Der Präsident des Europaparlaments Martin Schulz wird als Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten für das Amt des Kommissionspräsidenten antreten. Foto: dpa

Die Sozialdemokraten und Arbeiterparteien küren an diesem Samstag Martin Schulz offiziell zu ihrem Spitzenkandidaten für die Europawahl im Mai.

Die Sozialdemokraten und Arbeiterparteien küren an diesem Samstag Martin Schulz offiziell zu ihrem Spitzenkandidaten für die Europawahl im Mai.

Brüssel - Wer Martin Schulz in den vergangenen Tagen im Internet besuchen wollte, musste sich bis zum heutigen Samstag gedulden: Seine Web-Seite wurde auf den aktuellen Stand gebracht. Denn von diesem Samstag an ist der Präsident des Europäischen Parlamentes auch der Spitzenkandidat aller – wie es offiziell heißt – „32 sozialdemokratischen und Arbeiterparteien“ in der EU für die Europawahl am 25. Mai.

Die Nummer Eins auch der deutschen SPD nimmt Kurs auf das große Ziel: Er will die europäischen Sozialisten zur stärksten Kraft im Straßburger Parlament machen und zum Präsidenten der EU-Kommission gewählt werden. Die Europawahl 2014 ist die erste, die nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon stattfindet. Dieser sieht vor, dass das Ergebnis der Europawahl bei der Ernennung des nächsten Kommissionspräsidenten berücksichtigt werden muss.

Schulz wäre nicht Schulz, wenn er nicht davon überzeugt wäre, dass die Sache gut für ihn ausgeht. „Meine Nationalität spielt dabei keine Rolle“, zeigte er sich am Freitag einem Fernseh-Interview überzeugt, als er auf mögliche Widerstände von Griechen, Spaniern oder Portugiesen gegen einen Deutschen an der Spitze der mächtigsten Behörde Brüssels angesprochen wurde. Er freut sich auf den Wahlkampf in den 28 Mitgliedstaaten.

Gegner hat der 58-jährige gelernte Buchhändler aus Hehlrath bei Aachen reichlich. Erst vor wenigen Wochen verärgerte er Teile der Knesset, des Parlaments in Jerusalem, mit einem Vergleich über den Wasserverbrauch von Israelis und Palästinensern. Und seit der Wahlkampf näher rückt, wird die Kritik lauter. Beispielsweise an einem großen Plakat vor dem Besucher-Eingang des Brüsseler Parlamentes, das Schulz überlebensgroß vor dem Plenarsaal zeigt und Züge von Selbstdarstellung hat. Und unter Konservativen, Liberalen und Grünen heißt es, Schulz sei ein klassischer Oppositionspolitiker. „Der ist immer gegen etwas“, werfen sie ihm vor. So jemand eigne sich nicht zum Visionär an der Spitze der Kommission. Schulz lässt das an sich abprallen. Er trommelt weiter für seine Botschaft von einer EU, die sich nicht darin erschöpft, Glühlampen auszuwechseln und über Klo-Spülungen zu diskutieren. Er will das „Europa der Eliten“ abschaffen, wehrt sich dagegen, dass die Staats- und Regierungschefs immer öfter Entscheidungen unter sich ausmachen und so die Volksvertreter aussperren.

Mit 19 trat Schulz in die SPD ein, mit 31 wurde er zum Bürgermeister von Würselen gewählt. In Europa bekannt wurde er, als er 2003 den damaligen EU-Ratspräsidenten Silvio Berlusconi bei seiner Antrittsrede im Europäischen Parlament mit Zwischenrufen so sehr nervte, dass dieser Schulz vorschlug, er solle die Rolle des Kapo in einem KZ-Film übernehmen. Als die EU-Abgeordneten Schulz im Januar 2012 zum Parlamentschef kürten, kündigte er an: „Ich werde kein bequemer Präsident sein.“ Er legte sich mit jedem an, der ihm in die Quere kam. Kämpferisch, wortgewaltig – so beschreiben ihn auch seine Gegner von der konservativen Mehrheitsfraktion. Ihm gelang, was kein Parlamentspräsident vorher schaffte: Er holte die europäische Abgeordnetenkammer aus der Vergessenheit in die Schlagzeilen.

„Ich bin ein einfacher Junge vom Lande“, erzählt Martin Schulz eher still und bescheiden. Ein neues Image? Wo immer der Sozialdemokrat in diesen Wochen auftritt, bekommt man sanfte Töne zu hören. Dann berichtet der bekennende Fußball-Fan und Anhänger des 1. FC Köln über seine Kindheit im Drei-Länder-Eck, von Besuchen an Gräbern, in denen seine Vorfahren beerdigt wurden, die in den Weltkriegen ums Leben kamen. Schließlich hebt er doch wieder zu einer begeisterten Rede über Europa an – so kennt man ihn.