Wolfgang Helmling vom Polizeirevier Nagold mahnt zu mehr Vorsicht im Internet. Foto: Buck Foto: Schwarzwälder Bote

Kriminalität: Cybercrime ist auch in Nagold ein Problem / Aktuelles Fallbeispiel zeigt Raffinesse der Täter

Betrug im Netz ist allgegenwärtig. Auch in Nagold. Ein aktueller Fall zeigt, wie trick- und einfallsreich die Betrüger heutzutage agieren. Die Nagolder Polizei klärt in einem Hintergrundgespräch auf und gibt praktische Tipps zur Prävention.

Nagold. Ein 53-jähriger Mann verkauft seine alte Kamera über EBay – Neuwert rund 12 000 Euro. Irgendwann meldet sich ein potenzieller Käufer und ist mit dem Verkaufspreis einverstanden. Wenig später schlägt im Postfach des Mannes eine Nachricht vom Onlinebezahldienst PayPal auf, die Zahlung sei eingegangen. Das Problem: Die Mail ist ein Fake, das Geld ging nie ein.

Dann nimmt das Unheil seinen Lauf, denn der Mann verschickt die Ware – in Richtung England. Als sich daraufhin EBay meldet, er sei wohl in eine Falle getappt, ist es zu spät. Er erstattet Anzeige beim Polizeirevier Nagold – und das setzt sämtliche Hebel in Bewegung, nimmt gar Kontakt mit der Post in England auf. Doch wie es scheint alles vergebens.

"Uns sind da oft auch die Hände gebunden, weil wir an technische oder rechtliche Hürden stoßen", stellt der zuständige Sachbearbeiter und Oberkommissar Wolfgang Helmling bedauernd fest.

Rund 50 bis 70 Fälle von Warenkreditbetrug jährlich im Raum Nagold

Was dem Mann widerfahren sei, nenne sich "Warenkreditbetrug", wie er erklärt. 50 bis 70 solcher Fälle im Jahr gibt es allein im Revierbereich Nagold. Bei derlei Fällen wird das Internet zum Tatmittel, also dazu genutzt, um andere Menschen zu betrügen. 123 013 solcher Fälle deutschlandweit führt das Bundeskriminalamt in der aktuellsten Erhebung für das Jahr 2016 auf – Tendenz steigend, die Dunkelziffer ebenso.

Und genau das sei das Problem der Polizei, sagt Helmling: "Das ist ein Massendelikt geworden." Um jede einzelne Straftat zu verfolgen, fehlt die Manpower, weil "da auch Fachwissen gebraucht wird bei den Ermittlungen". Selbst wenn dann vermeintliche Täter identifiziert werden, habe man das Problem von nicht verifizierten Daten. Hinter einer Lieferadresse könne zum Beispiel auch nur ein Briefkasten stecken. "Oft geistern da Fantasiedaten im Netz herum", erklärt Helmling.

All das macht es den Ordnungshütern ungemein schwer, Verbrechen im Bereich "Cybercrime" aufzuklären. Doch gänzlich erfolglos sind die Polizisten dann freilich nicht: Vor einiger Zeit ging es um eine Warenlieferung im Wert von 60 000 Euro, Leuchtdioden wurden mit einer Spedition (ebenfalls) nach England versendet. Doch das Geld kam nicht, es roch nach Betrug und die Polizei wurde tätig. "Nach vier Tagen wurde die Ware von den englischen Kollegen sichergestellt", erinnert sich Nagolds Revierleiter Klaus Armbruster, der dem Hintergrundgespräch ebenfalls beiwohnt. Mit ein Problem, ergänzt Kollege Helmling, ist die Zeitspanne, die meist zwischen Delikt und Anzeige liege: "Die Betrüger spielen auf Zeit und wissen natürlich, dass mit jedem vergangenen Tag die Ermittlungen schwieriger werden. Das nutzen die rigoros aus."

Trotz aller Bemühungen der Polizei, sei es am besten, selber vorzusorgen und aufmerksam zu sein, betont Helmling. Das Kaufverhalten der Gesellschaft hätte sich verändert, früher sei man eben im Laden einkaufen gewesen, heute im Netz – doch das sei nicht das Gleiche: "Im realen Leben prüfen wir Waren ja auch auf Mängel. Das muss im Internet auch geschehen, um sich abzusichern." Konkret: Betrage der Preis im Netz ein Drittel von dem im realen Kaufhaus, dann könne das schlicht nicht mit rechten Dingen zugehen, mahnt der Oberkommissar, der auch Kritik übt: "Man könnte meinen, manche sehen in solchen Momenten nur noch Dollarzeichen und ignorieren alle Warnzeichen. Ein großer Teil ist da zu gutgläubig."

Polizist Helmling warnt: "Vorauszahlungen sind immer kritisch zu sehen"

Gleichwohl werden aber auch die Betrüger immer raffinierter, täuschen Identitäten vor, verschleiern Transaktionen oder setzen ihre Opfer unverfroren unter Druck. Da hilft laut der Polizei nur erhöhte Wachsamkeit bei Onlinegeschäften: "Vorauszahlungen sind immer kritisch zu sehen. Ebenso Überweisungen auf ein ausländisches Konto. Dann wird man zum Beispiel bei PayPal mit dem richtigen Namen angesprochen – ist das nicht der Fall, wäre ich vorsichtig."

Die Polizei hat zahlreiche Informationsflyer herausgegeben, klärt zudem auf ihren Internetseiten zum Thema Netzkriminalität auf.

Das alles half dem 53-Jährigen nicht, er tappte trotzdem in die Betrugsfalle und wurde um mehrere Tausend Euro gebracht. "In dem Fall, kann ich wohl wenig Hoffnung machen", sagt Helmling in Richtung des Mannes, der ebenfalls beim Gespräch dabei ist. Beim nächsten Internethandel wird der 53-Jährige wohl alles doppelt und dreifach gegenprüfen. Seine Kamera bekommt er dadurch wohl nicht wieder zurück.