Bei der Nagolder Staatsklenge hat man erste Zuchterfolge mit klimaharten Zedern-Bäumen. Foto: Kunert

Bei Staatsklenge hat man erste Zuchterfolge mit klimaharten Zedern. Freilandversuch nahe Raststatt.

Nagold - Alles redet von den Problemen, die der Wald im Moment aufgrund des Klimawandels hat. In Nagold sucht man neue Strategien für die dramatischen Herausforderungen im Forst gerade hier im Südwesten: bei der Staatsklenge, dem offiziellen Saatbaubetrieb für den Wald in Baden-Württemberg.

Stolz zeigt Forstdirektor Christoph Göckel, Leiter der Nagolder Staatsklenge, eine Batterie mit kleinen Setzlingen. Der Mini-Wald mit winzig kleinen Nadelbäumchen ist einer der Hoffnungsträger – nachdem die Flut an immer neuen schlechten Nachrichten aus dem Forst nicht abreißen will. Dürre, Borkenkäfer, Sturmschäden – Faktoren, die jeweils allein schon für Probleme sorgen.

In der Kombination, wie sie aktuell in diesem Frühjahr und Sommer zu verzeichnen waren, potenzieren sich diese Faktoren noch gegenseitig. Folge: Überall im Land agiert der Forst im absoluten Krisen-Modus. Das Land Baden-Württemberg hat gar eine "Task-Force" gegründet, um engmaschig die Situation im hiesigen Wald zu verfolgen und zu kontrollieren. Und unmittelbar auf sich verändernde Situationen großflächig reagieren zu können. Denn: "Der Klimawandel ist kein lokales Probleme", sagt Göckel – ebenfalls Mitglied der Task-Force. "Die Probleme betreffen das ganze Land – und darüber hinaus ganz Europa".

Der Kreis kommt mit einem blauen Auge davon

Rund 1,1 Millionen Festmeter (fm) Schadholz durch Insekten hat Göckel aktuell für den Gesamt-Nadelholz-Bestand in Baden-Württemberg in seiner Statistik stehen. Wobei im Moment rund 75.000 fm Schadholz pro Woche dazu kommt. Bei den Dürreschäden steht der Schadens-Ticker bei über 40.0000 fm – auch hier die Tendenz stark steigend. Dazu kämen noch rund 600.000 fm Sturm-/Eis- und Schneebruchholz, etwa aus dem Frühjahr-Orkan "Eberhard".

Wobei der Kreis Calw im Vergleich zu den anderen Regionen im Land "noch mit einem blauen Auge" davon kommt. Rund ein bis 1,5 fm Schadholz (aus Insektenfraß) pro Hektar Wald sind hier zu beklagen ("noch"). Spitzenwerte mit über vier fm Schadholz pro Hektar Wald werden aus dem Hohenlohischem und dem Grenzgebiet zur Schweiz gemeldet.

Was die Situation so dramatisch macht in diesem Jahr: "Dass wir schon im vergangenem Jahr mit der großen Hitze im Sommer eine extrem schwierige Situation hatten", erinnert Göckel. Der Wald ist angeschlagen. Und das eigentlich auch noch seit sehr viel längerer Zeit: Seit fünf, sechs Jahren verzeichnet der Forst in Baden-Württemberg einen kontinuierlichen Temperatur-Anstieg in den Sommermonaten. Zudem beschleunige "die Globalisierung" das Auftauchen immer neuer Schädlinge für die Bäume im Wald – nicht nur den berühmt-berüchtigten Borkenkäfer, den "Buchdrucker". Durch das "Eschentriebsterben" – auch "Falsches Weißes Stängelbecherchen" genannt, eine nach 2010 neu beschriebene Pilzart – ging quasi die gesamte Eschen-Bestand im Land verloren. Dabei war die wärmeresistente Esche eine der Hoffnungsträger für den Waldumbau in Folge der Klimawandels gewesen.

Der neue Hoffnungsträger, der da gerade in der Staatsklenge in Nagold heranwächst: Die Libanon-Zeder (Cedrus libani), neben der Atlas-Zeder (Cedrus atlantica) eine der vielversprechenden neuen Sorten für den Wald in Baden-Württemberg. Erste Versuchsreihen mit der Anzucht im Nagolder Betrieb "sind ganz hervorragend" gelaufen, berichtet Christoph Göckel voller Enthusiasmus.

Im Moment bereite man einen größeren Freilandversuch mit den Setzlingen in einem Gebiet nahe Raststatt vor. "Es reicht nicht", erklärt Göckel die Herausforderungen bei der Suche nach neuen Baum-Arten für den heimischen Wald, "nur nach Wärme- und Dürreresistenzen zu suchen". Und einfach Arten aus dem Mittelmeer-Raum etwa in den Schwarzwald zu holen. "Die Krux sind unsere Spätfröste im Jahr, die es auch trotz Klimaerwärmung hier weiterhin geben wird".

Vielleicht der erste Baustein für den Waldumbau

Diese Fröste könnten die beiden ausgesuchten Zedern-Arten gut bewältigen, weil es die auch in ihrer Heimat – etwa dem Bergland in der Türkei – gebe. Ein vielleicht erster Baustein für den Waldumbau. Denn – apropos "Schwarzwald": "Der wird künftig wohl nicht mehr sehr ’schwarz’ und sprichwörtlich dunkel sein", prognostiziert Forst-Experte Göckel.

Weil nach Fichte (Hauptopfer der Dürren gerade in den Tallagen, aber auch der Borkenkäfer) in diesem Jahr auch Tanne und (im Rheintal) die Kiefer arg in Mitleidenschaft gezogen wurden. Und auch von den Buchen-Beständen (Dürre, Käfer) und Eichen (Eichenprozessionsspinner) gibt es eigentlich keine guten Nachrichten mehr – womit alle vier Haupt-Holzarten, die den Wald hierzulande zum Großteil ausmachen, deutlich in der Krise stehen.

"Es brennt an allen Ecken und Enden", wobei das ’Brennen’ diesmal nur sprichwörtlich gemeint ist. "Von großen Waldbränden sind wir ja bisher zum Glück verschont", was aber – so Göckel – auch mit einem guten Waldmanagement hierzulande zu tun habe. Das Waldbild werde sich aber trotzdem in den nächsten Jahren und Jahrzehnten "massiv verändern" - verändern müssen. Da seien sich Wissenschaft und Waldwirtschaft längst einig.

"Bis zu den Jahren 2050 oder auch 2100 werden unsere vier Haupt-Baum-Arten bei uns deutlich zurückgegangen sein. Da wird auch manches Liebgewordene verschwinden", gibt sich Göckel keiner Illusion hin. Aber das sei dann "letztlich wirklich eine Aufgabe für Generationen".