Die Bücher von Gerd Stiefel fanden nach seiner spannenden Lesung reißenden Absatz. Foto: Susanne Grimm/Susanne Grimm

Zwei Morde in der Familiengeschichte motivierten ihn, Polizist zu werden – und später Kriminalromane zu schreiben. Nun hat Gerd Stiefel über seinen Werdegang als Gesetzeshüter und als Autor berichtet.

Zuvor las der gebürtige Ebinger in der Stadtbücherei jedoch aus seinem neuen Kriminalroman mit dem Titel „Soko Hegau“. Er handelt von der grausamen Ermordung einer Immobilienmaklerin, die in zweiter Ehe einen Italiener geheiratet hat, ohne zu ahnen, dass er der kalabresischen N’drangheta angehört. Natürlich ist der Witwer höchst verdächtig – aber war er es wirklich? Das verriet Stiefel nicht; schließlich wäre es dem Absatz seiner Bücher nicht zuträglich gewesen.

Was den Abend besonders interessant machte, war die Kombination der beiden Professionen. Polizist ist Gerd Stiefel einst geworden, weil es in der Geschichte seiner Familie zwei Morde gegeben hatte, über die er nur vage Bescheid wusste – und definitiv weniger, als er wissen wollte.

„Ich wollte, dass das Morden in meiner Familie aufhört“, bekannte der einstige Polizeiwachtmeister – vermutlich sei er deshalb bei der Polizei gelandet. Wo er es immerhin bis zum Leitenden Kriminaldirektor brachte.

Aber wieso schreibt ein Polizist Krimis? Sicherlich nicht, weil es zu wenige davon gäbe – im Gegenteil, das Angebot an Büchern und Filmen ist mehr als erschöpfend. Nein, Stiefels Motiv war gewissermaßen beruflicher Natur: die Diskrepanz zwischen Realität des Polizeialltags und der Fiktion.

„Eine Soko ist eine große Denkmaschine“

Beispiel? „In einer Soko arbeiten nicht nur zwei oder vier Ermittler an einem Fall, wie das im Film oft dargestellt wird“. Vielmehr bestehe eine Sonderkommission je nach Schwere und Komplexität des Entführungs- oder Tötungsdelikts – nur bei solchen Taten wird überhaupt eine Soko gebildet - aus 30 bis sogar 100 Personen. „Eine Soko ist eine große Denkmaschine“ – ohne diese gehe es auch in Zeiten künstlicher Intelligenz nicht, ungeachtet der riesigen Fortschritte in der Forensik.

42 Jahre Berufserfahrung haben in „Soko Hegau“ ihren Niederschlag gefunden; gleichwohl sich keiner der ehemaligen Kollegen in einer Romanfigur wiedererkennen – Stiefel hat akribisch darauf geachtet, dass die Distanz gewahrt bleibt. Ein angeregtes Publikum nutzte nach der Lesung die Chance, dem Autor und Kriminalisten Fragen zu stellen – und der erzählte über seine Erfahrungen. Etwa als junger Polizist, der sich gleich bei bei seinem ersten Nachtdienst mit einem Selbstmord konfrontiert worden ist: Eine Frau hatte sich auf die Bahnschienen gelegt.

Polizist und Buchautor Gerd Stiefel. Foto: Susanne Grimm

„Damals gab es noch kein Konfliktteam, dass einem bei solchen Erlebnissen psychologisch beistand“, berichtet Stiefel. Er müsse lernen, das auszuhalten, habe ihm ein älterer Kollege damals gesagt – verarbeitet wurde nach Dienstschluss beim Feierabendbier. „So war das damals.“

Wie sich der gebürtige Albstädter Respekt verschafft hat

Was sagt Gerd Stiefel zu der Respektlosigkeit, mit der Rettungskräfte immer öfter konfrontiert werden? Stiefel deutet sie als Symptom einer verunsicherten Gesellschaft. Er selbst habe sich mit seiner direkten Art – „Ich habe immer klare Ansagen gemacht“ – in seiner aktiven Dienstzeit Respekt zu verschaffen gewusst: „Homöopathische Sprachdosierungen war nie mein Ding.“

Gleichwohl habe auch er einstecken müssen. In einem Fall häuslicher Gewalt sei er gleich nach dem Öffnen von einem Zweimeter-Hünen attackiert worden. „Ich hatte noch nichts gesagt und lag schon lag ich in der Ecke.“ Ein anstrengender Beruf eben – „aber nach wie vor interessant“.

Abschließend signierte Gerd Stiefel Bücher – und versprach, wiederzukommen, was er seiner Geburtsstadt ja auch irgendwie schuldig ist. Verabschiedet wurde er von Büchereichefin Tanja Wachter mit Sonnenblumen – keine Selbstverständlichkeit für Mitte Oktober.