Ohne Angebot für die innere Sicherheit lässt sich nach Ansicht von Allensbach-Chefin Renate Köcher keine Wahl gewinnen. Foto: dpa

Die Allensbacher Demoskopin Renate Köcher hält der CDU-Fraktion den Spiegel vor – und die sieht ein nur wenig schmeichelhaftes Bild.

Allensbach - Selten ist eine Partei in der Wählergunst so abgestürzt wie zuletzt die Südwest-CDU. Bei der Landtagswahl 2016 rauschte sie von 39 hinunter auf 27 Prozent, bei der Bundestagswahl im September von 45,7 auf 34,4 Prozent. Über die Ursachen ist viel diskutiert worden, doch die CDU-Landtagsfraktion wollte es jetzt genauer wissen und hat dazu Renate Köcher, die Chefin des Instituts für Demoskopie Allensbach, eingeladen. Die Professorin, die in mehreren Aufsichtsräten (BMW, Infineon) sitzt, hat den Christdemokraten an diesem Dienstag den Spiegel vorgehalten – und diese sahen ein nicht eben schmeichelhaftes Bild.

„Seit Jahren verliert die CDU bei der inneren Sicherheit und der Begrenzung der Zuwanderung dramatisch an Profil“, referiert Fraktionschef Wolfgang Reinhart im Gespräch mit unserer Zeitung die Erkenntnisse der Meinungsforscherin. Die Stärkung der Wirtschaft, ein stabiler Euro, die Bekämpfung der Staatsverschuldung – dafür steht die CDU nach wie vor. Doch nur noch 42 Prozent (2008: 67 Prozent) glauben, dass die Partei auch „innere Sicherheit“ kann. Dabei war das einst die Kernkompetenz der CDU. Und dabei stehen der Kampf gegen Terror und Kriminalität sowie die Bewältigung des Flüchtlingsproblems ganz oben auf der Liste der Aufgaben, die die Bevölkerung von der neuen Bundesregierung bewältigt sehen will. Der Klimawandel macht laut Umfrage nur 37 Prozent der Menschen Sorgen, die Wohnungsnot beschäftigt immerhin 41 Prozent. Doch dass Gewalt und Kriminalität wachsen, treibt 77 Prozent der Deutschen um.

Die geschockte Bevölkerung

All das hat offenbar schon die Landtagswahl überlagert, und Köcher kommt zum Schluss, dass das Wahlergebnis, hätte die Bundestagswahl 2016 statt gefunden, für die großen Parteien ähnlich verheerend und für die AfD ähnlich positiv gewesen wäre wie 2017. Reinhart: „Wir haben gelernt, dass die Bevölkerung in der Geschichte der Republik nur ganz selten so schockiert war wie durch den Kontrollverlust des Staates auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle.“ Das wirkt bis heute nach. Nur wer als Garant für die innere Sicherheit stehe und für das Flüchtlingsproblem eine Lösung anbiete, könne bei Wahlen noch bestehen, habe Köcher der CDU ins Stammbuch geschrieben. Diese Befindlichkeit der Menschen müsse die Politik akzeptieren, folgert Reinhart.

Für die Meinungsforscher vom Bodensee ist es denn auch kein Wunder, dass die AfD ihr Potenzial von derzeit 15 Prozent bei der Bundestagswahl mit 12,6 Prozent annähernd ausgeschöpft hat. Denn in den letzten Wochen vor der Wahl sei das Thema Flüchtlinge wieder zum bestimmenden Thema des Wahlkampfs geworden – auch wenn es noch im Frühjahr so schien, als hätte die Bevölkerung einen Schlussstrich darunter gezogen. Noch acht Wochen vor der Bundestagswahl sprachen die Daten offenbar für Schwarz-Gelb. Doch irgendwann im Sommer konnte die Union dann nicht mehr davon profitieren, dass nach dem Zusammenbruch des Hype um SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz zunächst ein Vakuum entstanden war. Sie stürzte selbst ab.

Kann die CDU die abtrünnigen Wähler wieder zurück gewinnen? Reinhart muss das schon berufsmäßig glauben. Doch nach den Umfragen darf man daran zweifeln. Die Partei steht zwar den Daten zufolge vorwiegend für strengere Asylgesetze (79 Prozent) und die Begrenzung des Flüchtlingszuzugs (80 Prozent). Doch 51 Prozent der AfD-Anhänger sind mit dem politischen System der Bundesrepublik unzufrieden (Bevölkerung insgesamt: 17 Prozent). Also kommt Köcher zum Schluss, die AfD sei mittlerweile „zum Sammelbecken der Misstrauischen und Unzufriedenen geworden“.

Die CDU im Spagat

Welches Resümee zieht der CDU-Fraktionschef nun aus den Erkenntnissen? Zum einen, dass die Union ihre Kernkompetenzen zurück gewinnen muss. Zum zweiten, dass die Union als Volkspartei wieder ein breites politisches Spektrum vertreten muss. Reinhart: „Das wird ein Spagat.“ Also mehr Horst Seehofer und weniger Angela Merkel? So einfach lässt sich das auch wieder nicht sagen, denn die Demoskopen bescheinigen der Kanzlerin extrem hohe persönliche Zustimmungswerte. Und eine in sich gespaltene Union bestraft der Wähler obendrein. „Das wichtigste ist, dass wir die Menschen bei ihren Befindlichkeiten abholen“, sagt Reinhart.