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Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter verleiht Plakette an neues Eiscafé. Noch Luft nach oben.

Oberndorf - Ohne Probleme die Türe zum Lokal passieren und ohne Schwierigkeiten die Toilette aufsuchen – das ist in vielen gastronomischen Betrieben keine Selbstverständlichkeit. Sigrid Teschner kann ein Lied davon singen. Im neuen Eiscafé Cortina ist das möglich. Dafür gibt’s eine Plakette.

Sigrid Teschner ist die Ansprechpartnerin der Kontaktstelle Oberndorf im Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter (BSK). In jungen Jahren an Kinderlähmung erkrankt, ist die Bochingerin heute selbst in ihrer Mobilität schwer eingeschränkt. Gemeinsam mit der Vorsitzenden des BSK Bereich Rottweil, Ursula Lehmann, überreicht sie nun den Betreibern des Eiscafés eine Plakette, die der Lokalität Barriefreiheit bescheinigt. Elga und Flavio Stroppelli nehmen die Auszeichnung gerne an. Sie räumen aber auch freimütig ein, dass so etwas heutzutage bei einem Umbau zu einem gastronomischen Betrieb Pflicht sei. Sie haben sich schlicht an die Auflagen gehalten.

Für Sigrid Teschner ist die Teilnahme am täglichen Leben stets mit großem Aufwand verbunden. Zwar werden derzeit am Oberndorfer Bahnhof Aufzüge gebaut, die körperbehinderten Menschen die Fahrt mit der Bahn erleichtern sollen. Sinnvoller wäre es nach Teschners Ansicht jedoch gewesen, Gleis 1 wieder zu reaktivieren. Denn wenn sie mit dem Bus von Bochingen am Oberndorfer Bahnhof ankommt, habe sie zum Einsteigen in den nächsten Zug gerade mal fünf Minuten Zeit – egal ob Richtung Singen oder Richtung Stuttgart, betont sie. Zum Gleis 1 könne sie das aus eigener Kraft schaffen. Durch den Aufzug aber verliere sie wertvolle Zeit und müsse dann eine Stunde auf den nächsten Zug warten. Unterm Strich sei sie weiterhin auf fremde Hilfe angewiesen. Und das, obwohl Barrierefreiheit eigentlich ein weitgehend selbstbestimmtes Leben ermöglichen sollte.

Die Oberndorfer Oberstadt sei durch die Umgestaltung inzwischen recht gut für Rollstuhlfahrer oder Rollatoren geeignet, sagt Ursula Lehmann. Es gibt keine Bürgersteig-Kanten mehr. Nicht zu unterschätzen seien jedoch die Fugen in den Platten oder im Pflaster. Was für die "nichtbehinderte" Menschen so schön aussehe, könne für einen "Rollifahrer" leicht zur Falle werden. "Bei der Barrierefreiheit ist noch viel Luft nach oben", erklärt Sigrid Teschner.

Im Eiscafé sitzt auch eine Familie, die eine behinderte Tochter hat. Sie fahre gerne nach Balingen, erklärt die Mutter. Dort hätten sich mittlerweile auch viele Geschäfte und Lokale auf Rollstuhlfahrer eingerichtet. Die neue Möglichkeit in Oberndorf möchte sie aber künftig auf jeden Fall auch nutzen.