Die Ergebnisse des Jobcenters mit Hauptsitz in Nagold sorgen für Diskussionen in Politik und Arbeitsverwaltung. Foto: Bernklau

Mehr Hartz IV-Empfänger wegen steigender Bedarfsgemeinschaften. Kreis muss elf Millionen zuschießen.

Nagold/Calw - Trotz bester Lage auf dem Arbeitsmarkt steigt die Zahl der Hartz IV-Empfänger im Kreis Calw kontinuierlich an. Zugleich schießen die Ausgaben des Landkreises für das Jobcenter in die Höhe. Im Kreistag regt sich Unmut, im Landratsamt rumort es und selbst in der Arbeitsagentur ist man unzufrieden mit den Ergebnissen des Jobcenters.

Als die Entscheidung anstand, war die Position des Landkreises klar. Die Betreuung der Hartz IV-Empfänger hätte man am liebsten alleine übernommen. Hätte liebend gern die kommunale Option gewählt. Der Kreis Calw beantragte sie auch. Doch die Politik entschied sich dagegen. Noch heute bedauert Norbert Weiser, Sozialdezernent des Landkreises, diese Entscheidung und sagt: "Ich würde immer noch gerne kommunal optieren." Doch dieser Zug ist wohl abgefahren. Stattdessen schultern Agentur für Arbeit Nagold-Pforzheim und Landkreis Calw seit Jahren in der gemeinsamen Einrichtung des Jobcenters die Aufgaben rund um Hartz IV zusammen.

"Das ist alles erklärungsbedürftig"

Während früher die Beziehungen der beiden Einrichtungen – gerade in Bezug auf das Jobcenter – oft spannungsgeladen waren, sprechen beide Seiten aktuell von einer "positiven Zusammenarbeit". Während also die grundsätzliche Chemie offenbar stimmt, sorgen die Ergebnisse des Jobcenters für reichlich Gesprächsstoff und Unmut. Im Kreistag monierten etliche namhafte Räte die sich stetig verschlechternden Zahlen.

Die Ausgaben des Landkreises für das Jobcenter sind in den vergangenen Jahren von neun Millionen Euro im Jahr 2011 über 9.6 Millionen im Jahr 2012 auf 11,1 Millionen im vergangenen Jahr gestiegen. Grund dafür ist die stetig steigende Zahl der so genannten "Bedarfsgemeinschaften", Haushalte, in denen mindestens ein Teil Hartz IV bezieht. Gab es 2012 im Kreis Calw noch 2406 Bedarfsgemeinschaften, ist die Zahl bis 2014 auf 2637 gestiegen. Dass dies gerade in Zeiten eines fast optimal laufenden Arbeitsmarktes in der Region so ist, wirft beim Kreistag so manche Frage auf. Und auch beim Landkreis herrscht Klärungsbedarf, vor allem, weil man in anderen Landkreisen bei anderen Jobcentern solche Steigerungsraten nicht beobachtet. "Das alles ist wirklich erklärungsbedürftig", konstatiert denn auch Frank Wiehe, Stellvertreter des Landrats, im Gespräch mit unserer Zeitung. Gelegenheit zur Erklärung soll das Jobcenter und die Agentur für Arbeit in der nächsten Sitzung des Sozialausschusses des Kreistags am 22. Juni bekommen.

An diesem Tag wird vermutlich auch ein anderer Bestandteil der Arbeit des Jobcenters zur Sprache kommen, der im Landratsamt bei Sozialdezernent Norbert Weiser für Unverständnis sorgt: Die telefonische Betreuung der "Kunden" des Jobcenters erfolgt über ein Call-Center. Das macht für Weiser nicht allzu viel Sinn. Zum einen sei es wenig hilfreich, wenn Anrufer jeden Tag einen neuen Betreuer hätten, zum anderen koste das Call-Center 120.000 Euro im Jahr. "Dieses Geld könnte man im Jobcenter selbst gut gebrauchen", sagt Weiser. "Davon könnte zweieinhalb Stellen finanzieren."

Am 22. Juni soll die Arbeitsverwaltung also im Kreistag Rede und Antwort stehen. Der Anfang von neuen Spannungen? Der Landkreis Calw jedenfalls ist – bei allem Unverständnis über die Entwicklung – an der Fortsetzung der konstruktiven Zusammenarbeit mit der Agentur interessiert. Und auch in der Arbeitsagentur stehen die Zeichen nicht auf Sturm. "Bei der Vermittlung von Hartz IV-Empfängern in Arbeit sind wir uns mit dem Landkreis ziemlich einig", sagt Agenturchef Jürgen Schwab. "Mit der sind wir beide nicht zufrieden. Vor allem weil die Rahmenbedingungen so schlecht nicht sind." Man habe eine "gemeinsame Erwartung" an das Jobcenter, sagt Schwab weiter. Und die liegt darin, dass man mehr Menschen in Arbeit bringen muss. 2,5 Prozent mehr Integrationen habe man als Ziel ausgegeben, berichtet Schwab.

Möglichkeiten, dieses Ziel zu erreichen, gebe es. Man könne Stellenzuwächse verzeichnen, auch bei den Helferstellen, in die 50 Prozent der Hartz IV-Empfänger vermittelt werden. Auch die entsprechenden Arbeitslosen, die solche Stellen antreten könnten, gebe es. Doch manchmal reiche auch ein Job nicht, um aus der Betreuung des Jobcenters herauszukommen: "Es gibt viele Bedarfsgemeinschaften, wo jemand arbeitet und die trotzdem Bedarfsgemeinschaft bleiben, weil sie zu wenig verdienen."

Schwab: "Wir haben Möglichkeiten, uns zu verbessern"

Mit Antworten auf die Fragen der Politik tut sich auch Jürgen Schwab etwas schwer. Die eine Erklärung gibt es wohl nicht. Ein Problem sei die Infrastruktur im Kreis Calw, um die es nicht optimal bestellt sei, so Schwab. Die Leute müssten ja auch zur Arbeitsstelle kommen. Ohne Auto oder geeignete Busverbindung sei das oft schwierig, und das verhindere manche Vermittlung in Arbeit.

Als Reaktion auf die Zahlen wünscht sich Schwab eine direktere Betreuung der "Kunden" durch das Jobcenter. "Man muss die Menschen mehr an die Hand nehmen", so der Agenturchef, der zudem vorschlägt auch bei den Arbeitgebern mehr Überzeugungsarbeit zu leisten. "Wir haben auf jeden Fall Möglichkeiten uns zu verbessern", ist er denn auch überzeugt.

Überzeugt ist Schwab auch, dass man auch beim Call-Center eine Lösung findet. Auch wenn das Center durchaus seine Vorteile habe, sei das für ihn keine Sache der Ideologie. "Ich habe nicht die geringsten Bedenken, dass wir da eine überzeugende Lösung finden", so Schwab.