Alle hoffen auf sechs Richtige. Symbolbild. Foto: dpa-Zentralbild

Rekordgewinn. Fluch oder Segen? Unverhoffter Reichtum erfordert hohes Maß an Bodenhaftung.

Oberndorf - Ein Haus, ein Auto, ein Schiff oder doch lieber einen Karibikurlaub? Von einem Lottogewinn kann man sich vieles gönnen. Doch ein Tipper aus dem Schwarzwald kann sich jetzt sogar eine kleine Straße oder einen Fuhrpark oder eine Karibikinsel leisten. Und er hätte nach dem Kauf vermutlich sogar noch Geld übrig. Er – oder sie – hat 90 Millionen Euro im Lotto gewonnen. Eine solch hohe Summe hat in Deutschland noch nie ein Lottospieler abgeräumt. Gemeldet hat sich der Gewinner bis Sonntag aber noch nicht.

"Die entscheidende Frage ist: Bleibt der Gewinner auf dem Boden?", sagt der Wirtschaftswissenschaftler und Politologe Max Höfer. Er hat an dem sogenannten Glücksatlas mitgearbeitet, der jährlich vorgestellt wird. Er kennt die Kriterien, die einen Menschen glücklich machen. Und er bestätigt die alte Erkenntnis: "Geld verbessert nur bis zu einer gewissen Mindestgröße die Lebenszufriedenheit."

Bei einem Gewinn von 90 Millionen Euro ist diese Grenze allerdings längst überschritten – sogar für den Fall, dass hinter dem Gewinner eine Tippgemeinschaft stecken sollte, die sich das Geld teilt.

60 000 Euro im Jahr sind Max Höfer zufolge laut Studien die Summe, bis zu der Geld tatsächlich glücklich machen kann. "Jeder zusätzliche Euro bringt kaum mehr Lebenszufriedenheit." Überhaupt bedeute ein unverhoffter Geldsegen, etwa ein Bonus oder eben ein Gewinn, nur "einen kurzen Kick". Danach gewöhne man sich an das vermeintliche Glück. "Man muss damit umgehen können", sagt Max Höfer mit Blick auf eine so hohe Summe. "Es ist Fluch und Segen."

Tatsächlich könnte ein Gewinn in der Dimension das Glück sogar schmälern. Familie, Freunde, Arbeit und Umgebung seien wesentlich für ein zufriedenes Leben. "Man kann den Fehler machen, dass man sein gewohntes Umfeld verlässt", sagt der Ökonom. Und: "Es wird sich ein gewisser Neideffekt einstellen bei Freunden." Auch der Beruf sei ein wichtiger Glücksfaktor: wer nicht mehr arbeite, dem fehle unter Umständen der tägliche Sinn.

Die Mehrheit der Deutschen (62 Prozent) glaubt ohnehin, dass ein Lottogewinn nicht glücklich macht, wie eine repräsentative Emnid-Umfrage vor einigen Jahren ergab. Nur 15 Prozent würden ihren Arbeitsplatz bei einem plötzlichen Reichtum aufgeben.

Bei der Lotto-Gesellschaft kennt man mögliche Probleme und bietet sogenannten Großgewinnern Hilfe an. Dabei geht es nicht um die beste Kapitalanlage, sondern um das Verhalten nach dem geknackten Jackpot. "Die meisten Gewinner sind sehr bodenständig", sagt Mathias Yagmur, Sprecher von Lotto Baden-Württemberg. Für die erste Zeit rate man: "Behalten Sie Ihr Geheimnis für sich, so lange es geht." Auch mit dem Kauf von Luxusgütern solle man warten – und erst mal eine Prioritätenliste erstellen. "Geld schafft eine gewisse Freiheit", sagt Glückforscher Karlheinz Ruckriegel von der Technischen Hochschule Nürnberg. "Aber die muss man auch nutzen."

Ein Ehrenamt etwa sei für viele Menschen sehr glücksstiftend, ebenso wie Zeit für soziale Beziehungen und dafür, etwas für seine Gesundheit zu tun. Wer das Geld dafür nutze, könne sehr davon profitieren. Der Fachmann rät zu Verschwiegenheit. "Ich würde die Information nicht rausposaunen, sondern erst mal überlegen, wie ich mit dem Geld umgehe", sagt Karlheinz Ruckriegel.