Insolvenzverwalter Michael Pluta hat Märklin saniert Foto: Leif Piechowski

Der einst insolvente Göppinger Modellbauer Märklin ist verkauft, die Gläubiger sind zufrieden.

Göppingen - Der Sanierungsexperte Michael Pluta hat den Göppinger Modellbahnhersteller Märklin aus der Insolvenz geführt und erfolgreich verkauft: Nun werden die Gläubiger ausbezahlt. 2013 dürfte Märklin 112 Millionen Euro umsetzen.


Herzlichen Glückwunsch, Herr Pluta, Sie sind vor kurzem 63 Jahre alt geworden. Wie lange wollen Sie Ihren Job denn noch machen?
Mindestens bis ich 75 Jahre alt bin. Ich stehe nicht am Band und bin körperlich nicht abgewirtschaftet. Bei geistigen Berufen wie meinem wird man mit der Zeit immer besser. In schwierigen Situationen bleibe ich heute viel gelassener als früher.

Wie oft war diese Fähigkeit beim Insolvenzverfahren des Modellbahnherstellers Märklin gefragt?
Der Fall Märklin ist gut ausgegangen. Wir zahlen in diesen Tagen das Geld an die Gläubiger zu 100 Prozent zurück. Aber es gab echte Tiefpunkte. Auch wenn wir von Anfang an Zuversicht verbreitet haben, stand das Überleben der Firma im ersten Vierteljahr nach der Insolvenzanmeldung im Februar 2009 auf der Kippe. Es sah damals so aus, als ob uns zum Ende des Jahres das Geld ausgehen würde. Darum haben wir uns ja auch nach einem Investor umgeschaut.

Ohne Erfolg. Hat Sie das verunsichert?
Märklin war totgesagt. Nach einigen Monaten haben wir aber gemerkt, dass wir Märklin aus eigener Kraft sanieren können. Also haben wir den Investorenprozess abgebrochen. Denn wir hatten nur eine Handvoll unverbindlicher Angebote von Investoren, die nicht mehr als 30 Millionen Euro zahlen wollten.

Die Forderungen betrugen anfangs 90 Millionen Euro. Nun werden die Gläubiger zu 100 Prozent ausbezahlt. Lässt das Rückschlüsse auf den Preis zu, den der Spielwarenhersteller Simba Dickie für Märklin bezahlt hat?
(Lacht.) Wir haben schon im Rahmen des Insolvenzplans 30 Millionen ausgezahlt. Außerdem ist ein Teil der Forderungen weggefallen. Wir zahlen derzeit also rund 53 Millionen Euro zurück. Aber auch daraus lässt sich kein Rückschluss auf den Verkaufspreis ziehen. Denn ich behaupte nicht, dass das Geld alle ist, nachdem wir die Gläubiger ausbezahlt haben.

Wie oft kommt es vor, dass Sie den Gläubigern ihr Geld komplett zurückzahlen können?
Märklin ist mein 16. Hundert-Prozent-Fall.

Zählen Sie diese Fälle, weil das Glücksmomente für Sie sind?
Schon. Der Insolvenzgeschäftsführer Kurt Seitzinger und ich waren lange Zeit die Einzigen, die noch an die Sanierung von Märklin geglaubt haben. Die Gläubigervertreter standen am Anfang nicht voll hinter uns. Als wir jedoch den Mitarbeitern vor kurzem auf einer Betriebsversammlung gesagt haben, dass der Verkauf an Simba Dickie nun unter Dach und Fach ist, sind sie aufgestanden und haben minutenlang applaudiert. Das war ein berührender Moment für mich.

Wie stabil steht der Modellbauer heute da. Ihr Plan sieht für 2013 einen Umsatz von 112 Millionen Euro vor. Wird Märklin Ihren Plan einhalten?
Ja, das wird Märklin schaffen. Ich bin aber nicht mehr im Unternehmen tätig.

Sitzen Sie auch nicht mehr im Beirat?
Nein, der Beirat wurde neu besetzt.

Sie selbst haben für das Insolvenzverfahren laut Bilanz 5,1 Millionen Euro bekommen.
Das ist die Summe, die vom Gericht geprüft und bestätigt worden ist. Das Geld ist jedoch ein Teil des Umsatzes unserer Gesellschaft und nicht mein Privateinkommen. 2012 hat unsere Gesellschaft insgesamt 33 Millionen Euro umgesetzt. Wir beschäftigten über 350 Mitarbeiter.

Nach der Insolvenz 2011 haben Sie bei Märklin als Treuhänder gearbeitet und die Firma jetzt erfolgreich verkauft. Das heißt: Bei den fünf Millionen wird es nicht bleiben, oder?
Ich bin ja auch Insolvenzverwalter der Gesellschafterin – der Märklin Holding. In dieser Eigenschaft habe ich Märklin verkauft. Auf diesem Gleis läuft also noch einmal eine Vergütung.

Also dürften noch mal fünf Millionen dazu kommen?
Ja, das könnte sein. Die Diskussion um die Vergütung von Insolvenzverwaltern wäre einfacher, wenn keine einzelnen Personen mit einem Fall betraut werden, sondern eine ganze Gesellschaft. Wenn Herr Löscher von Siemens einen ICE verkauft, dann fragt auch niemand, was er mit den 170 Millionen Euro macht, die der Zug gekostet hat. Jedem ist klar, dass es sich um einen Umsatz der Firma handelt.

Vergangenes Jahr hat Ihre Gesellschaft 173 Verfahren bearbeitet. Nur drei Kanzleien liegen vor Ihrer. Wie hart ist der Kampf der Insolvenzverwalter um die besten Fälle?
Es gibt diesen Kampf – und er entwickelt sich durch die Reform des Insolvenzrechts eher unschön.

Weil die Gläubiger nun den Verwalter bestimmen dürfen?
Schlimmer noch: Der Schuldner darf bestimmen, mit wem er zusammenarbeitet. Und zwar bei dem neuen Schutzschirmverfahren, bei dem der Schuldner zusammen mit einem Sachwalter versuchen darf, die Insolvenz noch abzuwenden. Das ist fast schon ein Täterschutzgesetz zulasten der Opfer – sprich der Gläubiger.

Klingt nicht besonders sanierungsfreundlich.
Eben doch! Nur ist das Management in 95 Prozent der Fälle ein Teil der Unternehmenskrise. Der Sachwalter wird kein Insolvenzverwalter sein, sondern ein Unternehmensberater. Dieser Berater wird doch nicht als erste Handlung seinem Auftraggeber sagen, dass dieser ausgetauscht werden muss. Also lässt man das Management weitermachen. Bei der Auswahl des Insolvenzverwalters werden sich Gläubiger und Schuldner ebenfalls eher unerfahrene Kollegen aussuchen, die ihnen möglichst wenig reinreden.

Bei der Auswahl des Insolvenzverwalters für Schlecker rechneten einige aus der Branche mit Ihnen. Waren Sie enttäuscht, dass Sie das Verfahren nicht bekommen haben?
Ich habe mir angewöhnt, Entscheidungen von Gerichten nicht zu kommentieren.

Was war bei Hauptproblem bei Schlecker?
Anders als bei Märklin war dort die Marke negativ besetzt. Das sind extrem schwierige Voraussetzungen. Es gab dort keine positive Identifikationsfigur. So wie bei Karstadt.

Nicolas Berggruen hat sich doch als Retter inszeniert.
Das hat mich sehr gewundert. Seit er das Unternehmen 2010 übernommen hat, scheint mir nichts mehr passiert zu sein. Eine Sanierung ist für mich dann gegeben, wenn der Patient gesund das Krankenhaus verlässt und wieder selber laufen kann, und nicht, wenn der Patient auf der Bahre vom einen Krankenhaus ins nächste verlegt wird. Bei Karstadt hatte ich den Eindruck, der Patient hat auf der Bahre das Krankenhaus verlassen und ist ins Krankenhaus Berggruen eingeliefert worden. Und dort hat man dann offenbar auf die Selbstheilungskräfte gehofft. Eine Firma ist aber nicht gerettet, wenn sie ein Berggruen kauft, sondern wenn sie aus sich heraus überleben kann.