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Klebrunde – Unterwegs mit Ulrich Schaffert

Während seiner Ausbildung hat Ulrich Schaffert oft gedacht, "das ist gar kein Beruf für mich". Heute ist der Augenoptikermeister und Optometrist froh, dass er sich durchgebissen hat. Seine beruflichen Fähigkeiten setzt er auch gerne in der humanitären Hilfe ein.

Nagold. Seine Lehre machte er in Altensteig, bei einem "sehr introvertierten Lehrmeister", erzählt er. Da sei alles sehr korrekt, exakt und vor allem ruhig verlaufen. "Man hat immer fragen müssen, um ausgebildet zu werden", erinnert sich der gebürtige Leonberger, der in Altensteig seine erste eigene Wohnung bezog. Das war 1984, da "hieß es noch, keine Lehre abzubrechen". Also hat er sich festgebissen und die Lehre durchgezogen. Nach einigen "Wanderjahren" kam er zurück nach Nagold. Hier blieb er dann schlussendlich hängen. Während seiner Gesellenzeit bildete er sich nebenberuflich erst zum Augenoptikermeister und dann zum Betriebswirt des Handwerks weiter. "Morgens Schule, mittags arbeiten, nachts lernen", so beschreibt er diese Zeit. Das Jahr, in dem er den Meister in Abendschule machte, "lief automatisch ab, wie in Quarantäne". 1999 machte er sich dann selbstständig. Er mietete die Räume in der Marktstraße an und renovierte sie. "Und dann ging es los."

Nur kurze Zeit später wurde er für zwei Jahre Vorsitzender des Nagolder Werberings. "Das war viel Arbeit nebenher", erinnert er sich. Man habe vieles aus dem Boden stampfen müssen – beispielsweise das Fest "Tutta la Toscana", das einige Jahre in der Innenstadt veranstaltet wurde. Während seiner zweijährigen Amtszeit erkannte er aber auch: "Das ist zu viel für mich." Die noch frische Selbstständigkeit und die Arbeit im Werbering nebenher verlangten ihm zu viel ab – auch familiär. Also zog er die Reißleine.

Die Lust am Lernen ließ ihn nie los

Was ihn aber nie losließ, war die Lust am Lernen. So begann er 2009 die Weiterbildung zum Optometristen. Außerdem ist er Mitglied in der Meister- und Gesellenprüfungskommision. Der Beruf mache ihm so viel Spaß, dass er ihn noch lange weitermachen will. Und: "So lange ich klar denken kann, werde ich im Prüfungsausschuss mitarbeiten."

Durch einen Bekannten, der als Pfarrer in Bautzen tätig war, lernte er das zweitgrößte Kinderwaisenhaus Europas im ungarischsprechenden Teil Rumäniens kennen – in der Nähe von Ordohei in Siebenbürgen. Ein Junge namens Zsolti fiel ihm besonders auf, da dieser ein Auge verloren hatte. "Ich habe so einen schönen Beruf, ich will da etwas tun", sagte sich Uli Schaffert. Viele Kinder in dem Waisenhaus benötigten eine Brille. Also fuhr er nach Rumänien, maß bei jedem Kind die Sehstärke aus. Zurück in Deutschland schliff er die Gläser, die er von Herstellern kostenlos bekommen hatte, in Fassungen ein und brachte die fertigen Brillen dann wieder nach Rumänien. "In die Kinderaugen zu blicken, die zum ersten Mal überhaupt richtig gesehen haben, das war sehr, sehr emotional" sagt er bewegt.

Für Zsolti startete er eine erfolgreiche Spendenaktion. Die ermöglichte dem Jungen einen dreimonatigen Aufenthalt in Deutschland. Hier wurden die vernähten Augenlider wieder aufgetrennt und dem Jungen ein individuell angepasstes, handgeblasenes Glasauge eingesetzt. Schaffert erinnert sich noch sehr genau daran, dass das zur Fasnetszeit war und der junge Rumäne vor allem von den vielen Umzügen sehr begeistert war. Als kleines Andenken bekam er einen Cowboy-Anzug geschenkt – inklusive Spielzeugpistole. Diese sollte dann auf dem Rückflug nach Rumänien noch eine Rolle spielen. Uli Schaffert brachte den Jungen persönlich zurück nach Rumänien, vergaß dabei aber nachzuschauen, wo denn diese Pistole verpackt ist. Um es vorwegzunehmen: Sie war natürlich im Handgepäck. Da das beim Abflug in Deutschland noch nicht bemerkt wurde, wurde es dann ein umso größeres Problem beim Zwischenstopp in Paris, als auf dem Flughafen Charles de Gaulle bei der Kontrolle der Alarm anging und die verdutzten Reisenden plötzlich von schwerbewaffneten Polizisten umfingt waren. Zum glück für die beiden konnte das Missverständnis aber aufgeklärt werden, und der Flug nach Bukarest konnte fortgesetzt werden – mit eingeschweißter Spielzeugpistole im Cockpit und einigen Gläsern Rotwein zur Beruhigung für Uli Schaffert.

2014 fragte ihn Wolfgang Henne, damals Vorsitzender des Vereins Helfende Hände, ob er nicht mal mit nach Mauretanien wolle, da auch dort viele Menschen Probleme mit den Augen haben. Spontan sagte er zu und reiste mit seinem Kollegen Albert Goldmann aus Calw nach Mauretanien – mit rund 3000 gebrauchten Brillen im Gepäck. "Das war wahnsinnig interessant, die total anderen Traditionen als in Deutschland kennenzulernen", sagt er. Zu zweit haben sie täglich rund 100 Leute ausgemessen und die Brillen verteilt. 2016 war er ein zweites Mal in Mauretanien – im Gepäck hatte er dieses Mal auch eine Flasche Ramazzotti, um Verdauungsproblemen vorbeugen zu können.

Nach der Rückkehr begann Uli Schaffert, optische Geräte und Maschinen zu sammeln, damit in der dortigen Augenklinik eine Optikerwerkstatt eingerichtet werden konnte. Nachdem diese von Kollegen aufgebaut wurde, waren vor wenigen Wochen zwei Mauretanier in Nagold, um hier die Grundlagen des Augenoptikerhandwerks zu erlernen und dann selbstständig in dem afrikanischen Land arbeiten zu können (wir berichteten).

Schaffert kann sich durchaus vorstellen, noch einmal nach Mauretanien zu gehen. "Aber das muss zeitlich passen. Ich muss mein Geschäft im Vordergrund halten, das ist meine Existenz", sagt er.

Aus diesem Grund, seine Existenz zu sichern, hat er sich auch schon mal mit den Verantwortlichen bei City-Verein und Werbering angelegt. 2007 verklagte er die Stadt, weil sie die Nutzungsrechte der öffentlichen Plätz an den City-Verein weitergegeben hatte, der dann für die Verwaltung zuständig sein sollte und die Genehmigung der Nutzung davon abhängig machte, ob man sich an das City-Commitment und da vor allem an die Ladenöffnungszeiten hielt. Schaffert hat sich dabei besonders an der Vertragsstrafe gestört, die für den Fall fällig werden sollte, wenn man sich nicht daran hielt. "Da hätte es gereicht, kurz den Laden zuzumachen, um auf’s Klo oder zum Bäcker zu gehen", sagt er. Das sei für einen kleinen Einzelhändler mit keinen oder nur wenigen Angestellten nicht machbar.

Er habe bereits als Werbering-Chef für einheitliche Öffnungszeiten gekämpft und hält sich auch an die heute gängigen Öffnungszeiten in Nagold, aber eben ohne die Verpflichtung und einer möglichen Strafzahlung. Für sein Engagement, das er mit einer weiteren Einzelhändlerin in dieser Sache zeigte, hat er auch viele negative Erfahrungen gemacht. "Das war spannend für mich in Nagold zu der Zeit", erinnert er sich, dass er am Anfang auch als "Nestbeschmutzer" und "Verweigerer" hingestellt wurde. Dabei habe er sich dafür eingesetzt, dass alle fair miteinander umgehen. Neue Ideen begrüßt er, "manche davon gehen aber auf Kosten des Einzelhandels". Nichtsdestotrotz sei es wichtig, dass ein City-Verein da ist, der viel für die Stadt macht und dass es einen "toll gewachsenen Werbering gibt".

Seit einiger Zeit engagiert er sich auch als Kirchengemeinderat. "Das ist eine richtig tolle Arbeit", sagt der 55-Jährige, der so die Fusion der verschiedenen Nagolder Kirchengemeinden zu einer Gesamtgemeinde hautnah miterlebt hat. "Das war der richtige Schritt", ist er überzeugt. Auch an einem weiteren Projekt ist er beteiligt. "Ab September wird ein Kirchenbus eingeführt, damit auch ältere Leute die Möglichkeit haben, die Gottesdienste mitzuerleben", erzählt er und hofft, dass das Anklang findet.

"Aus dem kann nichts werden"

Schon lange ist er in der Kirche aktiv. "Im CVJM bin ich aufgewachsen", erzählt er. Mit 14 sei er schon nicht mehr mit seinen Eltern in Urlaub gefahren, sondern auf Freizeiten gewesen. Das sei unheimlich gut für die Entwicklung der Kinder, findet er.

Geschadet hat ihm das auf keinen Fall. Und rückblickend ist er dann auch mit seiner Berufswahl hoch zufrieden: "Ich würde den Beruf sofort wieder lernen", sagt er. Trotz schwieriger Ausbildung. Und trotz so schlechter Noten in der Schule, dass die Lehrer gesagt hätten: "Aus dem kann nichts werden." Manche, so fügt er schmunzelnd an, "wachen eben erst später auf."