2009 stieg die A-Jugend in die Oberliga Baden-Württemberg auf. Auch OB Jürgen Großmann kam zur Meisterfeier Archiv-Fotos: VfL Foto: Schwarzwälder-Bote

Fußball: Nach dem Niedergang Ende der 1990er-Jahre setzt der VfL Nagold auf die eigene Jugendarbeit

Die Stimmung ist gut in der Fußball-Abteilung des VfL. Sogar sehr gut. Rund 400 aktive Fußballer gibt’s, davon 300 allein beim Nachwuchs – also Kinder und Jugendliche. Gerade die werden hier über die Maßen gefördert. Systematisch aufgebaut. Der "Nagold Weg" wird das genannt.

Nagold. Klingt eigentlich nach einer Selbstverständlichkeit – konsequente, gute Jugendarbeit im Vereinsfußball. Ist es aber nicht. Fußball ist in Deutschland ein Nationalheiligtum. Imagebildend für Städte und Regionen. Aufgeladen mit unendlich vielen Emotionen. Und richtig viel Geld. "Ganz oben in der Leistungsspitze werden die ganz großen Budgets bewegt", erklärt Uli Hamann, derzeit zusammen mit Kollege Udo Jungebloed Abteilungsleiter Fußball beim VfL Nagold.

Das ist quasi das Gegenteil vom "Nagolder Weg": Sich die perfekten Fußball-Mannschaften einfach zusammenzukaufen, mit den jeweils besten Talenten aus anderen Vereinen, die man mit Geld zu sich zu locken vermag. Nicht nur ganz oben in der Bundesliga und auf der internationalen Bühne, sondern auch etwas weiter unten in den regionalen Ligen. "Auf allen Ebenen gibt es den Transfer-Markt, auf dem sich die Vereine ihre Wunschmannschaft je nach Scheckbuch zusammenkaufen." Ob das nicht ein wenig sei wie Monopoly für alte Männer? – Hamann verzieht im Affekt das Gesicht – so formuliert, trifft diese Aussage offensichtlich seine Fußballer-Ehre. Aber dann bestätigt er: "Ein wenig salopp formuliert, aber es geht sicher in die richtige Richtung."

Auch der VfL Nagold hat mit Sponsoren-Unterstützung noch in den 1990ern kräftig bei diesem Transfer-Monopoly mitgemacht. Auf Landesebene. Eigentlich "ein Kartenhaus", sagt Hamann. Das irgendwann kollabierte, als zugekaufte Leistungsträger in den Teams durch lange Verletzungsphasen ausfielen. Und für angemessenen Ersatz dann das Geld am Ende doch fehlte. Der ultimative sportliche Niedergang war die Folge, "Abstiege im freien Fall".

Die Zeit für eine große Zäsur, einen Paradigmen-Wechsel war gekommen. Den leiteten damals der Ende 2014 viel zu früh verstorbene VfL-Fußballabteilungsleiter Wolfgang Sindlinger und der damalige Sponsor Roland Fleckenstein ein – indem sie sich dafür entschieden, statt noch mehr Geld in teure Spieler zu investieren, dieses lieber für einen richtig guten Jugendtrainer auszugeben. Um sich im eigene Verein wieder eine solide Nachwuchs-Basis aufzubauen.

Jugendtrainer-Legende Walter Baur kommt 2002 zum VfL Nagold

Vom TuS Ergenzingen holten sie 2002 die Jugendtrainer-Legende Walter Baur nach Nagold, bei dem schon "Meister-Macher" Jürgen Klopp einst das Fußball-Handwerk erlernte. Der Beginn des "Nagolder Wegs", der (wieder) konsequent auf die eigene Jugendarbeit in der Fußball-Abteilung setzte. Auf den systematischen Aufbau eigener Talente aus dem eigenen Nachwuchs. Mit stetig wachsendem Erfolg.

Noch mal die Zahlen: 400 aktive Fußballspieler gibt es heute im VfL, davon 300 Kinder und Jugendliche. Insgesamt 50 Trainer und Jugendleiter trainieren diesen für eine Stadt wie Nagold mehr als gewaltigen Spieler-Fundus, mehr als 20 Mannschaften können so auf den unterschiedlichen Verbands-Ebenen in Betrieb gehalten werden. Alles zusammen die Basis, aus dem die Erste Mannschaft heute ihren Kader zusammenstellen kann. Vereinsinterne Perlenpickerei quasi. "90 Prozent der Spieler der ersten Mannschaft kommen aus unserer eigenen Jugendarbeit", unterstreicht Hamann nicht ohne Stolz. Solche Werte können nicht mehr viele Vereine vorweisen. Der Nagolder Weg eben.

Größter Erfolg der vergangenen Jahre: 2009 der Aufstieg mit der A-Jugend in die Oberliga Baden-Württemberg – auch wenn man sich dort nur zwei Saisons lang hielt. "Aber das macht nichts, es war trotzdem ein riesen Highlight für alle", sagt Uli Hamann. Die Erste Mannschaft spielt aktuell in der Landesliga – "mit Luft nach oben" in Richtung Verbandsliga. Aber auch hier sei ein gelegentlicher Abstieg kein Beinbruch, eher Motivation, in Ruhe Schwung zu holen für den nächsten Anlauf, den nächsten neuen Aufstieg.

"Mit unserem Weg, dem Nagolder Weg, haben wir aktuell das Optimum aus dem eigenen großer Spieler-Pool herausgeholt, was mit unseren Mitteln möglich ist." Technisch seien die Mannschaften auf allen Ebenen absolut top, jedem Gegner gewachsen. Beispiele: U19, U17 und U15 spielen heute alle in den höchsten Klassen des Württembergischen Fußballverbandes. Wo sich die Nagolder Spitzen-Kicker aber regelmäßig auf dem Fußballplatz anderen Teams geschlagen geben müssten, dass sei bei den Punkten Athletik und Kraft. Hier gebe es aktuell "noch offene Wünsche" des Vereins – ein eigener Kraftraum zum Beispiel. Und ein Trainer mit den dafür notwendigen, speziellen Kenntnissen, wie man die Muskulatur eines Spitzen-Fußballers mit dem richtigen Trainings-Programm gezielt und nachhaltig "aufbaut". Dann, so Hamann, sei "alles möglich" beim Erreichen weiterer Ziele im Fußball.

Womit man irgendwie bei den Visionen angekommen ist. Da muss Uli Hamann, im "normalen" Leben stellvertretender Schulleiter des Nagolder Otto-Hahn-Gymnasiums (OHG), nicht lange überlegen. "Ja, neben den bestehenden sprachlichen, musischen und naturwissenschaftlichen Profil am OHG auch noch ein sportliches Profil – das wäre schon was", um Nachwuchs-Sportler (nicht nur Fußballer) noch gezielter und erfolgreicher in ihrer Entwicklung zu unterstützen. Aber dafür bräuchte Nagold deutlich mehr Sporthallen-Kapazitäten. Bis das vielleicht einmal tatsächlich realisiert sein könnte, sei aber auch eine viel bessere terminliche, beziehungsweise zeitliche Verzahnung von schulischen und Vereins-Aktivitäten eine echte Herausforderung.

"Wir buhlen alle um das knappe Zeitbudget der Kinder und Jugendlichen", so Hamann nicht ganz ohne Selbstkritik. Da wäre zum Beispiel eine Hausaufgaben-Betreuung der Schüler direkt in Räumen des VfL durchaus sinnvoll – mit sich direkt anschließendem Training. "Das würde Wege und Zeit sparen." Und ganz nebenbei noch etwas anderes bewerkstelligen, das für den "Nagolder Weg" extrem wichtig ist: "Die Bindung des Nachwuchses an den Verein würde sich natürlich noch weiter erhöhen."