Gebrochen ist das Kreuz im Schattenkreis über der Wachsenden Kirche. Foto: Wachsende Kirche

Bäume angeritzt, Fahnen zerrissen, Kreuz zerbrochen. Schneise der Verwüstung in Natur-Gotteshaus hinterlassen. Mit Kommentar

Nagold - Die wachsende Kirche ist seit ihrer Pflanzung 2012 beachtlich gediehen und zu einem idyllischen Gotteshaus nahe des Klebs herangewachsen. Doch vor wenigen Tagen ließen Unbekannte ihre Zerstörungswut an der grünen Kirche aus.

Mehrere Bäume wurden zerkratzt und mit Farbe angesprüht, Stoff-Fahnen zerrissen, der Boden bemalt, das Kreuz im gelb-orangenen Sonnenschutz zerbrochen: Es sind Bilder einer sinnlosen Zerstörung, die Veronika Rais-Wehrstein, Mitglied im ökumenischen Arbeitskreis Wachsende Kirche, vor wenigen Tagen auf Facebook online stellte. Sie kann nicht fassen, dass jemand so etwas tut. Seit fünf Jahren pflegt die Arbeitsgruppe nun das grüne Gotteshaus mit viel Engagement, steckt Zeit und Liebe in die Arbeit. Betroffen, enttäuscht und wütend wandte sich Veronika Rais-Wehrstein daher an die Bevölkerung. Die Reaktionen in dem sozialen Netzwerk zeigen: Viele Bürger sind ebenso entsetzt wie sie.

Anklage hatte Rais-Wehrstein durch das Onlinestellen jedoch nicht im Sinn: "Mein Anliegen ist, dass jeder ein Stück weit verinnerlichen kann: Das ist unsere Kirche und es ist ein Gotteshaus, das die Ökumene ganz stark zusammengebracht hat. So wie die Bäume gewachsen sind, ist die Ökumene in Nagold gewachsen", erklärt sie.

Was sich verändern soll, ist die Wahrnehmung der Menschen, das Bewusstsein für die Wachsende Kirche, für das, was sie darstellt und was viele Menschen an Arbeit in sie investiert haben. Ein Ort der Begegnung, ein Ort, wo Gottesdienste gefeiert werden, wo Gespräche stattfinden – das war und ist die Wachsende Kirche für Veronika Rais-Wehrstein.

"Als wäre es ein öffentlicher Grillplatz"

Doch ein schleichender Prozess sei in den letzten Jahren von statten gegangen: Jede Woche habe eimerweise Müll in dem Gotteshaus gelegen, "als wäre es ein öffentlicher Grillplatz". Einige Menschen würden leider nicht wahrnehmen, "dass dies wirklich ein Ort ist, der sich von anderen unterscheidet – eben eine Kirche". Die wachsende Kirche soll weiterhin ein Ort sein, an dem Menschen auf ihrem Spaziergang durch die Stadt verweilen. "Aber wir wünschen uns, dass sie so verweilen, wie es dem Rahmen entspricht."

Arbeitskreis-Mitglied Thomas Ebinger wird in den nächsten Tagen zusammen mit anderen Helfern versuchen, die gravierenden Schnittverletzungen an den Bäumen zu beheben. Die vier Stoff-Fahnen, jede mit einem anderen Wort – Leben, Glaube, Hoffnung, Miteinander wachsen – bedruckt, müssen alle ersetzt werden. Eine kostenintensive Ersatzbeschaffung für den Arbeitskreis, so Rais-Wehrstein.

"Wichtig wäre, dass der städtische Ordnungsdienst da ein Auge drauf hat und öfters da durchgeht, verstärkt Präsenz zeigt", wünscht sie sich. "Wobei man sagen muss, dass die immer wieder da durchgehen", räumt sie ein, "aber scheinbar nicht oft genug". Auch die Nachbarschaft sei sehr aufmerksam und habe ein Auge auf die grüne Kirche.

Anzeige wurde bisher nicht erstattet. "Da möchten wir noch warten. Mit Blick darauf, was die Kirche darstellen soll, ist das nicht der erste Schritt." Veronika Rais-Wehrstein hofft, dass durch das öffentlich machen andere sensibilisiert werden, sodass sie vielleicht auch mal ein Auge auf die Kirche und das dortige Treiben haben, wenn sie in der Nähe sind. 

KOMMENTAR: Das tut weh

Von Heiko Hofmann

Vandalismus ist kein neues Thema. Und in Nagold ist die Zerstörungswut wahrscheinlich auch nicht größer als andernorts. Doch es gibt Zerstörungen, die tun besonders weh. Nicht zum ersten Mal hat es die Wachsende Kirche erwischt. Ein schöner, ruhiger, meditativer Ort ist das. Leider wissen das auch Partygänger und Unruhestifter zu schätzen. Sie lassen ihren Müll einfach liegen, schmieren den Altar mit sinnentleerten Sprüchen voll, ritzen Buchstaben in die Lindenstämme oder zerstören die Altarfahnen. Dass Aktivposten der Ökumene darauf nicht mit Anzeigen reagieren, ehrt sie und ist aus christlicher Sicht ja auch durchaus löblich. Vielleicht haben sie ja recht, und es mangelt den Übeltätern wirklich nur an der Einsicht, dass es sich bei ihrer Party-Location um ein Gotteshaus handelt. Doch ums mit Goethe zu sagen: "Allein mir fehlt der Glaube."