1. Mai: Von den Anfängen der Arbeitervereine in der Region

Oberndorf. Der Tag 1. Mai war in früheren Zeiten keineswegs ein Tag fröhlicher Betriebsfeiern und harmloser Ausflüge in die Baumblüte. Hermann Kimmich, ein heimatverbundener Deutsch-Amerikaner, berichtet hierüber:

"Als Wilhelm Mauser einst aus Serbien zurück kam mit der ersten großen Bestellung von Mauser-Gewehren, brauchte man Spezialarbeiter für diese Fabrikation. Sie kamen aus allen Gegenden Deutschlands und Österreich. Mit diesen fremden Arbeitern kamen auch die ersten Gewerkschaftler und Sozialisten in unser Städtle. Bald wurde auch ein Arbeiterverein mit Sitz in Weiden gegründet. Vorsitzender wurde Michael Hetzel, Kräuterdoktor und Schützen-Wirt in Hochmössingen.

Internationale Maifeier auf dem Hohentwiel

Als die Sozialistische Internationale gegründet wurde, folgte anfangs der 90er-Jahre die internationale Maifeier auf dem Hohentwiel. Der Oberndorfer Arbeiterverein, Sitz in Weiden, fuhr auch dorthin. Die Stadtmusik begleitete den Verein und marschierte mit auf den Hohentwiel. Eine große Menschenmenge war mit roten Fahnen und dem Schwarz-Rot-Gold der 48er-Jahre versammelt. Als Redner traten Nationalrat Greulich aus Zürich, Dr. Adler aus Wien und der deutsche Sozialdemokrat August Bebel auf.

Einige Jahre später wagte es der Arbeiterverein Oberndorf/Weiden, selbst eine Maifeier im Schützensaal abzuhalten, die sehr gut besucht war, aber nachteilige Folgen für die Mitglieder des Arbeitervereins hatte. Karl Hildebrand, Reichstagsabgeordneter aus Stuttgart, wurde als Festredner gewonnen und neben Kommerzienrat Mauser platziert. Beide unterhielten sich ausgezeichnet; Mauser wusste nicht, wer sein Nachbar war und er versicherte Hildebrand, dass er gerne alles tun wolle, seine Belegschaft zufrieden zu stellen. Deshalb sei er hergekommen, um seinen Arbeitern zu zeigen, dass er mit ihnen fühle.

Hoffnung auf einen Acht-Stunden-Tag

Als nun der Versammlungsleiter den Festredner aufforderte, auf die Bühne zu kommen, schaute der Geheimrat erstaunt seinen vermeintlichen Arbeiter der Mauser-Werke an, der auf einmal ein Reichstagsabgeordneter war. Hildebrand nannte die Wünsche der Arbeiter und versicherte der großen Versammlung, dass die Arbeiter der Mauser-Werke in ihrem Arbeitgeber einen großen Gönner hätten. Geheimrat Paul Mauser habe ihm versichert, alle berechtigten Wünsche zu erfüllen. Man glaube deshalb annehmen zu dürfen, dass in seinem Werk recht bald der Acht-Stunden-Tag eingeführt werde.

Mauser, der bisher mit zufriedener Miene den Ausführungen des Redners folgte, war bei der Erwähnung des Acht-Stunden-Tages wie von einem Donnerschlag getroffen. Er schnellte in die Höhe und eilte mit Stechschritt dem Ausgang zu. Die Folgen waren recht übel. Das mussten alle erfahren, die offen für den Acht-Stunden-Tag eingetreten waren. Und man spitzelte auch nach denjenigen, die heimlich mit dem Arbeiterverein sympathisierten. Die alten Oberndorfer prägten damals den Satz: ›Se hont en dr Kirch falsch gsonga‹.

Erst mussten die fremden Arbeiter ihr Bündel packen. Die Mitglieder aus Oberndorf bekamen eine Gnadenfrist und wurden erst entlassen, als die Arbeit nachließ. Josef Riederer ging nach Kalemazoo im Staate Michigan, USA (wo später die allen Oberndorfer bekannte ›Konsum-Thekla‹ auch hinging). Karl Schmutz, verheiratet mit der Sattler-Ade-Mathilde, zog nach seinem Heimatort Immendingen, wo er bald zum Bürgermeister gewählt wurde.

Als letzte kamen die Brüder Stehle dran. Franz war damals Vorsitzender des Schützenvereins Tell. Mit diesem starb ein altes Oberndorfer Geschlecht aus. Doch der Michele von Hochmössingen wurde von seiner Partei als erster sozialdemokratischer Kandidat des Oberamts Oberndorf für den Landtag aufgestellt."

Der Oberndorfer Hermann Kimmich war 1923 nach Amerika ausgewandert. Als er in seiner neuen Heimat davon erfuhr, das Alfred Danner mit Ausgrabungen an der Ruine Waseneck begonnen hatte, war er davon so begeistert, dass er ihn anschrieb. Und so entstand zwischen Kimmich und dem Oberndorfer Heimatforscher Danner eine rege Brieffreundschaft, die bis zum Tod von Hermann Kimmich im Jahr 1982 andauerte. Alfred Danner hat unser Zeitung einen Brief zur Verfügung gestellt, der sich mit dem 1. Mai beschäftigt.