Marianne Schätze wäre lieber „Pretty Woman“ als Angela Merkel... Foto: Holzer-Rohrer

Mit ihrem Programm „Es isch wie’s isch“ sorgte die Kabarettistin Marianne Schätzle für einen voll besetzten Kronesaal, der an diesem Abend seiner Bestimmung als Kleinkunstbühne wirklich alle Ehre machte.

Dass ganz Besonderes zu erwarten war, darauf ließ schon die Anwesenheit des SWR-Fernsehens schließen. Und dann tauchte die Protagonistin auf und ein in den ganz normalen alltäglichen Wahnsinn, zog die Gäste in ihren Bann und machte deutlich, dass es doch jammerschade gewesen wäre, wäre ihre Erziehung zur Bäuerin geglückt und sie hätte sich im Bauernhof und Stall versteckt, anstatt ihre Fähigkeiten im Rampenlicht auszuleben.

Doch gerade diese Bodenständigkeit der Kindheit und Jugend, aus deren Blickwinkel sie den heutigen Zeitgeist und die Gesellschaft so überaus treffend ins Visier nimmt, ist es, was sie so erfolgreich macht. Fein die Linien, ausgewogen die Grenzen zwischen ernüchternder – zuweilen beängstigender – Realität und humorvoller sprachlicher und gestischer Verpackung, gewürzt mit ihren so eigenen Esprit, der es ihr erlaubt, sich auch immer wieder selbst auf die Schippe zu nehmen.

Küken oder Suppenhuhn?

Sie zeichnet das Bild einer unbeschwerten Kindheit, mit Gummitwist im Pausenhof, Herumtollen mit Freunden, ohne Handy im Schulranzen, eine Zeit, als es nur einmal in der Woche Fleisch gab und man auch noch ohne Designerklamotten dazu gehörte.

Dann ging’s ans Älterwerden, mit dem sie ganz gut zurecht käme, wären da nicht die Nebenwirkungen. Sie fühle sich wie ein Küken, werde aber behandelt wie ein Suppenhuhn. Dabei habe sie doch erst während der Pandemie eine Ganzkörperinventur vorgenommen und dabei festgestellt, dass sie noch alle Zeit der Welt habe, um Ministerpräsidentin in Baden-Württemberg zu werden oder gar die erste US-Präsidentin. Zudem sei man heutzutage ja viel länger jung, nur die Haut werde eben eine Nummer zu groß.

Aqua-Bachelor oder Master?

Apropos Corona – da müsse man sich ja schon fragen, wo denn all das Personal hingegangen sei. Sie vermute, dass die fehlenden Arbeitskräfte zwischenzeitlich im Work-Life-Balance-Bereich arbeiten, weil sie von ihrer Mutter gefragt wurde, ob die Irrenanstalt wohl Wandertag habe, angesichts der Jogger und Walker rund um Wiesen und Äcker.

...das Publikum findet sie so gut wie sie ist. Foto: Holzer-Rohrer

Dass die Welt doch deutlich verrückter geworden sei, lasse sich an ganz vielen Bereichen festmachen: So steige der Stellenwert eines Berufes, wenn man diesen erst googeln müsse, denn manchmal klinge die Bezeichnung eher wie ein asiatisches Nationalgericht oder eine neue Yoga-Stellung. Wenn der Wasserhahn tropfe, müsse man sich erst schlau machen, ob nun ein Aqua-Bachelor, Aqua-Master oder Aqua-Designer ins Haus zu holen sei oder man mittels You-Tube gleich selbst zupacke.

Schaffe man es, heutzutage überhaupt an einen Handwerker zu kommen, sei es mit der Frage, was man denn mit der Wand tue, nicht erledigt, denn die größere Überlegung sei doch, „Was tut die Wand mit mir?“ Auch in Brüssel werde verrückt gespielt, weil sie dort über ein Schnitzel beraten, das keines sei, aber gerne eines wäre.

Auch sie wäre lieber „Pretty Woman“ als Angela Merkel. Das Publikum aber war da ganz anderer Meinung, als Marianne Schätzle als Merkel-Parodistin zur Hochform auflief. Es war einfach nur Genuss, wie sie ehemalige Bundeskanzlerin mimte, deren „Kompetenz des Aussitzens“ sich bei der Hobbygärtnerin auf Schneckenjagd geradezu bewährt.

Hauptamtlicher Sündenbock

Die Rolle der First Lady habe sie zwischenzeitlich mit derjenigen des „hauptamtlichen Sündenbocks“ getauscht, da sie nicht nur für das Öl-Gas-und Strom-Desaster verantwortlich gemacht werde, sondern auch dafür, dass es keine Munition gebe für Gewehre die da seien, wohl aber Munition für Gewehre, die es gar nicht gebe. Zudem trage sie auch offensichtlich die Schuld an der geringen Körpergröße ihres Nachfolgers.

Bei der Übergabe des Amtes an Olaf Scholz habe sie ihm auch – in abgeschwächter Form zwar – ihr Temperament weitergegeben, was zum Problem werden könnte. „Doch wir schaffen das“, zeigte Merkel sich mit Mund und Händen zuversichtlich. Und – gemessen am so stürmischen Applaus – waren die Zuhörer derselben Meinung.

Die Kabarettistin griff noch viele weitere Themen auf, bescherte den Gästen einen wunderschönen, kurzweiligen, unbeschwerten Abend und machte bewusst, wie sehr dieses Genre in den pandemischen Jahren gefehlt hatte.