Tony Marshall im Jahr 2004 bei einem Auftritt in Bad Peterstal-Griesbach (Archivbild). Foto: B. Schwarz

Der jüngst verstorbene Schlagersänger Tony Marshall machte Mitte der 80er-Jahre Freudenstadt zum Thema eines seiner Lieder. Doch viele Freudenstädter waren überhaupt nicht begeistert. Ihnen war der Inhalt des Liedtextes zu anzüglich.

Der Tod des Baden-Badener Schlagersängers Tony Marshall, der von schwerer Krankheit gezeichnet vor wenigen Tagen im Alter von 85 Jahren gestorben ist, löst allgemeine Trauer aus. Marshall bleibt als Stimmung stiftender Muntermacher in Erinnerung.

In Freudenstadt denkt man aber auch mit gemischten Gefühlen an den Schlagerstar zurück. Denn Mitte der 80er-Jahre standen der Sänger und die Schwarzwaldstadt im Zentrum einer Kontroverse, die das Zeug zu einer ausgewachsenen Provinzposse hatte.

Schwungvoll-fröhlicher Schunkelwalzer

Marshall sang 1986 für Freudenstadt einen schwungvoll-fröhlichen Schunkelwalzer mit dem Titel „In Freudenstadt im Schwarzwald“. In Freudenstadt, heißt es im Text, „da war die Freude groß, da hat der Storch ein Kind gebracht, hurra da war was los“.

So weit, so froh. Noch war ja nichts passiert. Aber dann kommts: „Das freudige Ereignis hat mich über Nacht in Freudenstadt im Schwarzwald zum Vater gemacht.“

Und auch der Anfang des Liedes hat es in sich: „Weil ich sonst keine Freuden hab, such ich meine Freuden in Freudenstadt. Ich zog in das schöne Städtchen ein, da traf ich ein Mädchen, und schon war sie mein.“ Oho! Es war im Sommer 1986, so prüde war man ja nun auch nicht, und außerdem gesteht Marshall in seinem Lied eine Strophe später ein, dass er „vor Liebe blind“ gewesen sei, und: „Das Mädchen von damals ist längst meine Frau.“

Foto: Repro: B. Schwarz

Nutzte nichts. Im „schönen Städtchen“ regte sich Empörung. In schlimmer Erinnerung an die Vergewaltigungen in Freudenstadt in den letzten Kriegstagen 1945 sei der Liedtext über den vorehelichen Storchenbesuch völlig daneben, meldeten sich Stimmen.

Halb Freudenstadt regte sich auf, in Leserbriefen wurde heftig moralisiert. Der Schwarzwälder Bote berichtete in dicken Überschriften, die Bild-Zeitung fand noch fettere Lettern, der Südwestfunk schaltete sich ein, selbst die „Bunte“ griff den Provinzskandal genüsslich auf.

Einer Kurstadt sei das Lied nicht würdig

Wegen des Sommerlochs bekam das Thema viel Platz in den Zeitungen. Der Tenor: „Im Schwarzwald tobt ein Sängerkrieg.“ Sogar von einem „Auftrittsverbot“ war die Rede.

In Freudenstadt nahm sich die damalige Kurverwaltung der Sache an. Bürgermeister Hans Pfeifer nörgelte nur, dass der Liedtext „nicht sehr geistreich sei“ und hielt sich aus der Sache raus.

Tony Marshall wollte im Sommer ’86 sein Lied auf dem Marktplatz oder wenigstens im Kursaal den Freudenstädtern vorstellen. Aber die Kurverwaltung rümpfte die Nase und sperrte sich gegen eine Uraufführung in Freudenstadt. „Das Lied sei „einer Kurstadt nicht würdig“, war die offizielle Sprachregelung des damaligen Kurdirektors Oscar Eylardi.

Der Schlagerstar war etwas verschnupft

Sein Stellvertreter Peter Krumscheid – damals 34 Jahre alt und bis 1994 Kurdirektor in Freudenstadt – war da schon etwas kecker. Er erkannte viel Werbewirkung im Schunkelsong, sprach von einem „Gag“ und versicherte, die Kurverwaltung habe Wichtigeres zu tun. Im Übrigen möge die Kurstadt doch bitteschön „etwas souveräner mit so leichter Muse umgehen“.

Wie zu erwarten, drehte sich die Welt auch ohne „Weltpremiere“ im Kurhaus weiter. Tony Marshall aber war verschnupft.

Ein echter Erfolg wurde das Lied nie

Er verkündete, er könne auf den Freudenstadt-Auftritt durchaus verzichten und stellte sein Lied dann vor gut 15 Millionen Fernsehzuschauern vor.

Im Oktober des gleichen Jahres, als sich die Wogen längst geglättet hatten, gab es dann doch noch ein Freudenstädter Gastspiel mit Tony Marshall in einem Festzelt. Ein großer Erfolg wurde das Lied allerdings nie.