Die Feisten waren erstmals in der Alten Seminarturnhalle zu Gast. Foto: Martin Bernklau Foto: Schwarzwälder-Bote

In der Alten Seminarturnhalle haben die Feisten als Duo ihre Nagolder Premiere / Stimmen am wichtigsten

Von Martin Bernklau

Nagold. "Ganz Schön Feist" aus Göttingen gab es schon lang, fast jahrzehntelang. Jetzt haben Rainer und C. die stornierte Combo als Duo "Die Feisten" wiederbelebt und auf ihrer Tour erstmals in Nagold Station gemacht.

Da stehen zwar eine ganze Menge Instrumente auf der Bühne der bistro-bestuhlt voll besetzten Semihalle: Gitarren aller Größen, Cajons, Rasseln und Djembés, als Prunkstück eine indische Sitar. Aber das wichtigste sind die Stimmen von Mathias Zeh und Rainer Schacht, auch als Percussion eingesetzt. "PopACappellaComedy" nannte sich der Stil der Vorgänger-Formation, den sie beibehalten haben. Leise geht es dabei zu, kein bisschen feist und fett im Sound, mit sehr feiner Vokalkunst. Und auch die Choreografie von C. – nicht zu vergessen als Stilmittel – ist minimalistisch bis filigran.

Nach der Begrüßungs-Ballade und ein bisschen Nagold-Neckerei ("Stadt der Kreisel – macht doch noch einen Kreisel im Tunnel!") kommt der Song für den Papst mit dem Titel "Kondomverzicht". Diese Aufforderung "Gehet hin und liebet euch mehr, generell für mehr Verkehr!" ist aber schon fast das höchste der Gefühle, die so grob in Richtung kritisch-politisches Kabarett gehen. Naja, vielleicht noch "Kriech nich da rein", die vom Fernseh-Stromberg inspirierte Hymne gegen die Arschkriecherei auf die Melodie "Griechischer Wein". Es geht den Feisten mehr ums Menscheln im Alltag als um die Machtfrage.

Das schließt eine gewisse liebevolle Boshaftigkeit gegen die Mitwelt und ihre Moden natürlich nicht aus. Auf die Namenswahl durchgeknallter Eltern schießen sie sich zum Beispiel ein bisschen ein. Schulze, der Inder, sagen die Schulfreunde. Das damals in Goa gezeugte Hippie-Kind heißt aber "Ranjid", auch wenn man es ihm nicht ansieht; Siddharta mit zweitem Namen. Und das fügt sich bei den Feisten wiederum auf "Vater". Solche unrein dahingeblödelten Reime, irgendwo zwischen Ringelnatz, Neuer Frankfurter Schule und Otto, dem Friesen, gehören zu den Kunstgriffen des Duos. Da prustet das Publikum dann nicht los, sondern lächelt eher still in sich hinein.

"Prunze" nennt man in Göttingen eine arme Schöne, die sich den dicken Reichen angelt. Die Feisten lassen sie mitleidslos besoffen im Pool ersaufen, bevor die "Prunzinella" ihren Alten beerben kann. Selbstverständlich nehmen sich die beiden Kahlen selber von dem Spott nicht aus, ebensowenig wie die täuschend echten oder gut erfundenen Partner, Freunde oder Altersgenossen. Zuweilen bekommen die es auch mit Worten wie Keulen ab. Auf "Gammelfleisch-Partys" wird der Sex über 50 angebahnt. Einmal im Monat "machen die Hormone ein Monster" aus der Holden. Und der Freund in Not und Seelenpein sollte zum Ausweinen lieber zum Therapeuten gehen: "Komm bitte nicht zu mir!"

Sie erzählen von Vergesslichkeit, vom Hund Paul, der nur als Welpe zum Anbandeln auf dem Hundeplatz taugt. Vom River Dance in der Lambada Bar oder, in wunderbarem Howard-Carpendale-Akzent, von der Reinkarnation der Sex Machine "James B." Brown. Manchmal wechselt C. hinter seiner dunklen Brille die Perspektive. "Du schnarchst!" ist gnadenlos aus der Sicht der gepeinigten Frau geschrieben.

Und die alte Geschichte von dem Mann und der Frau drehen sie kurzerhand auch mal einfach um, nachdem das Publikum die Feisten doch nicht einfach so gehen lassen will. Einen Rausschmeißer haben sie zwar nicht, aber ein Lied, das C. seiner Freundin auf den Leib geschrieben haben will – sehr zu deren Missvergnügen. "Du willst immer nur ficken", beschwert sich der Männe darin. So findet das F-Wort eine viel subtilere Verwendung, als es bei manch anderen Comedians Mode geworden ist.

Den Nagolderinnen und Nagoldern in der Semihalle gefiel das alles sehr. Es scheint, als dürften die Feisten aus dem Norden gerne mal wiederkommen.