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Die Idee einer S-Bahn bis Kirchheim/Teck ist so alt wie die ganze Stuttgarter S-Bahn. Am Samstag ist es so weit: Für rund 40 Millionen Euro kommen Wernau, Wendlingen, Kirchheim-Ötlingen und Kirchheim ans Netz.

Kirchheim/Teck - Die Idee einer S-Bahn bis Kirchheim/Teck ist so alt wie die ganze Stuttgarter S-Bahn. Am Samstag ist es so weit: Für rund 40 Millionen Euro kommen Wernau, Wendlingen, Kirchheim-Ötlingen und Kirchheim ans Netz.

Seit der Inbetriebnahme der S1 im Oktober 1978 haben Kommunalpolitiker im Raum Kirchheim für die Verlängerung der S1 gekämpft. Mal schien die Vertaktung mit dem IC- und ICE-Verkehr Stuttgart-München ein unüberwindbares Hindernis, mal die Güterzüge auf dem Weg zur geplanten Neubaustrecke Wendlingen-Ulm. Mal stockte die Planung, weil die Bahn in Plochingen ein elektronisches Stellwerk baute, dann wieder, weil die Zuständigkeit für die S-Bahn auf den Verband Region Stuttgart überging.

Hauptgrund für das lange Warten auf die S-Bahn aber war das liebe Geld. Ein Beispiel: Bauherr DB Netz AG gab die Pläne für die 12,94 Kilometer lange Strecke am 8. Dezember 2003 ab. Es stellte sich heraus, dass dies acht Tage zu spät für einen höheren Fördersatz war, da das Land die Kriterien zum 1. Dezember umgestellt hatte. Das bedeutete, dass 75 anstatt der veranschlagten 85 Prozent der Baukosten bezuschusst werden. In der mühsam verhandelten Finanzierung klaffte wieder ein Loch von gut 2,5 Millionen Euro. Ein neuer Poker begann.

Die erste finanzielle Vereinbarung datiert von 1999, der Vertrag vom Dezember 2007. So lange dauerte es, bis sich alle 20 Geldgeber verständigt hatten. Das Land trägt den Löwenanteil von 16,4 Millionen Euro, aber auch Region, Bund und Bahn sind dabei. Nicht zu vergessen der Kreis Esslingen sowie 15 Kommunen zwischen Köngen und Neidlingen, die sich alle einen Vorteil von der S-Bahn ausrechnen, auch wenn sie nicht bei ihnen hält. Ohne die Kommunen, ist sich Landrat Heinz Eininger sicher, würde die S1 nie in Kirchheim ankommen. Ohne die Region wohl auch nicht: Weil der Verkehrshaushalt des Landes notorisch unterfinanziert ist, streckt sie den dessen Anteil vor. Das allein kostet zwischen 2,5 und 3,5 Millionen Euro, da das Land seine Schuld erst bis 2017 begleicht.

Mit dieser Vorfinanzierung stehen auf der Rechnung rund 35,5 Millionen Euro für Planung und Bau, weitere 4,3 Millionen hat ein zusätzlicher Zug gekostet. Dafür erreicht die S-Bahn 130.000 Menschen, wie S-Bahn-Chef Hans-Albrecht Krause von der DB Regio AG vorrechnet. Krause scheut ein wenig davor, Zahlen zu künftigen Nutzern zu nennen. "Zwischen 3000 und 4000 täglich allein in Kirchheim", sagt Krause gegenüber unserer Zeitung. Die stiegen aber nicht unbedingt vom Auto um, sondern kämen auch aus den Regionalzügen, die schon jetzt nach Kirchheim fahren.

Dass zumindest Letztere in die S1 steigen, scheint sicher. Nicht nur, weil die Fahrtzeit allein zwischen Kirchheim und Plochingen um etwa fünf Minuten kürzer wird und künftig bei zwölf Minuten liegt. Den Fahrgast erwartet vor allem auch mehr Komfort, da er nicht mehr in Wendlingen und teilweise noch einmal in Plochingen umsteigen muss, um zum Stuttgarter Hauptbahnhof zu kommen. Regionaldirektorin Jeannette Wopperer schwärmt vom kulturellen Angebot der Landeshauptstadt, das künftig mit der Schiene zu erreichen sei: "Bisher fährt der letzte Zug um 22.22 Uhr zurück, da wird es knapp mit der Theateraufführung."

Von Sonntag an verlässt die letzte S-Bahn nach Kirchheim sonntags bis donnerstags um 0.25 Uhr den Hauptbahnhof, an Freitagen und Samstagen sogar erst um 0.55 Uhr. Von Kirchheim aus in Richtung Stuttgarts geht es werktags zum letzten Mal um 23.51 Uhr, freitags und samstags um 0.21 Uhr. Die neuen S-Bahn-Orte profitieren von der späten S-Bahn, die der Verband vom 18. Dezember an auf allen S-Bahn-Linien einsetzt. Allerdings fährt die S1 zwischen Plochingen und Kirchheim auch zu Stoßzeiten nur im 30-Minuten-Takt, da auf den sechs Kilometern zwischen Wendlingen und Kirchheim nur ein Gleis zur Verfügung steht. Der 15-Minuten-Takt wäre damit auf der mit 71,36 Kilometern längsten S-Bahn-Linie der Region nur schwer zu halten. "Die Infrastruktur bestimmt den Takt", sagt Hans-Albrecht Krause.

Nach 16 Monaten Bauzeit ist zur festlichen Eröffnung an diesem Samstag fast alles fertig: Neue Bahnsteige an allen Stops, die Oberleitung von Wendlingen nach Kirchheim, wo bisher nur Dieselloks fuhren, die Umgebung der Bahnhöfe mit Parkplätzen, wo die Kommunen weiteres Geld investierten. Nur die Bahnsteige in Wendlingen und Ötlingen sind noch nicht behindertengerecht, da sie bei laufendem Betrieb umgebaut werden müssen. In Wendlingen funktioniert ein Aufzug nicht, und einer von fünf beschrankten Übergängen muss im Laufe des nächsten Jahres umgebaut werden. Das dürfte der Feststimmung keinen Abbruch tun, wenn die S1 31 Jahre nach der ersten S-Bahn endlich zu den drei Städten findet.