So schlimm wie die Situation der Flüchtlinge in diesem Schlauchboot im Mittelmeer war die Lage der Syrer, die auf eine Initiative aus Meßstetten hin gerettet wurden, wohl noch nicht: Sie befanden sich in Sichtweite der türkischen Küste. Foto: Carriers

Syrerin in leckem Schlauchboot schickt Hilferuf an ihren Mann in Meßstetten. Polizei setzt alle Hebel in Bewegung.

Albstadt-Ebingen - In der Ostägäis vor der türkischen Küste sind am Mittwoch rund 45 Flüchtlinge, die in einem Schlauchboot unterwegs in griechische Gewässer waren, aus Seenot gerettet worden. Die Initiative zur Rettungsaktion ging von Meßstetten aus.

Es war am Mittwochmorgen gegen 8.45 Uhr, als ein syrischer Flüchtling, der die Landeserstaufnahmestelle eigentlich schon verlassen hatte, aber wegen eines Termins mit dem Bundesamt für Migration auf dem Geißbühl war, einen Handy-Anruf von seiner Frau erhielt: Sie befinde sich auf einem leckgeschlagenen und überladenen Schlauchboot, dessen Motor offenbar ausgefallen sei, und schwebe in Lebensgefahr.

Der Mann aus Syrien geriet daraufhin in helle Aufregung, war aber immerhin imstande, den Beamten des Lea-Polizeipostens zu kommunizieren, was sich da gerade an der Seegrenze zwischen der Türkei und Griechenland abspielte.

Die Polizisten verloren keine Zeit. Sie benachrichtigten das Polizeipräsidium in Tuttlingen; Tuttlingen gab das ägäische SOS an das Landeskriminalamt in Stuttgart weiter, und von dort nahm es innerhalb von wenigen Minuten den Dienstweg zu den zuständigen Spezialisten, die mit Hilfe der Handynummer der Syrerin im Schlauchboot eine Ortung vornahmen. Es war noch nicht 9 Uhr, da waren die türkischen Behörden in Izmir informiert und gaben den Notruf an die Küstenwache weiter. Um 9.30 Uhr war das Schlauchboot aufgebracht, und die Flüchtlingen auf dem Weg in den sicheren Hafen. Auch der Mann in der Lea konnte nun aufatmen.

Wobei die geglückte Seerettungsaktion aus seiner Sicht einen Schönheitsfehler haben dürfte: Das Schlauchboot war in der Türkei aufgebrochen; sein Ziel war die griechische Insel Samos gewesen, die an der schmalsten Stelle der Meerenge von Mykale gerade einmal 1,7 Kilometer von der türkischen Küste entfernt liegt. Erreicht hat es dieses Ziel nicht; die Flüchtlinge sind wieder in der Türkei, wo sie am selben Morgen aufgebrochen waren.

Es stellt sich außerdem die Frage, ob die Türken für die Rettungsaktion auf eine Ortung aus Deutschland angewiesen waren – die Küstenwache war bemerkenswert schnell am Einsatzort, und laut der deutschen Polizei vorliegenden Informationen waren schon vor ihrem Alarm türkische Schiffe oder Boote in der Nähe des Schlauchboots gewesen. Andererseits: Spätestens mit dem Eingreifen der Deutschen bestand die Gewähr für eine zügige Seerettungsaktion – und längst nicht alle Flüchtlinge können schwimmen. Für sie wären die Folgen eines Schiffbruchs in Küstennähe dieselben wie auf hoher See. Wer weiß, wie viele Flüchtlinge bereits ertrunken sind, weil ihre Hilferufe mit dem Handy nicht rechtzeitig eine Polizeistation erreichten, die bereit und in der Lage war, alle Hebel in Bewegung zu setzen?