Die Kinder in Peru leiden unter der Corona-Pandemie. Sechs Monate lang durften Schüler nicht das Haus verlassen. Foto: Privat

Pandemie: Lahrer Kinderheim-Gründer in Peru berichtet über die sozial einschneidenden Folgen von Corona vor Ort 

Lahr - Der Lahrer Volker Nack lebt seit 1998 in Peru, wo er zusammen mit seiner Frau Dessy zwei Kinderheime gründete, in denen heute rund 40 Kinder leben. Er wird von 16 Helfern tatkräftig unterstützt und ist dankbar über die Hilfe des Vereins "Freunde von Casa Verde" in seiner Heimatstadt Lahr.

Peru ist von der Corona-Krise sehr stark betroffen 

Jedoch ist Peru von der Corona-Pandemie sehr schwer betroffen, dies beeinflusst auch die Arbeit von Nack, seinem Team und zwangsläufig auch das Leben der untergebrachten Kinder. Im Gespräch mit unserer Redaktion spricht er über die Folgen der Pandemie – und seine eigene Corona-Infektion.

Herr Nack, was gibt es Neues zu berichten aus Peru?

Peru war von der Corona-Pandemie in besonderer Weise betroffen. Über Monate hinweg zählte das Land zu den ruhmlosen Spitzenreitern weltweit hinsichtlich der Anzahl an infizierten Menschen und Todesopfern, gemessen an der Anzahl der Bevölkerung. Das ohnehin schon marode Gesundheitssystem kollabierte bereits nach wenigen Wochen.

Es gab in Peru über Wochen und Monate keine Notfallbetten mehr, keinen Sauerstoff und keine Medikamente. Zurzeit ist die Lage etwas entspannter. Eine zweite Welle wäre aber wahrscheinlich nur schwer zu bewältigen. Das Land erlebt gerade seine schwerste Wirtschaftskrise und die Anzahl der Menschen hier, die mittelfristig in Armut leben werden, steigt besorgniserregend. Hierzu gesellte sich in den letzten Wochen zusätzlich eine politische Krise ungewohnten Ausmaßes. Die langfristigen Folgen der Pandemie sind bei Weitem noch nicht abzusehen.

Wie beeinflusst die Pandemie Ihren Einsatz zum Wohl der Kinder?

Wir mussten unser Arbeitssystem den veränderten Bedingungen anpassen; massive Hygiene– und Schutzmaßnahmen ergreifen, Betreuungszeiten ändern, das Betreuungsangebot den emotionalen Notwendigkeiten anpassen, mit Ausgangssperren und Notstandsgesetzen umgehen, aber auch die Möglichkeit ins Auge fassen, dass die finanziellen Unterstützungen aus Deutschland rückläufig sein könnten.

Welche Auswirkungen hat die Pandemie auf das Leben der Kinder?

Für sie bedeutet das in erster Linie virtuelle Bildung das ganze Jahr über, denn Schulen sind geschlossen. Es gibt viele Hausaufgaben, wenig Lerneffekt und die Kinder hatten über Monate das Haus nicht verlassen, denn es galt eine sechsmonatige Quarantäne. Also waren die Kinder und Jugendliche 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche aufeinander angewiesen. Darüber hinaus konnten jene Kinder, die vor der Pandemie Besuche von ihren Eltern hatten, diesen Kontakt nur noch virtuell halten. Die Jugendlichen in Ausbildung mussten diese unterbrechen.

Und für Sie und Ihr Helferteam?

Die Mitarbeiter haben dauerhaft Sorge um die Gesundheit der Kinder und natürlich auch um ihre eigene. Zudem plagt das Wissen, dass bei Erkrankung das Krankensystem in Peru äußerst schwach ist. Es herrscht größerer Arbeitsdruck, wegen Anforderungen der virtuellen Bildung und der emotionalen Belastung der Kinder.

Waren oder sind Kinder und Mitarbeiter auch an Corona erkrankt?

Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen wurden über eine Mitarbeiterin sämtliche Mädchen des Mädchenhauses in Arequipa sowie sieben weitere Mitarbeiter und ich selbst angesteckt. Manche Mitarbeiter hatten heftige Symptome, die Kinder waren weitestgehend symptomfrei. Ein ehemaliger Mitarbeiter musste wochenlang stationär behandelt werden. Einige Mitarbeiter haben Nachwirkungen.

Was sind die größten Herausforderungen durch die Pandemie?

Die Sicherheit und das Wohlergehen von Kindern und Mitarbeiter zu gewährleisten.

Was sind Ihre Wünsche, Pläne, Hoffnungen für die Zukunft?

Erst mal sind wir dankbar, dass wir die Krise soweit meistern konnten, und dafür, dass wir in dieser Zeit auf die Solidarität unserer Unterstützer und Freunde in Deutschland vertrauen durften. So haben der Verein und die Freunde maßgeblich dazu beigetragen, dass wir den Kindern der Casa Verde weiter ein sicheres Zuhause bieten konnten. Wie die ganze Welt hoffen auch wir darauf, dass zunehmend Normalisierung möglich sein wird. Bis dahin werden wir mit dem, was kommt, bestmöglich umgehen.

Wie viele Helfer unterstützen Sie?

In Casa Verde Arequipa arbeiten zurzeit in den beiden Häusern für Jungs und für Mädchen insgesamt elf Personen. Das sind Tutoren, Sozialarbeiterinnen, Psychologen, Küchenhilfen oder Mitarbeiter der Buchhaltung. In Casa Verde Cusco arbeiten zurzeit fünf Mitarbeiterinnen.

Sind diese Menschen alle ehrenamtlich tätig?

Sämtliche Mitarbeiter in Peru sind über Casa Verde formell angestellt sowie sozialversichert und tragen somit zum Lebensunterhalt ihrer Familien bei. Das Vorstandsteam des Vereins Freunde von Casa Verde arbeitet ehrenamtlich. Damit kommen 100 Cent von jedem gespendeten Euro der Unterstützung der Kinder in Casa Verde zugute.

Wie kann man Casa Verde und damit die Kinder und Ihr Team unterstützen?

Neben den spontanen oder auch regelmäßigen Spenden gibt es verschiedene Möglichkeiten. So kann man Patenschaften für Kinder übernehmen oder wichtige Kostenblöcke wie Gesundheitsvorsorge, Ernährung und Schulausbildung bis hin zur Instandhaltung der Häuser unterstützen. Auch bestimmte Anlässe wie Geburtstage oder Weihnachten bieten sich an, um nach Spenden anstelle von Geschenken zu bitten. Enorm wichtig ist für uns natürlich auch das ›Weitererzählen‹. Denn viele Menschen können auch mit kleinen Beträgen viel für uns bewegen.

Hilfe kommt auch aus Lahr 

Die Casa Verde in Arequipa wurde von dem Lahrer Volker Nack und seiner Frau Dessy 1998 gegründet, die Casa Verde in Cusco 2011. Im Casa Verde Arequipa sind zurzeit 22 Kinder und Jugendliche im Alter von zwei bis 18 Jahren untergebracht, im Casa Verde in Cusco leben 15 Mädchen von acht bis 17 Jahren.

Organisierte Unterstützung aus Deutschland erhält Casa Verde seit 2002 vom Förderverein Casa Verde und seit 2008 vom Verein Freunde von Casa Verde aus Lahr. Weitere Infos, Kontaktdaten sowie Infos zu den Spendenkonten sind unter dem Link freunde-von-casa-verde.de/berichte-aus-casa-verde/ zu finden.