Die Nagolderin Anna Ohnweiler bei ihrer ersten Demonstration der "Omas gegen Rechts" in Stuttgart. Foto: Privat

Schwere Beleidigungen und Drohungen gegen Anna Ohnweiler. Jetzt ermittelt Staatsschutz.

Nagold - Es ist ein stürmischer Tag. Der starke Wind saust um die Ecken von Anna Ohnweilers Wohnung hoch über Nagold. Ein Wetter mit Symbolcharakter: Auch im Leben der Initiatorin von "Omas gegen rechts" hierzulande gibt’s gerade einige Turbulenzen. Reichlich Gegenwind.

"Wir haben Anzeige gegen unbekannt erstattet, der Staatsschutz hat die Ermittlungen aufgenommen." Anna Ohnweiler spricht von einer Postkarte, die sie Anfang Februar zu Hause erreicht hat. Abgeschickt laut Poststempel in Pforzheim. Dicht beschrieben mit der Handschrift eines wohl älteren Mannes – es sind Anflüge von Sütterlin-Lettern erkennbar.

Der Inhalt: wüste Schmähungen und Beschimpfungen gegen Ohnweiler, alles deutlich rassistisch – bis hin zu konkreten Beleidigungen und gar Morddrohungen. Ein Zitat: "Wir lassen dich vom grauen Bus aus der psychiatrischen in Weißenau abholen. Der bekannte und allerorts beliebte Dr. Josef Mengele jun. wartet dort schon auf dich." Was noch den "harmloseren" Teil der Botschaft ausmacht. Im ersten Moment, als sie die Zeilen gelesen habe, sei sie geschockt gewesen, berichtet Anna Ohnweiler. Was wohl auch das Ziel des Absender gewesen sei: Angst zu verbreiten, zu schocken. Dann aber sei sie schließlich nur noch angewidert gewesen von der Wortwahl.

Angst vor allem Andersartigen?

Und, nein, weh getan habe ihr das Schreiben nicht. Eigentlich eher Mitgefühl geweckt – nicht nur wegen der vielen groben Rechtschreibfehler auf der Karte: "Ich empfinde auch keinen Groll. Ich würde mir eher ein Gespräch mit diesem Menschen wünschen, mich mit ihm austauschen wollen. Um seine Geschichte zu verstehen." Was hat er erlebt, um solchen Hass zu entwickeln? Was hat ihn so gemacht, "dass ihn eine alte Frau wie ich, eine Oma, so in Angst versetzen kann mit dem was ich tue". Denn eigentlich sehe sie bei diesen Menschen, die sich so gerne "Wutbürger" nennen würden, keine Wut – "nur pure Angst". Angst vor allem Andersartigen, vor allem Fremden, eigentlich vor allem Neuen. "Es ist eine armselige Angst."

Anna Ohnweiler erzählt aus ihrem eigenen Leben. Der Vater Banater Schwabe, die Mutter Siebenbürger Sächsin – deutsche Minderheiten im damaligen Rumänien. Während der Deportationen des Zweiten Weltkriegs lernten sich die Eltern kennen. Anna war die älteste Tochter, wurde als Elfjährige vom Dorf, wo die Familie lebte, alleine zum Schulbesuch in die große Stadt geschickt. "Wo ich, so jung wie ich war, alleine ein selbständiges Leben lebte." Verantwortung übernehmen, sich durchboxen, überlegt handeln. "Immer auch mit meinem eigenen Kopf."

Im Jahr 1979 kam Anna Ohnweiler nach Deutschland, nach Nagold – als Spätaussiedlerin. Anfangs als Staatenlose. Sie hat Germanistik und Romanistik studiert, war in Rumänien Gymnasiallehrerin. Hier im Nordschwarzwald unterrichtete sie Deutsch an Realschulen, gründete in Altensteig die Abendrealschule, die sie auch lange geleitet hat. Beim CJD in Altensteig betreute sie dortige Wohngruppen – mit Trauma-Patienten. "Ich habe viel mit psychisch Kranken gearbeitet." Weshalb sie jetzt auch "hinter" die Hassbotschaften gegen sie und die "Omas gegen rechts" blicken kann. Blicken will. Nicht Gleiches mit Gleichem vergelten. Ringen um gesellschaftlichen Frieden.

"Es gibt zwei Arten des Hasses, der sich speziell gegen mich richtet", analysiert Ohnweiler. "Gegen mich als vermeintliche Ausländerin. Und als politisch Andersdenkende." Ihre Beobachtung: Anfangs waren Pegida und AfD, zu denen "Omas gegen rechts" heute eine gesellschaftlich integrative Gegenbewegung schaffen möchte, "vor allem europakritische Neoliberale", die Teil einer durchaus auch konstruktiven politischen Diskussion waren. "Mittlerweile ist das aber alles leider zu einem Sammelbecken für Rechtsextreme aller Art geworden." Die kaum Raum lassen wollten für eine Konsens-Demokratie. "Nur die eigene Meinung hat Bedeutung." Toleranz, Diskussion, Kompromiss – "das ist für diese Menschen ein Zeichen der Schwäche."

Dahinter stecke aus ihrer Sicht "ein fatales Menschenbild", das Menschen nur nach ihrem "Nutzwert" für das jeweils eigene Sein definiere. Um aber solche Menschenbilder in einer eigenen Biografie auszubilden, bedarf es "reichlich seelischer Verstümmelungen" in einem Leben. Wenn dann am Ende "solch eine Hass-Botschaft" wie im Fall der Pforzheimer Postkarte dabei herauskommt, "muss schon einiges in diesem Leben lebenslang dramatisch schief gelaufen" sein. Eigentlich – so Anna Ohnweilers abschließendes Resümee – eher ein Fall für eine Therapie denn für die Strafverfolgungsbehörden.