Vadim Gluzmann spielte in der "Alten Post" auf einer Stradivari eine bachsche Sarabande. Foto: Kosowska-Németh Foto: Schwarzwälder-Bote

Sommermusik: Virtuose Vadim Gluzman bringt Publikum den Zauber der weltbekannten Geige nahe

Während der Veranstaltung "Das Geheimnis einer Stradivari" begegneten Besucher lebendiger Kunstgeschichte und erlebten ganz nah Musikmomente von Seltenheitswert.

Nagold. Am vorletzten Tag der 30. Sommermusik im Oberen Nagoldtal überraschte die Organisatorin Adelheid Kramer das Nagolder Publikum mit der attraktiven Jubiläums-Idee: den Klang einer echten Stradivari-Geige hautnah erleben zu können. Hautnah im wahrsten Sinne des Wortes, da in den überfüllten Räumlichkeiten des Restaurants "Alte Post" Platzmangel herrschte und die Künstler zum Greifen nahe vor dem Publikum spielten.

Unter diesen Bedingungen war es schlicht unmöglich, die legendären Klangeigenschaften der Elite-Instrumente im vollen Umfang zu genießen. Nichtsdestotrotz strahlte die "Leopold Auer"-Stradivari aus dem Jahre 1690 einen unwiderstehlichen Zauber in den Händen des weltbekannten Virtuosen Vadim Gluzman aus, und eine unwirkliche Aura umhüllte seine Interpretation der Bachschen Sarabande.

"Menschen lieben Geheimnisse" – stellte der Geigenbaumeister Marcel Richter aus Wien fest. Seit mehr als 300 Jahren faszinieren nicht nur Violinen, sondern auch Bratschen, Celli und Kontrabässe (auch Gitarren) von Antonio Stradivari (1644-1737) durch ihren einzigartig kräftigen, zugleich seidigen Klang und die vollkommene Bauform.

Mehrere Jahrzehnte lang tüftelte der geniale Meister und Visionär an dem ihm vorschwebenden Klangideal, schnitzte bei Kerzenlicht mit den meist selbst gebauten Werkzeugen Dutzende Geigenformen, die jetzt im Stradivari-Museum in seiner Heimatstadt Cremona ruhen, bis sich in der "goldenen" Periode (1700-1725) die Instrumentensprache der fertigen Werke mit dem Wesen des betörenden Belcanto vereinigte. Schon damals errang Stradivari europaweiten Ruhm.

Die Anfänge des Geigenbaus "liegen im Dunklen", Stradivari stehe "am Ende einer Kette" der berühmten Meister aus Cremona und Brescia wie Andrea und Niccolo Amati oder Giovanni Paolo Maggini, so Richter. Sie legten den Grundstein für die Vollkommenheit der Instrumente Stradivaris.

Um die Vorzüge anderer Violinen aus dieser Zeit präsentieren und sie vergleichen zu können, spielten die Teilnehmerinnen des Gluzman- Meisterkurses, Lara Boschkor und Milica Zulus, kurze Motive aus den Violinkonzerten von Sergej Prokofiev und Peter Tschaikowski auf vier verschiedenen Geigen nacheinander.

Während die Italiener Domenico Montagnana, Maggini und Carlo Antonio Testore durch die Geschmeidigkeit und Ausgeglichenheit der Klangfarbe auf allen Saiten bestachen, klang die spätere Stradivari-Kopie des Franzosen Jean-Baptiste Vuillaume gleichfalls sonor, doch ihr Klangkern schien nicht so edel wie der seiner Vorgänger.

Dem Ende zu spielten die jungen Geigerinnen auf eigenen, wertvollen Instrumenten Werke von Niccolo Paganini und Jan Sebastian Bach, und das Publikum belohnte mit frenetischem Beifall ihre technische und musikalische Souveränität. Anschließend bewirteten Marina Hentsch und der Sterne-Koch Stefan Beiter die Gäste mit einem exquisiten Extra-Menü.

Und das Geheimnis von Stradivari? In der belebten Fragerunde versuchte Richter die sagenumwobenen Geschichten über das spezielle, zur richtigen Mondphase geschlagene Holz und über den Wunder-Geigenlack aus der historischen Sicht zu erläutern. Möglicherweise stellten die Klostermönche die Lacke wie auch Bier und Schnaps her und nach dem päpstlichen Verbot der weltlichen Aktivitäten um 1650 verschwanden ihre Erzeugnisse sowie Rezepte für immer. Aber nicht der Lack entscheide über die Klangqualität, er bilde nur eine elegante und wirksame Schutzschicht gegen menschliche Wärme. Gleichzeitig aber betone er die Schönheit des "Flammens" von Ahornholz, so Richter. Die gute Geige könne von Anfang an auch ohne Überzug wunderbar klingen.

Es gab und gebe viele Theorien, viele Untersuchungen und Experimente, doch Stradivari gibt sein Geheimnis nicht preis. Seine vollkommenen, lebendigen Kunstwerke zeugen von Talent, Fleiß und Beharrlichkeit eines Genies, der seinem Ideal ein Leben lang nacheiferte und dieses auch erreichte.