Familie Schumacher hat aus einer alten Scheune ein Aushängeschild von Unterschleffenz gemacht Foto: Foto: StN

Ein Bauernhof war schon immer harte Arbeit. Jetzt reicht es nicht mehr, nur Landwirt zu sein.

Stuttgart - Vor 15 Jahren haben die Eltern von Rolf Schumacher ihren Bauernhof aufgegeben. Bisher verrottete die Scheune im Ortskern von Unterschefflenz (Neckar-Odenwald-Kreis). Mit viel Herzblut und Geld haben die Schumachers aus dem Schönheitsfleck wieder ein Aushängeschild gemacht.

14 Stunden Arbeit sieben Tage die Woche, kein Urlaub, dafür 30 Kühe im Stall - ein Bauernhof war schon immer harte Arbeit. Inzwischen reicht es nicht mehr, nur Landwirt zu sein, wie der Vater und der Großvater zuvor. Heute muss der Bauer sich auch als Betriebswirt verstehen. "Sein Wissen als Landwirt ist das Grundkapital. Damit das rentabel ist, muss er wie ein Unternehmer handeln", sagt der Sprecher des Landesbauernverbandes, Heiner Krehl.

Der Bauer muss den Weltmarkt im Auge haben, fit in der Buchhaltung sein, seine Kreditlinie beachten, sein Risiko durch Verträge mit Abnehmern verringern und über Biogas- oder Solaranlagen nachdenken. Krehl: "Früher gab es Abgabe- und Preisgarantien." Heute schwanken die Lebensmittelpreise und mittelfristig auch das Einkommen des Bauern. Landwirt zu sein ist heute anders als früher, aber machbar. "Das sind eben die Herausforderungen", sagt Krehl.

Die verschachtelten Altbauten verwittern

Ein bequemer Job mit festem Einkommen sieht anders aus. Das bekommt der Nachwuchs auf dem Hof hautnah mit. Krehl: "Die landwirtschaftlichen Betriebe in Baden-Württemberg sind klein. Im Schnitt geht es um 30 Hektar Ackerfläche und 30 Kühe. Im Wettbewerb auf offenen Märkten haben sie schlechte Karten." Das macht den Hof der Eltern nicht sehr attraktiv. "Wenn Höfe schließen, liegt das meist daran, dass die Kinder ihn nicht übernehmen wollen", sagt Krehl. Aus der Betriebsübergabe wird so eine Betriebsaufgabe.

1971 gab es in Baden-Württemberg über 190.000 landwirtschaftliche Betriebe. 2007 (jüngste verfügbare Zahl) waren es noch 57.000. Otto Dürr vom Landwirtschaftsministerium: "Pro Jahr hören bis zu vier Prozent auf und schließen ihren Hof." Das macht pro Jahr 2280 Hofaufgaben oder sechs pro Tag.

Bauernhäuser und Scheunen sind typische Dorfidylle. Wenn der Landwirt seinen Hof schließt, hat das auch Folgen für die Ortschaft. "Früher gab es in einem Dorf zehn Bauern, heute gerade noch einen", sagt Dürr. Die Höfe sind noch da. Viele stehen leer und verwahrlosen. "Einmal kümmern sich die Erben nicht. Ein anderes Mal ist der Verkaufspreis zu niedrig. Oder die Scham davor, die Familientradition zu verhökern, ist zu groß", erläutert Manfred Merges vom Landwirtschaftsministerium. So verwittern die verschachtelten Altbauten. Einst Aushängeschild, jetzt Schönheitsfleck für die Gemeinde. "Die alten Bauernhöfe sind Teil der dörflichen Struktur. Sie prägen das Ortsbild", sagt Dürr.

In der alten Scheune steckt viel Herzblut und Geld

Merges leitet das "Modellprojekt zur Eindämmung des Landschaftsverbrauchs durch Aktivierung innerörtlicher Potenziale" (Melap). Gefördert werden ausgewählte Gemeinden, die in leerstehende Häuser im Ortskern statt in Neubaugebiete am Ortsrand investieren. Zwischen 660.000 und 1,6 Millionen Euro zahlte das Land pro Modellort. 200 Gemeinden haben sich beworben. 13 Ortschaften mit typischen Problemen wie Altersstruktur und Leerstand wurden ausgewählt. "Insgesamt sind jetzt 1050 Wohneinheiten um- oder neu gebaut. Und das meist von Privatleuten", betont Merges. Inzwischen läuft schon die Bewerbung für Melap Plus, die Fortsetzung des Projekts.

 Auch Schefflenz hatte sich bei Melap beworben. Erfolgreich. Bürgermeister Rainer Houck ist stolz, was aus dem Gebiet Unterschefflenz geworden ist: "Früher bestand nahezu der ganze Ort aus Landwirten. Wir haben viele alte Kleinbauernhäuser. Zuletzt waren die meisten ungenützt, marode und schlicht hässlich." Von 20 leerstehenden Häusern sind heute zwölf wiederbelebt.

In der alten Scheune steckt viel Herzblut und Geld

"Das Paradestück ist unser Schefflenzer Venedig", schwärmt Houck. Damit sind drei Scheunen gemeint, die Wand an Wand entlang dem Bach Schefflenz stehen. Seit über zehn Jahren ungenutzt, morsch und am Verfallen. Heute sehen die alten Spitzdächer aus wie neu, langgezogenes Fachwerk und Natursteine säumen die Fassade, zur Bachseite hin gibt es jetzt eine Aue statt eines verwilderten Ufers.

Die Verwandlung haben Privatleute bis auf den Zuschuss vom Land aus der eigenen Tasche finanziert. So auch Ralf und Annemarie Schumacher. "Die mittlere Scheune gehört meinen Schwiegereltern. Vor 15 Jahren haben sie die Landwirtschaft aufgegeben", erzählt Annemarie Schumacher. Vor dem Umbau sei der Zustand der Scheune schlicht katastrophal gewesen: Das Tor hing in den Angeln, im Innern moderte jahrzehntealtes Heu, der Kartoffelkeller versank in Erdhaufen. Zweieinhalb Jahre hat die Familie geschuftet. "Da steckt viel Herzblut, Geld und Idealismus drin", sagt Annemarie Armbruster.

Heute lebt die Familie in der alten Scheune. Der Kartoffelkeller ist zum Weinkeller mit Jagdzimmer geworden. Die alten Balken sind im Treppengeländer verarbeitet. "Wir sind stolz, zum Schefflenzer Venedig zu gehören", sagt Schumacher. Das Beispiel hat Schule gemacht, nach und nach haben sich mehr Investoren bei Schultes Houck gemeldet: "Die Identität des Dorfes lebt von der klassischen Bausubstanz. Die Bevölkerung muss einen Sinn für das Gemeinschaftsleben entwickeln. Auch wenn der Neubau attraktiver erscheint, als die alte Burg wiederherzurichten."