Trauungen führt Bürgermeisterin Helga Wössner sehr gerne durch und hat neben dem Trauzimmer im Obergeschoss ein zweites, etwas dekorativeres im unteren Bereich des Rathauses einrichten lassen. Foto: Reinhard Foto: Schwarzwälder Bote

Interview: Bürgermeisterin ist seit einem Jahr im Amt / "Wir müssen das Geld mit Bedacht einsetzen"

Mühlenbach. Nach ihrer Wahl im September 2017 wurde Helga Wössner vor einem Jahr als Bürgermeisterin von Mühlenbach verpflichtet. Im Gespräch mit dem Schwabo erzählt sie, warum sie nicht gerne zu Fuß zur Arbeit geht, von ihren Lieblingsaufgaben und warum sie beim Spazierengehen immer einen Block und Stift dabei hat.

Frau Wössner, Sie sind vor einem Jahr verpflichtet worden. Wenn Sie ein Jahr zurückdenken: Was hat sich seitdem am meisten verändert?

Vom Arbeitsumfang hat sich gar nicht viel verändert. Auch vorher habe ich schon viel gearbeitet und war rund um die Uhr unterwegs. Seit Januar des vergangenen Jahres wohne ich aber nun in Mühlenbach. Hier habe ich andere, neue Themen wie Jagd, Landwirtschaft und Mulchen. Wenn ich am Wochenende mit meinem Mann spazieren gehe, habe ich immer Stift und Block dabei und notiere, welche Arbeiten im Dorf erledigt werden müssen. Dadurch, dass ich im Außenbereich wohne, bin ich auch eingebunden. Direkt nebenan ist ein Hof und da bin ich öfter mal im Stall. Mein Mann war schon Geburtshelfer bei einem Kälbchen. Nur aus Mühlenbach komme ich kaum noch heraus. So langsam muss ich mal das Kinzigtal kennenlernen.

Was haben Sie aus Ihrer Kandidierungszeit in ihre Amtszeit mitgenommen?

Der erste Kontakt zu den Mühlenbachern war beim Dorffest. Ich wollte mir ein Bild von den Mühlenbachern machen und habe gemeinsam mit meinem Mann "undercover" das Fest besucht. Das war noch vor der Kandidatur. Wir waren beide beeindruckt.

Inwiefern?

Viele haben mir im Vorfeld gesagt, dass Mühlenbach nur ein kleines Dorf ist und eine Frau nie wählen würde, da bräuchte ich gar nicht erst anzutreten. Mit den Gedanken sind wir dann zum Fest. Es war beeindruckend, was die Mühlenbacher auf die Beine gestellt haben. Da waren massive Hütten, es gab Hirschgulasch und nicht nur Pommes. Man merkte, dass die Mühlenbacher wahnsinnig aktiv und fleißig sind. Dieser Eindruck hat sich zwischenzeitlich verfestigt: Wenn zum Beispiel die Vereine irgendwas machen, dann weiß ich, dass es funktioniert.

Was gehört zu Ihren Lieblingsaufgaben als Bürgermeisterin?

Am liebsten bin ich unter Menschen. Deshalb liebe ich Geburtstagsfeiern, Vereins-, Musik-, Sport- und Kirchenfeste und sehr gerne führe ich standesamtliche Trauungen durch. Das ist richtig schön, wenn da zwei sitzen, die sich anhimmeln. Aber auch die klassischen Verwaltungsaufgaben – Besprechungen, Telefonate, Auswärtstermine, Gespräche mit Bürgern – machen mir Freude.

Und was machen Sie nicht so gern?

Zu Fuß zur Arbeit gehen, wenn mein Mann aus Versehen mit meinem Autoschlüssel im Gepäck wegfährt. Ich wohne im Bärenbach, ganz oben am Berg. Da kann der Arbeitsweg zu Fuß ganz schön anstrengend und lang sein. Runter geht es ja schneller, aber das sind trotzdem 35 Minuten, die es braucht. Und sonst: Ich mag es nicht, wenn Sitzungen unnötig lang sind, weil der Redner nicht zum Punkt kommt oder sich nur selbst darstellen will.

Vor Kurzem ist Mühlenbach mit dem gemeindeeigenen Haus zum sozialen Wohnungsbau im Schwarzbuch des deutschen Steuerbunds gelandet. Das Haus haben Sie als Projekt von Ihrem Vorgänger Karl Burger übernommen. Was hätten Sie bei dessen Planung anders gemacht?

Das Projekt war schon weit fortgeschritten, als ich ins Amt kam. Im Gemeinderat habe ich nochmal zur Abstimmung gestellt, ob es nicht sinnvoller wäre, etwas anderes zu machen. Das ist knapp abgelehnt worden. Zum Zeitpunkt, als das Projekt von Karl Burger und dem Gemeinderat geplant wurde, das war 2016, war das nachvollziehbar. Der Flüchtlingsstrom war auf dem Höhepunkt und man konnte nicht wissen, wie viele Familien die Kommune noch aufnehmen muss. Unser Problem ist aber, dass wir keine Bauplätze haben. Gerade wenn man den Ortskern beleben möchte, wäre ein anderes Projekt vielleicht besser gewesen. Ein Mehrfamilienhaus ist nicht verkehrt, aber was ich gerne gehabt hätte, wäre ein Mehrgenerationenhaus. Da gibt es interessante Möglichkeiten, das zu kombinieren, zum Beispiel mit einem Bürgerverein oder Nachbarschaftshilfe. Unsere Narrenzunft sucht auch schon lange Räume.

Wäre das ein Punkt, den Sie für Mühlenbach demnächst ins Rollen bringen wollen?

Würde ich gerne, ja. Finanziell stehen wir aber nicht besonders gut da, gerade durch die Millionenprojekte. Das bedeutet, dass wir in der jetzigen Situation keine großen Sprünge machen können, sondern das vorhandene Geld mit Bedacht verwenden müssen. Trotzdem müssen wir auch Dinge weiter entwickeln. Und es muss ja Spielraum für unvorhergesehene Ausgaben vorhanden sein. In einer Klausurtagung soll mit dem Gemeinderat die zukünftige Dorfentwicklung erarbeitet werden. Eine Bürgerbeteiligung möchte ich durch aktive Einbindung von verschiedenen Gruppen, zum Beispiel in regelmäßigen Veranstaltungen, erreichen. Am 16. Januar 2019 findet der erste Austausch mit interessierten Landwirten in Mühlenbach statt. Weitere Punkte, die ich angehen will, sind eine Umstrukturierung der Verwaltung, der Glasfaserausbau und die Dorfentwicklung.

Sie sind im Kinzigtal eine der wenigen Frauen im Amt des Bürgermeisters – wenn ich richtig informiert bin, sind es sogar nur zwei. Können Sie sich erklären, warum das so ist?

Das Amt des Bürgermeisters ist ein 24-Stunden-Job, was eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht einfach macht. Aber es gibt ja auch andere Berufe, zum Beispiel in der Pflege, die arbeitsintensiv sind. Ich denke, man muss sich das als Frau einfach trauen. Wenn es darum geht, als frau in die Kommunalpolitik zu gehen, haben viele davor eine Scheu und fragen sich, ob sie das können. Bis eine Frau sich das überlegt hat, haben die Männer schon dreimal "hier, ich mach das, kein Problem!" gerufen. Frauen sollten einfach mutiger sein und sich mehr zutrauen. Und nicht enttäuscht sein, wenn es nicht klappt. Frauen sind als Bürgermeister nicht besser als Männer, haben aber oft eine andere Sicht auf die Dinge.  Die Fragen stellte Charlotte Reinhard.

Helga Wössner wurde im ersten Wahlgang am 24. September 2017 mit 61,2 Prozent zur Bürgermeisterin Mühlenbachs gewählt. Am 15. Dezember wurde sie offiziell im Amt verpflichtet.