Delice-Chef Evangelos Pattas (li) mit seinem Küchenchef Benjamin Schuster sind überglücklich Foto: Hörner

Mit 54 ausgezeichneten Lokalen verteidigt Baden-Württemberg bei Michelin Spitzenposition.

Stuttgart - Alle Jahre wieder im Herbst wiederholt sich die Zeremonie. Dann warten Gastronomen und Köche gebannt auf den neuen Michelin-Führer. Und nun steht fest: Baden-Württemberg bleibt mit jeweils zwei Restaurants im Drei- und Zwei-Sterne-Segment sowie 50 Restaurants mit einem Stern weiter die Genießer-Hochburg in Deutschland vor Bayern und Nordrhein-Westfalen (je 37). Das Interessante: Zu altbekannten preisgekrönten Gesichtern kommen neue aufstrebende Küchenstars hinzu.

Einer davon kommt aus Stuttgart und heißt Benjamin Schuster. Als der 31-jährige Koch aus dem Restaurant Delice am Dienstagabend von seinem ersten Michelin-Stern erfährt, mag er sein Glück kaum glauben. "Ich habe es gehofft, aber nicht erwartet." Wenige Minuten zuvor ist bekanntgeworden, dass sich das Restaurant in der Landeshauptstadt fortan mit dem Michelin-Stern schmücken darf.

Ein Stern war das Ziel

Chef Evangelos Pattas fehlen die Worte: "Das ist eine Wahnsinnsgeschichte." In der Tat kommt der Erfolg selbst überraschend. Denn das Restaurant hat einen Neuanfang hinter sich. Friedrich Gutscher, eine Institution am Herd, kehrte im vergangenen Jahr nach 33 Jahren in seine Heimat nach Österreich zurück, sein Sommelier Evangelos Pattas (48) übernahm das Erbe. Mit Schuster übernahm ein junger Mann die Herausforderung des kleinen Spitzenlokals mit seinen 20 Plätzen und mit der offenen Küche. Nun hat er offenbar nach nur acht Monaten die Ansprüche des neuen Chefs erfüllt. Ein Stern war schon bei der Eröffnung das Ziel. Pattas jedenfalls ist an diesem Abend überglücklich. "Von der Wirtschaftlichkeit her ist ein Stern extrem wichtig."

Allein, die Gratulationen der Gäste können die beiden Delice-Macher am Dienstagabend gar nicht entgegennehmen. Auf dem Anrufbeantworter erklären sie jedem verdutzten Anrufer, dass das Lokal ausnahmsweise geschlossen bleibt. Das Pikante: Die Küche bleibt nicht wegen des Sterns kalt, sondern weil das Duo zur selben Zeit eine ganz andere Auszeichnung erhält: Der Restaurant-Führer Marcellino's hat es in der Kategorie Sexiest food zum besten Restaurant in Stuttgart gekürt.

Damit leuchtet auch Stuttgart wieder ein bisschen mehr am Gourmethimmel. Sieben Sterne hat die Landeshauptstadt nun vorzuweisen - und liegt damit nur knapp hinter Großstädten wie Berlin (zwölf), Hamburg (elf) und München (zehn).

Zirbelstube hat den zweiten Stern erneut verpasst

Zwar haben sich die Hoffnungen von Bernhard Diers aus der Zirbelstube im Schlossgartenhotel auf einen zweiten Stern erneut nicht erfüllt, dafür haben alle anderen Gourmettempel der Stadt ihre Auszeichnung behalten: das Olivo im Hotel Steigenberger, die Wielandshöhe, die Speisemeisterei, das Restaurant Breitenbach sowie das Top air am Stuttgarter Flughafen. Der Hirschen von Armin Karrer in Fellbach, respektive sein Feinschmeckerlokal Avui erhielt derweil ein Sonderlob von den Testern: Karrer sei definitiv ein Kandidat für den zweiten Stern. Dass Diers erneut keinen zweiten Stern erhalten hat, kann er selbst nur schwer verstehen. "Wenn ich wüsste, was ich falsch mache, würde ich es ändern", sagt er am Abend. Fakt ist: In vielen anderen Gastroführern wird die Zirbelstube als das beste Stuttgarter Lokal gewertet, viele Experten halten den zweiten Stern längst für überfällig.

Aber auch das gehört alljährlich im Herbst dazu: Das Urteil der Michelin-Experten enttäuscht die einen und lässt die anderen jubeln. So wie in Baiersbronn. Der Tourismusort im Kreis Freudenstadt bleibt weiterhin das Mekka der Gourmets in Baden-Württemberg. Dort leuchten die drei Michelin-Sterne von Harald Wohlfahrt (Schwarzwaldstube im Hotel Traube Tonbach) und Claus-Peter Lumpp (Restaurant im Hotel Bareiss in Mitteltal). Und nur ein paar Kilometer weiter in Baden-Baden zeichnet Michelin das Park-Restaurant von Küchenchef Andreas Krolik in Brenner's Park Hotel mit dem zweiten Stern aus. Der 36-Jährige, vor fünf Jahren mit dem ersten Stern dekoriert, pflegt einen modern interpretierten Kochstil mit klassischen und mediterranen Einflüssen.

Drei haben ihren Stern verloren

Mit zwei Sternen wird erneut auch Martin Herrmann vom Restaurant Le Pavillon im Hotel Dollenberg in Bad Peterstal-Griesbach (Ortenaukreis) ausgezeichnet. Zu den hoffnungsvollen Neueinsteigern zählt laut Michelin das Amesa in Mannheim, das erst 2009 in den Genuss des ersten Sterns gekommen war. In der Küche steht Caroline Baum. Sie wird von den Testern als Anwärter auf einen zweiten Stern gehandelt. Auf einen Stern darf obendrein Christoph Fischer vom Gasthaus Adler in Gottenheim (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) hoffen.

Wo es Aufsteiger gibt, fehlen aber auch die Absteiger nicht. Drei Restaurants haben die begehrte Auszeichnung verloren und fehlen nun am Gourmethimmel des Landes: Raub's Landgasthof in Kuppenheim bei Rastat, das Grisini in Mannheim und Zehner's Stube in Pfaffenweiler im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald.