Foto: Kunert

Rüdiger Schenk sorgt auf Nagolder Eisberg für ultimativen Thrill. Kulisse wie an einem Film-Set.

Nagold - Die Szene ist klaustrophob: schwarz verhangene Decke, dicke Gitter vor den Fenstern, in der einen Ecke ein total verdrecktes Klo, in der anderen ein eisernes Etagenbett. Doch das hier ist kein Knast, kein Verließ. Jedenfalls nicht wirklich. Sondern ein "Escape-Raum". Mitten in Nagold.

Tatsächlich befindet sich der nachgebaute Kerker in einer adretten Büro-Etage auf dem Eisberg, Leibnizstraße 4, auf dem ehemaligen Kasernengelände – was irgendwie schon wieder viel eher nach dem Szenario hier klingt. Doch vielleicht zuerst einmal eine Erklärung, was ein "Escape-Raum" eigentlich ist.

Rüdiger Schenk heißt der Experte dafür. Er hat den Escape-Raum 2015 gebaut – ein halbes Jahr lang habe das gedauert, erzählt der gelernte Werkzeugschleifer. Und – keine Angst: das "verschissene Klo" war beim Einbau nagelneu, die eklige Optik ist Lack aus der Airbrush-Pistole. Natürlich geruchsneutral. Auch die Schmeißfliegen sind künstlich, wie fast alles hier – durchweg perfekte Requisiten wie an einem Film-Set.

Riesenspaß für stetig wachsende Fangemeinde in der ganzen Republik

Was man nicht auf den ersten Blick sieht: Der Escape-Raum ist vollgestopft mit Aufgaben, die bis zu fünf Personen als Gruppe gemeinsam zu entdecken und zu lösen haben, um – nachdem sich die "Zellen"-Tür hinter ihnen geschlossen hat – innerhalb von maximal 60 Minuten wieder aus dem Raum zu entkommen. Zu fliehen also – auf Englisch: "escape". Ein Riesenspaß ist das für eine stetig wachsende Fangemeinde in der ganzen Republik und eigentlich der ganzen Welt. Und eine richtig krasse Herausforderung, die volle Konzentration von allen verlangt. Aber die süchtig macht, erzählt "Game-Master" Schenk.

Auch er, seine Frau und der gemeinsame Sohn sind so in die "Escape-Gamer"-Szene gerutscht. "Wir suchten nach einer gemeinsamen Freizeitbeschäftigung, die auch unseren damals 13-jährigen Sohn begeistern konnte" – als reale Konkurrenz zur natürlich auch bei ihm sehr beliebten Spiele-Konsole für den heimischen Fernseher. "Escape-Games" schienen eine herrliche Adaption des virtuellen Game-Spaßes in die Realität hinein zu sein. Und so war es dann auch tatsächlich.

"Die Kids der aktuellen Smartphone- und Konsolen-Generation haben ja fast keine echten Erlebnisse aus der echten Welt mehr", so Schenks Beobachtung. Wissen gar nicht mehr, was "echte Abenteuer" emotional mit einem machen können. So sei das auch bei vielen Besuchern, die ihren Nagolder Escape-Raum besuchten – und die vielleicht Freunde und Familie "mit hierher geschleppt" haben. Da höre man schon mal ein mauliges "Was soll ich hier!?" Aber wenn dann das Spiel in dem nachgebauten Knast losgeht, die Legende vom bis heute ungeklärten Schicksal der beiden früheren Insassen des Kerkers Freddy Finger und Larry Laber erzählt wird und sich die Kerkertür endlich tatsächlich schließt, "schießt auch dem härtesten Brocken sofort die volle Ladung Adrenalin ins Blut."

Denn alles fühlt sich auf einmal verdammt echt an. Die deutlich sichtbar angebrachte, rückwärts laufende Uhr sorgt für zusätzlichen Thrill. Und mit jedem gelösten Rätsel, jedem Spiellevel, rückt die finale Lösung näher; mit echtem Aha-Effekt und noch einmal einer zusätzlichen Dosis Adrenalin. Bis dann mit der gelungenen "Flucht" aus dem Escape-Kerker die Sinne der Teilnehmer jedes Mal mit Unmengen an Endorphinen – Glückshormonen – geflutet werden; sichtbar an den stets rotglühenden Gesichtern der erfolgreichen Gamer. Der süchtigmachende Faktor bei diesem Freizeitvertreib.

Klar ist, dass jeder jeden Escape-Raum nur ein einziges Mal spielen kann – dann kennt man ja sein Geheimnis. Weshalb es innerhalb der Gamer-Szene einen regen Austausch über neue, noch unbekannte Escape-Räume überall in der Region und der Republik gibt. Und eben den Spaß, eigene Escape-Räume zu organisieren und aufzubauen.

"Das war einfach die nächste Ebene des Spiels – einen eigenen Raum zu gestalten"

So war es auch bei Rüdiger Schenk und seiner Familie, "das war einfach die nächste Ebene des Spiels – einen eigenen Raum zu gestalten". Da die Schenks das neben ihren Hauptberufen machen, ist der Nagolder Escape-Raum nur an Wochenenden zugänglich. Wobei man mehr als die eine Stunde Zeit einplanen sollte, die das eigentliche Spiel dauert. Denn es gibt eine ausführliche Einweisung – und eine Abschlussbesprechung.

Weitere Informationen: www.escape-game-nagold.de und www.Escape-Game.org