Schwester Caroline von Olnhausen prägte die Arbeit in der Kleinkinderschule in Nagold über Jahrzehnte. Hier ist sie zusammen mit einer Kindergartengruppe aus dem Kindergartenjahr 1937/1938 zu sehen. Foto: Archiv

175 Jahre Kindertagesstätten in Nagold: Die Kleinkinderschule war der Einstieg in die Kleinkindbetreuung.

Nagold - 175 Jahre – eine stolze Zahl. Als man sich in Nagold im Jahr 1838 aufmachte, eine so genannte "Klein-Kinder-Schule" zu errichten, da war das ein hochmoderner Gedanke. Kleinkindschulen, also die späteren Kindergärten, waren in jener Zeit noch selten. Und so mussten die treibenden Kräfte – darunter der damalige Stadtschultheiß Gottlieb Fuchsstatt, Diakon Karl Hauff, Dekan August Hauff und vor allem Nagolds berühmter Bürger, Gottlieb Heinrich Zeller – ein Jahr zuvor in einem Bericht in der Lokalzeitung, dem "Gesellschafter", auch etwas weiter ausholen, um das Projekt zu erklären. Im Juni 1837 informierten sie gemeinsam in einer Zeitungsbeilage die Bevölkerung über den Zweck der Kleinkindschulen als "Bewahrungsstätte für Kinder von 3 bis 6 Jahren (...) für Kinder, deren Eltern den größten Teil des Tages und Jahres dem Feldbau oder solchen Gewerbes sich widmen, welche ihnen keine anhaltende persönliche Aufsicht über dieselben erlauben."

Nagold war früh dran, wenngleich es bereits in Schönbronn und Effringen kleinere Kleinkinderschulen gab. Das Wohl der Kinder hatte man im Auge, heute würde man vielleicht sagen, damit die Kinder später nicht auf die schiefe Bahn geraten. Denn "Gefahr für Leib und Leben" befürchteten die Vertreter von Kirche und Kommune für die nicht beaufsichtigten Kinder – sei es, dass die Kinder "tagelang in ungesunde Stuben eingesperrt" oder auf der Straße "ganz ohne Aufsicht" sind. Aus "Mangel an Zucht" könnte damit der Grund zu so manchem Bösen gelegt werden, "das Eltern und Lehrer späterhin kaum wieder auszurotten vermögen".

Mit vereinten Kräften gelang das Vorhaben. In einem angemieteten Zimmer einer Witwe öffnete am 3. Mai 1938 in Nagold die erste Kleinkinderschule. Luise Necker war die erste Hauptlehrerin. Bereits im ersten Jahr kamen mehr als 40 Kinder ins "Schüle". Die stark ansteigenden Kinderzahlen in den nächsten Jahrzehnten sollten den Gründern Recht geben. Zum Teil verteilt auf die unterschiedlichsten Orte, meist in ausrangierten Klassenzimmern der Schulen, mussten zum Teil 90 bis 100 Kinder in einem etwa 50 Quadratmeter großen Raum beaufsichtigt werden – heute unvorstellbar.

Die Geschichte der Nagolder Kindergartenarbeit, die von Anfang an ein Gemeinschaftsprojekt von Kirche und Stadt war, ist denn auch geprägt vom ständigen Suchen nach geeigneten Räumen. Mehrmals unternahm der Träger – damals noch ein eigens gegründeter Verein – den Versuch, ein eigenes Gebäude zu bekommen. Tragisch endeten die Bemühungen, die mit der Gründung eines Baufonds im Jahr 1914 ihren Anfang nahmen. Einen Bauplatz hinter der Stadtkirche hatte man bereits gestiftet bekommen. Es folgten weitere Einzahlungen in den Fonds, auch von der Stadt, ebenso von Nagolder Bürgern. Der Baufonds erreichte schließlich eine Höhe von 38 000 Mark – und dann kam die Inflation. Das gesparte Geld war nichts mehr wert, die Baupläne gescheitert.

Immerhin, den Grund hatte man noch. Und so nahm man das Projekt Ende der 20er Jahre wieder in Angriff. Damit einher ging 1927 die Übernahme der Kleinkinderschule an die Kirchengemeinde – denn weder der Trägerverein noch die Stadt Nagold sahen sich zu diesem Zeitpunkt in der Lage, den Neubau zu stemmen.

Auf 84 000 Reichsmark wurden die Kosten geschätzt. Am 7. Dezember 1927 war Richtfest und am 1. September 1928 ging der Neubau in der Hohe Straße schließlich in Betrieb. Eng verbunden ist der Neubau mit dem Engagement der damaligen Leiterin der Kleinkinderschule, Schwester Caroline von Olnhausen. Sie prägte die erste Nagolder Kleinkinderschule maßgeblich, war sie doch von 1893 bis 1941 Leiterin der Einrichtung.

Und so kommt es, dass in den nächsten Tagen gleich zwei runde Geburtstage gefeiert werden: 175 Jahre Kindertagesstätten Nagold, aber auch 85 Jahre evangelische Kindertagesstätte Hohe Straße 13.

u Das Programm: Der Blick geht nach vorne. Das gilt auch für die anstehenden Jubiläumsveranstaltungen. Eine Gesprächsrunde, ein Tag der offenen Tür mit Erntedankgottesdienst und Lesungen und Workshops stehen in den nächsten Wochen auf dem Programm.

u "Pakt für Familien und Kinder" nennt sich die Auftaktveranstaltung am Donnerstag, 19. September, ab 19 Uhr im Kubus. Ein Vortrag und eine Gesprächsrunde, auch zu kritischen Themen, hat man rund um das Thema Qualität in der frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung organisiert. Referentin ist Marion von Wartenberg, Staatssekretärin im Kultusministerium. Außerdem wirken mit: Nagolds OB Jürgen Großmann, Dekan Ralf Albrecht, Schuldekan Thorsten Trautwein, Schulleiterin Regine Michel, Kulturamtsleiterin Dorothee Must und Elternbeirat Achim Aldinger. Moderiert wird der Abend von Bernd Schlanderer.

u "Kinder, wunderbar gemacht" lautet das Motto für den Erntedankgottesdienst am Sonntag, 6. Oktober, in der evangelischen Stadtkirche unter Mitwirkung von Kindergartenkindern aus der Kernstadt und vom Lemberg. Von 11.30 bis 13 Uhr öffnet die Kindertagesstätte Hohe Straße 13 aus Anlass ihres 85-jährigen Bestehens. Dort wird der Kindergartenalltag damals und heute aufgezeigt.

u Drei Veranstaltungen mit der Kinderbuchautorin Silvia Hüsler stehen am 17. und 18. Oktober an. Am Donnerstag, 17. Oktober, gibt es ab 14.30 Uhr einen Workshop für Erzieherinnen und Sprachförderkräfte zu dem Thema "Muttersprachen in die Kinderwelt zaubern". Am Abend findet der Workshop für Eltern "Ich baue Dir eine Brücke – Identität durch Muttersprache" statt, ebenfalls mit Silvia Hüsler. Die Autorin gestaltet dann auch am nächsten Tag, Freitag, 18. Oktober, ab 15.30 Uhr in der Stadtbibliothek Nagold eine Märchenreise für Eltern und Kinder unter dem Titel "Katzen, Nikolaus und viele Sprachen".

u Der Veranstalter ist der Träger der evangelischen Kindergartenarbeit in Nagold, der evangelische Diakonieverband im Landkreis Calw. Kooperationspartner sind zusätzlich die katholische Kirchengemeinde und die Stadt Nagold.

u Die Situation heute: Die evangelische Kindertagesstätte in der Hohe Straße 13 bietet bis zu 90 Kindern Platz. Unter der Gesamtleitung von Stephanie Oster gibt es vier Gruppen. Neben der Ganztagesbetreuung von 20 Kindern bietet man auch Regelöffnungszeiten und verlängerte Öffnungszeiten an. Außerdem gibt es in Nagold noch auf dem Lemberg und in Iselshausen evangelische Kindertagesstätten. Die Stadt Nagold betreibt Kindergärten in den Teilorten Gündringen, Schietingen, Hochdorf, Emmingen, Pfrondorf und Mindersbach sowie auf dem Lemberg, Mittleren Steinberg, Oberen Steinberg und in der Kernstadt. Die katholische Kirchengemeinde bietet auf dem Kernen und in Vollmaringen Kindergärten an.