Schüler des Nagolder Berufsschulzentrums versuchen die Kommandozentrale des Hackers zu knacken. Foto: Fritsch Foto: Schwarzwälder Bote

Rätselspaß: Schüler und Azubis lernen mit einem Exit-Game den richtigen Umgang mit dem Internet

Seit Herbst läuft ein Programm der Baden-Württemberg Stiftung, das Schüler und Auszubildende spielerisch für den Umgang mit dem Internet sensibilisieren möchte. Nun war das Rätselspiel zu Gast im Berufsschulzentrum Nagold.

Nagold. "Boah, das ist am Nachmittag gar nichts mehr für mein Hirn", stöhnt eine Schülerin in Anbetracht der fortgeschrittenen Stunde. Und trotzdem schlägt sich die Gruppe ganz hervorragend. Innerhalb einer Schulstunde müssen die Berufsschüler gemeinschaftlich mehrere kleine Aufgaben und Rätsel lösen, die sie ihrem großen Ziel ein Stück näher bringen: Den Hacker aufhalten, der die Schule bedroht. Denn dieser plant einen groß angelegten Shitstorm. Aber wem soll sein Angriff gelten? Dem Youtuber, der Sportlerin, der Politikerin, dem Moderator oder dem Journalisten?

Die Berufsschüler lernen im Team zu arbeiten

In dem Szenario befinden sich die Berufsschüler direkt in der Kommandozentrale des Cyber-Angreifers. Da dieser aber nur 45 Minuten ausgeflogen ist, muss alles sehr schnell gehen: Rucksäcke werden durchwühlt, Fotos richtig angeordnet, Indizien gesucht und gedeutet, Zahlenschlösser und Passwörter geknackt, Elektronik verkabelt und, und, und. Dabei stellt sich die Gruppe äußerst geschickt an, denn sie teilen sich von Beginn an gut im Raum auf, jeder fokussiert sich auf ein anderes Puzzlestück. Stück für Stück setzen sie das Puzzle dann im Team zusammen. Wenn sie die vielen Hinweise am Ende richtig deuten, können sie das potentielle Opfer retten und den Shitstorm abwenden.

Die eigentliche Kommandozentrale jedoch befindet sich im Raum nebenan. Denn von dort aus können die Spielleiterinnen Viola Frick und Stephanie Lorenz mittels Video- und Tonübertragung den Fortschritt der Gruppe verfolgen. "Sie liegen gut in der Zeit", verrät Frick, als noch 30 Spielminuten verbleiben. Die beiden Trainerinnen begleiten das Projekt am Berufsschulzentrum Nagold. Aufmerksam hören sie den Diskussionen zu und prüfen, welche Rätsel bereits gelöst wurden. "Manchmal muss man schon eingreifen – wir wollen ja auch, dass die Gruppen es schaffen und ein Erfolgserlebnis haben", verrät Lorenz. Am Computer können sie dann Hinweise auf den Bildschirm der Spieler senden oder die Zeit am Ende noch etwas verlängern. "Das machen wir aber nur, wenn wir merken, dass die Gruppe kurz davor ist, das Rätsel zu lösen", so Lorenz.

Diese Art der Rätselspiele, die sogenannten Escape oder Exit Games, wie sie in Fachkreisen heißen, haben vor wenigen Jahren Einzug in viele deutsche Städte gefunden. Üblicherweise sind diese Exit Games nicht beweglich. Doch dieser mobile Rätselraum wurde von einer professionellen Agentur errichtet und das Szenario so angelegt, dass die Schüler spielerisch etwas über den Umgang mit Medien erfahren können.

Escape Room eigens von Profis entwickelt

"Man merkt bei den Denkpfaden, dass Profis am Werk waren", erklärt eine der Trainerinnen – so gut sind die Verknüpfungen, so vielseitig die Werkzeuge. "Die Schüler sollen lernen, wie man sich im Netz verhält und schützt und welche Auswirkungen ein Fehlverhalten auch noch Jahre später haben kann", erklärt Anja Breitling.

Sie ist Lehrerin und Abteilungsleiterin an der Berufsschule und hat das Spiel für diese Woche an die Berufsschule bestellt. "Als ich auf die Ausschreibung des Projekts aufmerksam geworden bin, habe ich mich direkt gekümmert." Bereits in den vergangenen Jahren hat sie mit ihren Schülern Escape Games in Stuttgart besucht. "Den Schülern und mir gefällt die Art zu lernen. Das ist mal etwas anderes."

"Sie haben jetzt noch sechs Minuten – immer noch genug Zeit", grätscht Trainerin Frick vom Monitor aus dazwischen. "Aber sie tun sich gerade bei einem entscheidenden Rätsel schwer." Jetzt wird es doch nochmal hektischer im Escape Room. Fünf Minuten verbleiben. Alle Schüler bearbeiten jetzt gemeinsam den entscheidenden Werkzeugkasten. Vier Minuten verbleiben. Der Kasten ist offen. Jetzt nur noch die Hinweise zusammenfügen. Aber es sind so viele. Noch drei Minuten. Die Schüler deuten die Indizien zum Teil unterschiedlich. Noch zwei Minuten. Genug der Teamarbeit, ein Mitschüler ist überzeugt, die Lösung geknackt zu haben. Er fasst sich ein Herz. "Ich schwöre, schau dir das an. Das ist das Opfer, hundert pro!" Er tippt den Code ein.

Dann erscheint der Hacker auf dem Monitor, verzweifelt: "Wie kann das sein? Ihr habt mich überlistet. Ihr seid zu groß für mich." Die Freude und die Erleichterung steht den Schülern ins Gesicht geschrieben – sie haben es geschafft.

"Am Anfang war die Stimmung komisch", berichtet Spieler Eugenij Kolesnik im Anschluss "aber nach ein paar Minuten war man voll in diesem Film." Auch seine Mitspielerin Leonie Böttiger ist begeistert: "Ich fand’s mega cool. Wir haben uns über jedes gelöste Rätsel gefreut." Auch die Zusammenarbeit habe gut funktioniert: "Unseren aktuellen Streit in der Klasse haben wir vollkommen vergessen", erzählt die Schülerin. Ob das Spiel wirklich Augen öffnen kann, darüber sind sich die beiden uneinig. "Ich wusste über das alles schon Bescheid, ich kenne die Vor- und Nachteile des Internets", erklärt Kolesnik. Böttiger hingegen fühlt sich sensibilisiert: "Es kann einfach jedem passieren, dass man in das Blickfeld eines solchen Hackers gerät."

Diese und weitere Unstimmigkeiten klären die Schüler im Anschluss an das Spiel noch in einer Diskussionsrunde.

Das Projekt, das von der Baden-Württemberg Stiftung initiiert und von der Landeszentrale für politische Bildung, sowie der Stiftung Weltethos unterstützt wird, wird seit diesem Herbst in Schulen, Berufsschulen und Ausbildungsbetrieben eingesetzt. Es soll junge Menschen im richtigen Umgang mit dem Internet schulen und läuft bis 2020. Informationen zum Projekt gibt es unter 0711/ 164 099 740. Die Buchung erfolgt unter der Nummer 0711/164 099 744.