Der Berliner Historiker Jörg Waßmer mit der druckfrischen Studie. Foto: Waßmer Foto: Schwarzwälder-Bote

Historiker Jörg Waßmer stellt seine Forschungsarbeit am 10. Mai in der Pfarrkirche St. Michael vor

Löffingen. Es ist der bislang umfangreichste Band der "Löffinger Schriftenreihe", der am Sonntag, 10. Mai, unter dem Titel "In Löffingen untragbar" der Öffentlichkeit vorgestellt wird. 244 Seiten umfasst die druckfrische Studie des Berliner Historikers Jörg Waßmer.

Auf breiter Quellenbasis beschreibt er den jahrelangen Konflikt zwischen dem katholischen Stadtpfarrer Guido Andris (1879 bis 1974) und den Löffinger Nationalsozialisten. Der 38-jährige Historiker, der in Löffingen aufgewachsen ist und heute im Jüdischen Museum Berlin arbeitet, forschte zwei Jahre lange in den Archiven zu den historischen Ereignissen. Er durfte sogar im Erzbischöflichen Archiv Freiburg die vertrauliche Personalakte des Geistlichen einsehen.

Erfreut zeigt sich Waßmer auch über die Unterstützung zahlreicher Einwohner, die ihm persönliche Dokumente und Fotografien zur Verfügung stellten. Die einzelnen Puzzlesteine setzte er zusammen, bis sich ein weitgehend lückenloses Gesamtbild ergab.

Der Titel der Studie ist ein Zitat: "Untragbar" war Stadtpfarrer Andris aus Sicht der NSDAP-Ortsgruppe "infolge seines gehässigen und unberechtigten Kampfes gegen die NSDAP". "Untragbar" waren aber auch die lokalen NS-Führer "für die ganze hiesige christlich gläubige Bevölkerung", wie Andris gegenüber der Kirchenbehörde argumentierte.

In sechs Kapiteln zeichnet Waßmer den Konflikt nach, der lange vor der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 begann und am 23. Juni 1934 mit der Vertreibung des Geistlichen gewaltsam beendet wurde. Waßmer geht auf die Ursachen des Konflikts ein und schildert detailliert den Verlauf und die Folgen der Auseinandersetzung. Gegenstand der Studie ist auch die Entstehung von Legenden nach 1945.

Für Andris waren die Nationalsozialisten weltanschauliche Gegner. Vor 1933 bekämpfte er sie offensiv. Nach der Machtübernahme agierte er zurückhaltender, fuhr aber fort, religiös-kirchliche Interessen gegen den Totalitätsanspruch des Regimes zu vertreten. Dabei beschränkte er sich auf "systemkonforme Opposition".

Vor über einem Jahr hatte Waßmer der Stadt Löffingen sein fertiges Manuskript zur Veröffentlichung in ihrer Schriftenreihe angeboten. Dass sich der Gemeinderat mit der Herausgabe zunächst schwer tat, überraschte ihn nicht. Gerade in kleinen Städten und Dörfern werde die NS-Zeit bis heute immer noch tabuisiert, sagt er. "Die Bedenken rührten wohl auch daher, dass ich in meinem Buch nicht nur die Zivilcourage derjenigen würdige, die gegen die Nationalsozialisten öffentlich protestierten, sondern auch die beteiligten Täter konkret beim Namen nenne, statt allgemein von ›den Nazis‹ zu sprechen."

Die damaligen Akteure beider Konfliktparteien seien längst gestorben. Die zeitliche Distanz sollte es möglich machen, sich mit den historischen Ereignissen kritisch auseinanderzusetzen, glaubt der Autor. Einen Einblick in seine Recherchen gab Waßmer bereits im vergangenen Jahr anlässlich des 80. Jahrestags der Vertreibung des Stadtpfarrers: Sein Vortrag im Juni fesselte die mehr als 200 Zuhörer im überfüllten Saal der Touristikinformation.

Das große öffentliche Interesse überzeugte wohl auch den Gemeinderat: Im Oktober beschloss er einstimmig die Veröffentlichung und beauftragte die Hüfinger Druckerei Moog mit dem Druck von zunächst 500 Exemplaren. Da Waßmer auf ein Honorar verzichtet, kostet die Publikation die Stadt nur knapp 5000 Euro. Illustriert ist der Band mit über 50 Abbildungen, etwa mit einer Fotoserie, die anlässlich der Vertreibung entstanden ist und den Menschenauflauf vor dem Pfarrhaus zeigt, aber auch mit Porträts der 16 verhafteten Bürger, die für Guido Andris Partei ergriffen.

Die Buchvorstellung wird am 10. Mai, 18 Uhr, in der katholischen Pfarrkirche St. Michael stattfinden. "Ich kann mir keinen besseren Veranstaltungsort dafür vorstellen als die frühere Wirkungsstätte von Pfarrer Andris", sagt Waßmer. Für den Abend hat er sich etwas Besonderes einfallen lassen, um Neugierde zu wecken: "Ein Dutzend historischer Dokumente, darunter ein Hetzartikel der NS-Presse gegen den Geistlichen, oder ein Seelsorgebrief, in dem Andris vor Hitler warnte, möchte ich zum Sprechen bringen."

Wulf Schmidt aus Rötenbach wird ihn dabei unterstützen. Musikalisch umrahmt wird die Veranstaltung vom Kirchenchor Löffingen.