Die Ausbildung beim Kommando Spezialkräfte ist hart. Foto: KSK

Kommando Spezialkräfte-Chef Sollfrank spricht über Materialmängel, Ausbildung und Risiken.

Calw - Krisenherde im Mittleren Osten, ein angespanntes Verhältnis zu Russland und wachsende politische Differenzen zu den Vereinigten Staaten von Amerika – die derzeitige Weltsicherheitslage stellt nicht nur die Politik, sondern auch die deutsche Bundeswehr vor große Herausforderungen. Und das in einer Zeit, in der immer wieder Ausrüstungsdefizite bei der Truppe Schlagzeilen machen. Erst vor wenigen Tagen hatte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) Mängel und Versäumnisse bei der Bundeswehr eingeräumt, verursacht durch jahrzehntelange Kürzungen der finanziellen Mittel.

Ausrüstung

Themen, mit denen sich auch Brigadegeneral Alexander Sollfrank, derzeit noch Kommandeur des in Calw stationierten Kommando Spezialkräfte (KSK), beschäftigt – obwohl das KSK keine Materialprobleme habe. Die Eliteeinheit habe derzeit alles, was sie brauche, und sei gut ausgestattet. Dennoch müsse man auch hier aufpassen, nicht den Anschluss zu verlieren und mit der technischen Entwicklung Schritt halten.

Die Diskussion um die zum Teil mangelhafte Ausrüstung der Bundeswehr hält er dennoch in der derzeitigen Form für zu kurz gegriffen. "Ja, es gibt materielle Defizite. Hier haben wir Handlungsbedarf", erklärte der Brigadegeneral im Gespräch mit unserer Zeitung. Aber: Das passende Personal sowie eine hochwertige Ausbildung seien genauso wichtig. Und gerade beim KSK – aber auch in der gesamten Bundeswehr – seien "hervorragende Leute" beschäftigt. "Die" Bundeswehr allein wegen der Ausrüstung pauschal zu kritisieren, gehe daher zu weit.

Nachwuchsrekrutierung

Auch, dass die Truppe immer wieder wegen Nachwuchsproblemen im Fokus der Öffentlichkeit stehe, zeichne ein einseitiges Bild. Denn nicht nur die Bundeswehr, auch etliche Unternehmen müssten sich in Zeiten des Fachkräftemangels eben darum kümmern, fähiges Personal zu bekommen.

Was das KSK selbst betrifft, erklärt der Kommandeur: "Wir sind einsatzbereit." Keine Selbstverständlichkeit. Denn seit dem Wegfall der Wehrpflicht sei die Zahl der möglichen Bewerber naturgemäß geschrumpft. Und die Ausbildung beim Kommando Spezialkräfte ist hart. Nur etwa jeder fünfte oder sechste Bewerber erfüllt die Voraussetzung, um in diese überhaupt aufgenommen zu werden. Dabei gebe es in der öffentlichen Wahrnehmung im Übrigen oft eine "unzulässige Reduzierung" auf die rein körperlichen Fähigkeiten der Soldaten. Um Teil der Eliteeinheit werden zu dürfen, genüge es aber nicht, lange marschieren oder schwer schleppen zu können, betont Sollfrank. Auch Intelligenz sowie ein geeigneter Charakter seien wichtig, um den harten Anforderungen gewachsen zu sein. Die Nachwuchsrekrutierung ist für den Brigadegeneral daher sehr wichtig, um den hohen Qualitätsstandard der Eliteeinheit zu halten. Dazu müsse heute vermehrt auch aktiv auf potenzielle Kandidaten zugegangen werden – nicht zuletzt, weil sich die Anforderungen unter anderem durch die digitale Revolution und die damit einhergehenden Chancen und Risiken für die Sicherheit stetig änderten.

Finanzierung

Insofern ist für den Brigadegeneral klar, dass die richtige Ausrüstung und mehr Geld allein nicht ausreichen werden, um die Bundeswehr zukunftsfähig zu halten. Geld sei aber dennoch eine "beinahe notwendige Bedingung", um den Auftrag der Truppe – die Sicherheit des Landes und der Bündnispartner – erfüllen zu können. Als Soldat sei für ihn daher eindeutig, dass das zuletzt häufig von US-Präsident Donald Trump angesprochene Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes in die Verteidigung zu investieren, erreicht werden sollte. Wie das gehen könnte, sei aber eine politische Frage – mit der sich Deutschland übrigens nicht erst seit Trumps Forderung beschäftigt. Es ist ein Ziel, dem sich alle Nato-Staaten, auch die Bundesrepublik Deutschland, beim Nato-Gipfel 2014 in Wales verschrieben haben.

Und auch, dass Deutschland sich künftig mehr in Sachen Landes- und Bündnisverteidigung engagieren wird, sei nicht den vermeintlich wachsenden Differenzen mit den USA geschuldet, erläutert Sollfrank. Im Weißbuch der Bundeswehr aus dem Jahr 2016 – ein Leitfaden für sicherheitspolitische Entscheidungen und Handlungen – wurde bereits festgeschrieben, dass der Landes- und Bündnisverteidigung die gleiche Bedeutung zukommen soll wie den Auslandseinsätzen der Truppe. Ursache dieser Veränderung war unter anderem die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland im März 2014.

Gefahren

Auf die Bundeswehr warten in Zukunft also zahlreiche Herausforderungen. Welche genau das sein könnten, dazu kann auch Sollfrank nichts allzu Genaues sagen – denn "der Blick in die Glaskugel ist schwierig", sagt der Brigadegeneral. Sicher sei aber, dass derzeit rund um den Erdball zahlreiche Risiken lauerten – angefangen vom angespannten Verhältnis zu Russland, über die Terrorgefahr aus dem Mittleren Osten und die Fluchtursachen bis hin zu möglichen Cyberangriffen, bei denen auch Deutschland verletzbar sei. "Lassen Sie uns nicht naiv sein und lassen Sie uns vorbereitet sein", appelliert daher der Kommandeur. Ein gut ausgestattetes KSK leiste einen zentralen Beitrag, um die beschriebenen Risiken von Deutschland fernzuhalten. Die Eliteeinheit sei im Übrigen schon jetzt in vielen dieser Krisenregionen im Einsatz – unter anderem seit bereits 17 Jahren durchgängig in Afghanistan.

Und – zu guter Letzt – was sagt der KSK-Kommandeur zu jenem Thema, das dieser Tage in aller Munde ist, dem als historisch geltenden Gipfeltreffen zwischen Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un? Sollfrank bleibt hier zurückhaltend – und äußert sich lediglich mit einem Satz, der wohl vielen Menschen aus dem Herzen sprechen dürfte: "Wir haben alle die Hoffnung, dass daraus etwas Positives entsteht."

Brigadegeneral Alexander Sollfrank übergibt die Führung des Kommandos Spezialkräfte am 26. Juni an Oberst i. G. Markus Kreitmayr. Sollfrank arbeitet künftig als Chef des Stabes des Kommandos Heer im brandenburgischen Strausberg (Landkreis Märkisch-Oderland).