zurückdurften. "Der Verwalter von Lichtenegg hat die russischen Gefangenen misshandelt und schuften lassen. Eines Tages brachten sie ihn mit dem Beil zu Tode und warfen ihn in die Güllegrube", erinnert sich Jauch.

Der guten Behandlung der französischen Gefangenen sei es zu verdanken gewesen, dass diese sich den französischen Soldaten gegenüber positiv über die Hochmössinger äußerten. Einige Männer vom Volkssturm nahmen die Soldaten jedoch gefangen und brachten sie nach Frankreich ins Bergwerk zum Arbeiten. "Manche sind dort gestorben", sagt Bantle betrübt.

Am Mittag des 20. Aprils musste der Ortsbote in Hochmössingen verkünden: Wenn jemand aus einem Haus auf die französischen Soldaten schieße, so würden sämtliche Bewohner dieses Hauses erschossen und das Haus sowie die fünf umliegenden Grundstücke niedergebrannt. Dazu sei es zum Glück nicht gekommen, sagt Jauch. Dennoch hätte dieser Tag einen langen Schatten geworfen.

Gefühl der Ernüchterung

Nach Kriegsende sei das Dorf gespalten gewesen – in schwarz (Christen) und braun (Nazis). Rache, Anzeigen und Verleumdungen zwischen den beiden Gruppen seien dem Fall Hitlers gefolgt. "Die Differenzen in der Bevölkerung leben auch heute insgeheim weiter", glaubt Bantle. Bürgermeister Jauch sei 1945 aufgrund seiner NSDAP-Zugehörigkeit abgesetzt worden.

Die Zeit habe Spuren hinterlassen. "Es war ein Gefühl der Ernüchterung. Als junger Mann war man Siegermeldungen gewöhnt und dachte, Hitler hätte eine Geheimwaffe", erzählt Bantle, was er damals dachte. "Wer vom Dritten Reich begeistert war, fühlte sich gedemütigt", erinnert er sich. So furchtbar Adolf Hitler auch gewesen sei, er habe die Not der Bauern anfangs durch die Einführung von Festpreisen gelindert und einige gute Entscheidungen getroffen.

Reinhold Bantle ist es wichtig, dass seine und Jauchs Erinnerungen an damals nicht verblassen. "Wer die Geschichte seiner Vorfahren und seines Ortes nicht kennt, der kann nicht verstehen, was auf der Welt passiert".