Nordöstliche Innenstadt: OHG-Campus mit Stadthalle und Parkhaus Nord II sollen aufgenommen werden

"Das war schon ein richtiger Tritt in die Seite." Nagolds OB Jürgen Großmann meint damit die jüngste Berichterstattung zur Situation des Einzelhandels zum Beispiel in der Bahnhofstraße. "Aber genau darum geht’s" – bei der Umsetzung des Sanierungsgebiets Nordöstliche Innenstadt.

Nagold. Für Nagold ist dieses sechste Sanierungsgebiet in der Kernstadt gleichzeitig auch das größte; und es soll noch größer werden. Ursprünglich umfasste es die Straßenzüge Hirschstraße, Turmstraße, eben besagte Bahnhofstraße und Neue Straße/Leonhardstraße – inklusive Quer- und Stichstraßen –, jeweils nördlich von Vorstadtplatz/Herrenberger Straße und südlich von Burgstraße und Gerichtsplatz (ohne Burgcenter); sowie das Areal zwischen Calwer Straße, Lange Straße, Emminger Straße und Burgstraße.

Zu 53 000 kämen 33 000 Quadratmeter hinzu

Allerdings wird die Verwaltung der Stadt dem Nagolder Gemeinderat in dessen nächster Sitzung einen Entscheidvorschlag vorlegen, das Sanierungsgebiet noch einmal zu erweitern: in Richtung Westen mit der Calwer Straße selbst (bis Lange Straße) und dem Campus des Otto-Hahn-Gymnasiums – allerdings ohne die OHG-Gebäude selbst, aber inklusive Stadthalle, Gewerbeschule und Musikschule. Hintergedanke dabei: So könnte unter anderem das geplante Parkhaus Nord II (das ja eigentlich eine Tiefgarage werden soll mit Durchstich zur OHG-Tiefgarage/Parkhaus Nord I) mit in den Förderrahmen der Innenstadtsanierung gepackt werden.

In Zahlen ausgedrückt: Bisher umfasste das Sanierungsgebiets Nordöstliche Innenstadt knapp über 53 000 Quadratmeter Stadtfläche; so kämen noch einmal rund 33 000 Quadratmeter dazu. Was aber impliziert, dass der bisher durchs Regierungspräsidium genehmigte Fördertopf von Bund und Land für die Gesamtmaßnahme von lediglich 1,6 Millionen Euro nicht wirklich ausreichen kann. Weshalb Oberbürgermeister Jürgen Großmann und seine für Sanierungsfragen zuständige stellvertretende Sachgebietsleiterin im Liegenschaftsamt, Ute Koch, davon ausgehen, dass die Fördermittel in den kommenden Jahren wohl noch mindestens zweimal aufgestockt werden müssen.

"Wenn der Fördergeber sieht, dass vor Ort auch tatsächlich etwas mit den Geldern passiert und sich positiv verändert, werden diese Aufstockungen in der Regel auch genehmigt." So zumindest die Erfahrungen aus den bisherigen Sanierungsgebieten in Nagold. Beispiel: Beim Sanierungsgebiet "Stadtmitte Nord", dem bisher größten, waren es am Ende mit Aufstockungen fast 4,9 Millionen Euro, die von Bund und Land in Nagold investiert wurden.

Erstes, bereits sichtbares Projekt, das im neuen Sanierungsgebiet Nordöstliche Innenstadt mit Fördermitteln aus diesem Topf umgesetzt wird: Abriss und Neubau des Wohnhäusles am Ende des Zwingerwegs. Insgesamt bezeichnen Großmann und Koch das Interesse der betroffenen privaten Immobilien-Eigentümer an den Fördermöglichkeiten durch die Ausweisung des Sanierungsgebiets als "sehr rege" und "positiv". Bisher seien drei solche Maßnahmen wie das Wohnhäusle vertraglich in trockenen Tüchern, weitere stünden unmittelbar vor dem Abschluss. Was bedeute: "Es tut sich bereits richtig was" im Sanierungsgebiet.

Bis dieser Sanierungswandel aber tatsächlich auch bei den Geschäftsleuten etwa in der Bahnhofstraße ankommt, die über mangelndes Engagement der Stadt und schlechte Anbindung an die Einkaufsströme der Innenstadt klagen, ist noch eine Unbekannte. "Zuerst sind die privaten Investoren gefragt – denen lassen wir bewusst den Vorrang", sich an den öffentlichen Fördertöpfen zu bedienen. Da die Fördermittel erst einmal begrenzt sind, würden private Investitionen in Gebäude die höhere Priorität genießen. Erst in einem zweiten Schritt werde dann die Stadt als Eigentümer von Gebäuden und vor allem der öffentlichen Flächen – also der im Sanierungsgebiet liegenden Straßen und Plätze – sich als Bauherr im Sanierungsgebiet engagieren, um beispielsweise die Aufenthaltsqualität und Zugänglichkeit von Bahnhofstraße und Plätzen neu zu organisieren und zu gestalten.

Sanierung könnte Ladenflächen vergrößern

Allerdings: "Das eigentliche Problem zum Beispiel der Geschäfte in der Bahnhofstraße sind aus unserer Sicht die dort jeweils zur Verfügung stehenden Ladenflächen." Die seien, so OB Großmann, etwa für die üblichen Filialisten, die sich nach wie vor extrem rege für eine Ansiedlung in Nagold interessierten, (noch) zu klein. Durch eine Sanierung könnten diese unter Umständen wachsen; auch wenn die geförderte Sanierung eigentlich vor allem auf die Schaffung und Aufwertung von Wohnraum ziele. Beispiel wäre wieder das Wohnhäusle, dessen Neubau eben auch im Rahmen des Möglichen größer ausfallen werde als das ursprüngliche, historische Gebäude. "Aber das liegt natürlich wieder immer allein im Ermessen der Immobilien-Eigentümer und privaten Bauherren."

(ahk). In einem Gutachten ermittelte die Kommunal Entwicklung (KE) der Landesbank Baden-Württemberg im bisherigen Sanierungsgebiet Nordöstliche Innenstadt bei 172 untersuchten Gebäuden nur bei 47 keine baulichen Defizite, 77 Gebäude hatten "erkennbare Mängel", weitere 39 "starke Mängel" und neun sogar "schwerwiegende Mängel". Außerdem hätten 51 der Gebäude einen akuten energetischen Sanierungsbedarf. Die KE konnte "nicht mehr zeitgemäße" Straßen und Plätze "ohne Aufenthaltsqualität" ermitteln, dazu zahlreiche Leerstände sowie eine "unbefriedigende Gestaltung des nördlichen Ortseingangs als städte baulicher Handlungsschwerpunkt" – sowohl in Bezug auf die dortige Gebäudesubstanz als auch im Hinblick auf die vorhandenen Verkehrsanlagen. Bis zum Jahr 2025 – solange können die Fördermittel von Bund und Land für dieses Sanierungsgebiet abgerufen werden – sollen nun diese Missstände behoben werden.