"Was hätte das Opfer tun können?": Die Schüler machen sich in Rollenspielen Gedanken über Lösungen bei Cybermobbing. "Sie sind nicht mehr so naiv im Umgang mit dem Internet", sagt die medienpädagogische Expertin Simone Haug. Studien zeigten, dass im Vergleich zu den Vorjahren die Jugendlichen beim Einstellen von Daten vielmehr ihre Privatsphäre schützten und zurückhaltender geworden seien bei persönlichen Angaben: "Das Bewusstsein für die Gefahren nimmt zu." Foto: Holbein

Realschüler haben schon schlechte Erfahrungen gemacht. Workshops gegen Cybermobbing.

Meßstetten - Marius ist neu in der achten Klasse. Er ist ein guter Schüler und muss dafür nicht viel tun. Das macht ihn nicht sonderlich beliebt bei seinen Klassenkameraden. Sie lehnen ihn ab. Marius findet keinen Anschluss. Eines Tages erhält er eine SMS – anonym, dann eine E-Mail mit Beleidigungen wie "Strebersau", und danach wird er immer wieder belästigt: Cybermobbing. Ein Fall, der sich auch an der Meßstetter Realschule so ereignen könnte.

Beim Umgang ist Vorsicht geboten

Simone Haug ist deshalb in den achten Klassen zu Gast, um auf die "unschönen Seiten von sozialen Netzwerken" aufmerksam zu machen. In zweistündigen Workshops klärt die medienpädagogische Expertin, die beim Landesmedienzentrum im Bereich Jugendmedienschutz tätig ist, über die Gefahren auf.

"Wir sollten alle vorsichtiger damit umgehen", sagt Monika. Die 14-Jährige hat schon zweimal schlechte Erfahrungen gemacht – mit dem Handy und über Mail, als ein Mädchen sich als ihre Großcousine ausgab und ihr eine falsche, sie schockierende Nachricht übermittelte. Das Angebot im Rahmen des Projekts 101 Schulen, das den qualifizierten und eigenverantwortlichen Umgang der Jugendlichen mit Medien fördern will, findet Monika daher gut.

Das sieht auch Rektor Martin Unterweger so: "Da erhalten die Schüler von kompetenter Seite ein Bewusstsein für die Problematik vermittelt und lernen, die Medien bedacht zu nutzen, da alles, was ins Netz gestellt wird, viel größere Kreise zieht." Ein "ganz heikler Punkt" an der Realschule, gab es dort doch schon Beschuldigungen und persönliche Verletzungen – aufgetaucht in einem sozialen Netzwerk –, die Schüler als Betroffene, aber auch als Täter in den Mittelpunkt rückten und sich so heftig in den Schulbetrieb hinein auswirkten, dass eine Klassenlehrerin reagierte und sich, um Hilfe zu bekommen, ans Landesmedienzentrum wandte.

Marius sucht das Gespräch mit einem Lehrer und einem Mobbing-Experten: Im Rollenspiel machen sich die Achtklässler die Folgen von Cybermobbing bewusst und suchen nach Lösungen. Der 14-jährige Christoph hat dabei bereits gelernt, nicht "alles Mögliche" ins Internet zu stellen, und der gleichaltrige Sebastian hat erkannt: "Es kann viel passieren", findet es daher gut, dass Simone Haug Tipps gibt und die Zusammenhänge erklärt, etwa dass Nachrichten im Internet nicht anonym bleiben.

Auch Lehrer können die Opfer sein

So waren bei den Vorfällen an der Realschule teilweise auch Lehrer als Opfer betroffen. Unterweger holt deshalb auch die Eltern "mit ins Boot": So gibt es einen Elternabend zum Thema für die Eltern der Klassen fünf bis acht: "Wir müssen präventiv sein."

Denn die Jugendlichen finden, wie die kurze Vorstellungsrunde beim Workshop in der Klasse zeigt, das Internet "cool", um Videos anzuschauen, sich weiterzubilden, zu chatten, online zu spielen, Musik herunterzuladen und mit Verwandten im Ausland zu kommunizieren. Manche sind "den ganzen Tag" im sozialen Netzwerk. Sie wissen aber auch um die Gefahren: Dass die Daten im Internet verbleiben, auch wenn man sich herausgelöscht hat, dass Links kursieren, über die man sich Viren einfangen kann.

Ein Film vermittelt, wie ein Junge übers Internet gemobbt wird bis hin zu einer Website unter seinem Namen mit zutiefst beleidigenden Inhalten – Erkenntnis: "Cybermobbing kann Leben zerstören." Die Achtklässler sind interessiert, aber etwas geschockt und erstaunt, was alles zum Mobbing gehört, "vielleicht", so Haug, "weil sie sich selbst schon mal so verhalten haben, ohne sich viel dabei zu denken." Die Rollenspiele arbeiten die Situationen auf, kristallisieren heraus, dass alleine es schwer möglich ist, aus dieser Spirale zu kommen, dass es aber Hilfen gibt. "Wichtig ist, mitzudenken, mit Lehrern zu reden, eventuell ein Klassengespräch zu führen. Letzte Instanz ist dann die Polizei."

(hol). Wenn Menschen andere Menschen über einen längeren Zeitraum schikanieren, wird das als Mobbing bezeichnet. Geschieht dies über verschiedene Medien – zum Beispiel das Internet –, nennt sich das Cybermobbing, das dann öffentlich wird, wenn mehrere Leute auf diese Inhalte Zugriff haben.

Beleidigungen, Beschimpfungen, verletzende Kommentare, Belästigungen, das Verbreiten von Gerüchten, das Bloßstellen privater Details, Ausgrenzung, Androhungen und Verfolgung sind Mobbing-Arten. Eine Variante ist auch, über den Account eines anderen unter dessen Namen negative Einträge zu machen. Expertin Simone Haug rät deshalb, niemandem sein Password zu verraten und auch sein Alter und seinen Namen nicht öffentlich zu machen.

Cybermobbing selbst ist kein Straftatbestand, vereinigt aber einzelne Gesetzesverstöße, so beispielsweise üble Nachrede, Verleumdung bis hin zu Nötigung, Bedrohung und Gewaltdarstellung. Ab 14 Jahren sind Kinder strafmündig. Es kann Freiheitsstrafen je nach Fall bis zu fünf Jahren geben.