Untypisch für Nagold, und gerade deswegen prägend: die Fassade des abzureißenden Gebäudes "Alte Seifenfabrik" in der Calwer Straße. Foto: Fritsch

Bei späterer Bebauung soll historische Fassade rekonstruiert werden. Historisches Identitätsmerkmal.

Nagold - Eigentlich hatte der Technische Ausschuss des Nagolder Gemeinderats den Abriss der Gebäude der alten Seifenfabrik Harr an der Calwer Straße längst beschlossen. Doch die nun notwendige Mittelfreigabe dafür im Gemeinderat ging nicht glatt durch.

Auslöser dafür – wahrscheinlich: Zu Beginn der Gemeinderatssitzung war eine Bürgerfragestunde anberaumt. Nach einem angesprochenen Problem mit den Fahrkartenautomaten des VVS, die kein Wechselgeld rausgeben – worum sich die Stadt im öffentlichen Interesse umgehend zu kümmern versprach – war das Thema "Abriss Seifenfabrik" ein erstes Mal im Plenum angekommen. Barbara Wieland sprach sich mit Verlesen einer vorbereiteten Erklärung dafür aus, zumindest die Fassade des historischen Gebäudes ("ein historisches Kleinod") zu erhalten und dafür eine neue Planung anzusetzen.

Vorwurf des leichtfertigen Umgangs

Aus ihrer Sicht sei es sehr kritisch zu beurteilen, dass von den wenigen historischen "Identitätsmerkmalen" im Nagolder Stadtbild immer mehr verschwinden würden. Unrühmliche Beispiele seien das sogenannte Rotgeberhaus gewesen oder die alte Ölmühle (an der Stelle des heutigen Autohauses Wackenhut). Das alte Krankenhaus habe nur durch eine private Bürgerinitiative gerettet werden können, was einen zu leichtfertigen Umgang der öffentlichen Hand mit der historischen Bausubstanz in der Stadt dokumentiere. In diesem Zusammenhang sei es auch von Interesse, was zum Beispiel weiter mit der Alten Post oder dem Gebäude des ehemaligen Aufbaugymnasiums passieren werde. Es gebe da "eine historische Verantwortung" für die Stadt, solche markanten Bauten erhalten zu helfen und noch aktiver nach Nutzungsmöglichkeiten dafür zu suchen.

In seiner Antwort wies Oberbürgermeister Jürgen Großmann darauf hin, dass alle Experten – gerade auch vom Denkmalamt – die Bausubstanz der Alten Seifenfabrik als irreparabel geschädigt einstufen. Der Abriss sei alternativlos, und genau dafür habe die Stadt die Gebäude auch ursprünglich (nach schwierigen Verhandlungen mit den Alteigentümern) übernommen. Den Vorwurf, mit historischen Gebäuden all zu leichtfertig umzugehen, wies Großmann für die Stadt mit den Hinweis auf "zahlreiche positive Beispiele" zurück: Gerade erst sei es gelungen, für den historischen Bahnhof einen privaten Investor zu finden, der "mit sehr großem Aufwand" die Gebäude dort sanieren und einer neuen Nutzung zuführen werde.

Gleiches gelte für das Aufbaugymnasium, für das ebenfalls ein (privater) Investor in den Startlöchern stehe. Mit der (erhaltenen) Tuchfabrik Weitbrecht gebe es zudem in der Stadt noch ein Industriedenkmal aus der gleichen Epoche wie die jetzt abzureißende Seifenfabrik. Und auch von privater Seite gebe es zahlreiche Beispiele erfolgreicher Sanierungen stadtbild-prägender Gebäude – wobei der OB namentlich den anwesenden Gemeinderat Klaus Drissner (CDU) ansprach, dessen Geschäftsgebäude am Übergang von Vorstadtplatz zur Marktstraße erst jüngst wieder auf modernsten Stand gebracht worden seien.

Keine Not zum sofortigen Abbruch

Ausgerechnet Stadtrat Drissner war es dann aber im weiteren Verlauf der Gemeinderatssitzung, der mit einem Antrag, die notwendigen finanziellen Mittel für den Abbruch der Seifenfabrik – anders als geplant – doch nicht freizugeben, das reibungslose Abhaken dieses Tagesordnungspunktes zum Stolpern brachte. Drissner rechnete vor, dass es in Nagold zehn historische Industrieanlagen gebe, von denen man eine bereits durch Abriss verloren habe. Da es andererseits keine "echte Not" gebe, die Seifenfabrik sofort abzureißen, könne man sich auch noch einmal etwas Zeit nehmen, doch noch einmal nach einem Investor und einem neuen Nutzungskonzept Ausschau zu halten.

Auch Stadtrat Bernd Gorenflo (Grüne) schlug in diese Kerbe mit dem Hinweis, dass "nicht alles im Stadtbild in der Quadratur verkommen müsse" und man deshalb "aus Gründen der Ästhetik" vielleicht doch noch mal Geld in die Hand nehmen sollte, um die Seifenfabrik zu erhalten – woraufhin die "schweren Seufzer" des Oberbürgermeisters bei diesem Thema noch ein bisschen lauter und "ungehaltener" wurden.

Worauf Wolfgang Schäfer (CDU-Fraktionssprecher) dem OB im Gremium mit dem Hinweis beisprang, dass, wenn eine Nutzung für die Gebäude der Seifenfabrik gesucht würde, nur eine Wohnnutzung bliebe – für die er wegen der Nähe zu den großen Sportstätten der Stadt keine Empfehlung an dieser Stelle geben würde. Auch sollte die Stadt diese so mühsam erworbenen Flächen nicht an Dritte wieder hergeben wollen. Was den OB zum Einschub motivierte, dass er für Handelsflächen an dieser Stelle – wenn der Gemeinderat das wolle – sofort "eine ganze lange Liste von Investoren" beibringen könnte.

Die erlösende "Brücke" aus diesem Diskussions-Dilemma steuerte schließlich Gemeinderat Jürgen Gutekunst (FDP-Fraktionssprecher) bei, der an den ursprünglichen Vorschlag aus der Bürgerfragestunde anknüpfte, für eine eventuell später einmal mögliche Bebauung – erst einmal soll nach dem Abriss der Seifenfabrik die frei werdende Fläche als Parkplatz genutzt werden – eine Rekonstruktion der historischen Fassade der Seifenfabrik verbindlich festzuschreiben. So gäbe es zumindest die Perspektive, dass irgendwann einmal die optische Wirkung der Stadtbild-prägenden Backstein-Fassade wiederhergestellt werden könnte.

Diesem Vorschlag folgte der Gemeinderat, nachdem der Drissner-Antrag auf Nichtfreigabe der Mittel für den Abriss der Seifenfabrik Harr mit nur fünf Stimmen (Rest Gegenstimmen) keine Mehrheit gefunden hatte. Für die Mittelfreigabe (circa 150.000 Euro) stimmten schließlich 16 Gemeinderäte, drei stimmten dagegen, drei enthielten sich.

Oberbürgermeister Jürgen Großmann sagte zu, dass vor dem Abriss der Seifenfabrik nun die Fassaden-Gestaltung noch ausführlich für eine spätere Rekonstruktion dokumentiert und archiviert werde; und erinnerte auch daran, dass es ja bereits einige erfolgreiche Beispiele für ganz ähnliche Rekonstruktionen in der Stadt gebe.