Die wahre Billie Jean: Eine Jugendfreundin von Michael Jackson trifft Marbacher Gymnasiasten.

Marbach - Nicht jeder kann von sich behaupten, einen weltbekannten Pop-Star zu einem millionenfach verkauften Song inspiriert zu haben. Theresa Gonsalves kann. Die 52-Jährige, dieser Tage in Marbach zu Gast, gilt nicht nur als Jugendfreundin von Michael Jackson. Ihre Geschichte steht auch hinter dem Hit "Billie Jean".

Die Postbeamten müssen sich die Hände gerieben haben: Im zarten Alter von zwölf Jahren begann Theresa Gonsalves damit, Briefe zu schreiben. Nicht ab und zu, wenn sie gerade den Drang verspürte, ihre Gefühlswelt zu ordnen. Nein, Theresa Gonsalvez brachte ihre Gedanken täglich zu Papier. An jedem einzelnen Tag setzte sich das Mädchen aus Boston an den Schreibtisch, um sich einem gleichaltrigen Jungen zu offenbaren.

"Do you remember the time, when we fell in love. We were young and innocent then. - Erinnerst du dich an die Zeit, als wir uns verliebten, wir waren jung und unschuldig" (aus dem Song Remember the time)

Auslöser der Mädchenschwärmerei war der junge Michael Jackson, im Jahr 1970 schon ein kleiner Star. Mit seinen älteren Brüdern trat der zwölfjährige Sänger als "Jackson Five" auf, ein Wunderkind auf dem Weg zum Weltruhm. Bei einem Konzert in Boston blickte Theresa dem Idol ihres Lebens kurz in die Augen - und begann zu schreiben. Die ersten 700 Briefe dürften den Jungstar zwar gar nicht erreicht haben - die Kuverts waren an ein spezielles Postfach für Fan-Briefe gerichtet. Nach fast zwei Jahren aber erbarmte sich eine nette Post-Bedienstete und erklärte der unermüdlichen Theresa, wie sie an die richtige Adresse der Jackson-Familie kommen könne.

"I don't need no dreams, when I'm by your side" - "Wenn ich bei dir bin, brauche ich keine Träume" (Baby be mine)

"Er hat alle Briefe von mir gelesen", ist sich Theresa Gonsalves noch heute sicher. Dank der durchlaufenden Nummerierung der Umschläge habe Michael auch nach längeren Konzertreisen immer gewusst, welche Reihenfolge die in der Zwischenzeit eingegangenen Schreiben haben müssen. Für die ständig zwischen Hotel und Bühne pendelnden Jackson-Kinder ist die Fan-Post wie eine Brücke zum normalen Leben. "Wenn ich Deine Briefe lese, habe ich das Gefühl, dass Du direkt neben mir stehst und mit mir redest", schreibt ihr der angehimmelte Star. Und Schwester Latoya gesteht, durch ihre Briefe endlich etwas vom Schulalltag zu erfahren. Mit 16 Jahren nimmt Theresa Gonsalvez ihren ganzen Mut und ihr mit Aushilfsjobs zusammengespartes Geld zusammen und fliegt nach Las Vegas. Die Jackson-Familie hat sich im MGM Grand Hotel einquartiert. Beim Treffen der beiden Teenager entpuppt sich der im Rampenlicht so selbstsicher auftretende Sänger als ebenso schüchterner wie gehemmter Jugendlicher. Mit Mädchen kann der als Zeuge Jehovas erzogene Star nicht umgehen - auch wenn es zu zaghaften Zärtlichkeiten kommt. Eine wirkliche Beziehung wird aus der Freundschaft nie. Schon 1984 schreibt das Starmagazine von einer "tragischen Liebe". Zehn Jahre später heiratet der King of pop ausgerechnet die Tochter von Elvis Presley. 1996 folgt eine zweite Ehe, die allerdings ebenfalls nur drei Jahre hält.

"Hört nicht auf, euren Träumen zu folgen"

"Billie Jean is not my lover, she's just a girl who claims that I am the one. But the kid is not my son" - "Billie Jean ist nicht meine Geliebte, sie behauptet es nur, aber das Kind ist nicht mein Sohn." (Billie Jean)

Bereits 1982 nimmt Michael Jackson den Song "Billie Jeane" auf. Das Lied über eine nicht anerkannte Vaterschaft zählt zu den meistverkauften Singles der Popgeschichte. Millionen von Musikfreunden rätselten über die Hintergründe. In Fankreisen wird eine psychisch kranke Frau, die den Sänger als Vater ihrer Zwillinge bezichtigt, als Inspiration für den Titel gesehen. Auch der Jackson-Biograf Randy Taraborelli äußert ähnliche Vermutungen. Der Entertainer selbst hält die Spekulationen durch die verschiedensten Äußerungen am Kochen - bis das Star-magazine die langjährige Brieffreundin Theresa Gonsalves als "the real Billy Jean" enthüllt. Die damals 23-Jährige ("Auch ich habe nie gelernt, eine richtige Beziehung zu Männern zu haben") war mit ihrem ersten Sohn Todd schwanger - und hatte dem Popstar wie gewohnt berichtet.

"I knew right then and there, there was something different about this girl" - "Ich wusste gleich, dass dieses Mädchen anders war" (Dangerous)

Jetzt sitzt Theresa Gonsalvez am Esstisch von Ute Seitter. Die Marbacherin hat ihre US-amerikanische Freundin zu einem zweiwöchigen Besuch ins winterliche Deutschland eingeladen. Auch bei ihr geht die Faszination für den Pop-Star weit über den üblichen Rahmen hinaus. Seitter, gelernte Buchhalterin und Mutter von vier Kindern, ist Mitglied im offiziellen Michael-Jackson-Fanclub von Südkalifornien. Als zum ersten Todestag des Sängers fast zehntausend Fans vor dem abgesperrten Forrest Lawn Memorial Park ausharrten, flog auch sie in die Staaten. Im Reisegepäck waren die Tonträger des Idols - und Kerzen in Herzform. "Ich bin mit den Songs von Michael Jackson aufgewachsen, er war der größte Star der Welt", erinnert sich die Marbacherin. Über den Kontakt mit Fans aus aller Welt ist Ute Seitter auch auf Gonsalves gestoßen. "Es war, als wenn wir uns schon ewig kennen würden", erzählt sie über den spontanen Entschluss, Gonsalves einzuladen.

"Heal the world, make it a better place, for you and for me and the entire human race" - "Heile die Welt, mach sie zu einem besseren Ort, für dich, mich und die ganze Menschheit" (Heal the world)

Auf dem Besuchsprogramm steht nicht nur die Schillerstadt. In München wollen Theresa Gonsalvez und Ute Seitter einen ehemaligen Manager von Michael Jackson besuchen, auch an Neuschwanstein und Heidelberg kommt die US-Amerikanerin bei ihrem Europa-Tripp nicht vorbei. Bevor es nächste Woche nach Paris geht, ist außerdem ein Auftritt im Marbacher Friedrich-Schiller-Gymnasium geplant. Am Mittwoch, 8. Dezember, stellt sich Theresa Gonsalvez den Fragen der Jugendlichen. Was sie den Schülern erzählen wird? "Hört nicht auf, euren Träumen zu folgen, entwickelt Beharrlichkeit. Hätte ich Michael nur einen Brief geschickt, hätte ich nichts erreicht".