Foto: Meinert

Auch in Nagold regt sich Widerstand. Bürgerzentrum bei ANU-Infoveranstaltung dicht gefüllt.

Nagold - In Haiterbach hat sich der Widerstand gegen das geplante KSK-Absetzgelände schon länger organisiert. In Nagold ist es jetzt soweit. Die Wut ist groß.

Der Saal im Bürgerzentrum ist bis auf den letzten Platz besetzt. "Wir hatten gar nicht mit so vielen Leuten gerechnet", freut sich Dieter Laquai von der Arbeitsgemeinschaft Natur und Umweltschutz ANU. Es geht um das geplante KSK-Absetzgelände in Haiterbach. Noch bevor die Diskussion richtig losgeht, stellt Laquai klar: "Das Gelände bringt nur Lärm und Dreck, das wollen wir hier nicht vor der Tür haben." Der Beifall ist ihm sicher.

Fast zwei Stunden dauert die Veranstaltung, der Ton ist rau, die Wut ist groß, vor allem gegen Oberbürgermeister Jürgen Großmann werden reihenweise Breitseiten abgefeuert. Kern der Vorwürfe: Statt die Bürger über die möglichen Folgen aufzuklären, über eventuelle Belastungen durch Flugzeuge und Hubschrauber über Nagold zu informieren, betreibe Großmann eine Politik des Mauschelns. Statt seine Bürger vor Lärm und Ungemach zu schützen, baldowere er in Hinterzimmern Kompensationsgeschäfte aus.

"Das ist ein Hammer. Ich habe es langsam satt, dass die Leute verarscht werden", meint ein Mann aus dem Publikum. Widerstand sei das Gebot der Stunde. Es folgt starker Beifall.

Das sieht Großmann freilich anders. "Das ist die alte polemische Platte, die wieder aufgelegt wird", erwidert er gegenüber dem Schwarzwälder Boten auf Anfrage. "Die Öffentlichkeit weiß, über welche Projekte ich mit dem Land verhandele." Es gehe um die Nagoldtalbahn sowie um Sanierung und Erweiterung des OHG. Denn, so Großmanns Logik: Falls das Absetzgelände die Genehmigungsverfahren bestehen sollte, "kann das Projekt auch ohne Zutun der Stadt kommen, weil der Bund in Verteidigungsfragen Privilegien hat". Darauf müsse man vorbereitet sein.

"Das ist einfach nicht der richtige Platz"

Tatsächlich hat es lange gedauert, bis sich in Nagold Widerstand regt. In Haiterbach gab es bereits im September 2017 einen Bürgerentscheid, 61 Prozent hatten sich gegen das Projekt ausgesprochen. Der Haken: Das Votum ist juristisch nicht bindend, Bund und Land könnten trotzdem an den Plänen festhalten.

Geht es nach dem Willen von Bund und Land könnten in absehbare Zukunft schwere Transportflugzeuge und Hubschrauber des Kommandos Spezialkräfte (KSK) und der US-Truppen über dem Gelände des lokalen Segelflugvereins in Haiterbach kreisen – und das an 120 Tagen im Jahr. Bisher handelt es sich um ein ausgesprochen idyllisches Gelände, ein Ausflugsziel auch für Nagolder. Doch wenn Hercules- und Transall-Maschinen erst einmal aus geringer Höhe Lasten abwerfen und Fallschirmjäger abspringen lassen, dürfte es mit der Ruhe vorbei sein.

Doch Nagold sei auch direkt betroffen, wie mehrere Redner im Bürgerzentrum betonen. Flugzeuge und Hubschrauber mit dem Ziel des Absetzgeländes würden über dem Zentrum Nagold fliegen, sogar direkt über das Krankenhaus führe die Einflugschneise.

"Es geht hier nicht gegen die Bundeswehr", betont Wolfgang Herrling vom Nabu Vollmaringen. Doch das geplante Absetzgelände sei lediglich drei Kilometer Luftlinie von Nagold entfernt. "Das ist einfach nicht der richtige Platz." Und dann dürften da auch Amerikaner üben, "die halten sich ja an keine Regeln", meint Herrling. Angesichts der befürchteten massiven Lärmbelästigung dürfe es auch keine Kompensationsgeschäfte geben. Herrling: "Lärm ist nicht ausgleichbar."

In einer Höhe von lediglich 100 bis 400 Metern würden die Maschinen über Nagold hinwegdonnern, so ein Redner. Im Sinkflug könnten sie unter Umständen gar auf lediglich 30 Meter gehen, hieß es. Ein ältere Frau raunte dabei leise: "Das ist ja wie im Krieg."

Eigenartig ist, dass vor allem Grauköpfe zur Veranstaltung gekommen sind. Das Wort führt zumeist die Rentner-Generation. Sind die 20- und 30-Jährigen nicht interessiert, schenken sie den Warnungen vor der großen Lärmlawine weniger Glauben?

"Wir sind kampferprobt"

Viel Frust und angestaute Wut entlädt sich an diesem Abend im Bürgerzentrum Nagold, viel Misstrauen gegenüber "denen da oben", gegen Oberbürgermeister und Gemeinderat. Transparenz und Beteiligung wird gefordert, Widerstand angekündigt.

Dabei wollen manche eher "den Weg der Ordnung" gehen und im Gemeinderat und im Rathaus intervenieren, andere setzen eher auf "außerparlamentarische Opposition". Ein Mann aus dem Publikum meint: "Wir sind kampferprobt." Man brauche den Druck der Basis, damit der Oberbürgermeister reagiert.

Erster Schritt zum Widerstand: Wer sich beteiligen will, kann sich in eine Liste eintragen.